Präzise in Marzahn
Carlotta Baumann leitet Finetech – ein Spezialist für hochgenaue Platzier- und Montagesysteme
„Hallo, hier ist Carlotta“, ruft es aus dem Telefon. Ein bisschen aufgekratzt, in jedem Fall voll Energie und Präsenz. Diese Art der Kontaktaufnahme mit einer Geschäftsführerin ist selten. Üblicherweise gehen E-Mails hin und her, wird die Assistenz eingebunden. Carlotta Baumann ruft gleich selbst an, um einen Interviewtermin zu verabreden.
Später beim Gespräch wird rasch klar: Sie macht vieles anders als Chefin eines global operierenden Unternehmens mit 230 Mitarbeitenden. Sie fährt oft mit dem Rad zur Arbeit, vom rauen Nordkiez in Friedrichshain, wo es „wenigstens noch ein paar punkige Läden gibt“, in den CleanTech Park Marzahn. Dort stellt die Finetech GmbH & Co. KG hochgenaue Platzier- und Montagesysteme her, die weltweit in Forschungslaboren und Fertigungsstätten für mikroelektronische Produkte zu finden sind. Vor gut zwei Jahren übernahm Baumann die Geschäftsführung, nachdem sie – aus einer Unternehmer:innenfamilie kommend – bereits Eigentümerin geworden war. Baumann mutete sich viel zu und auch ihren Mitarbeitenden. „Ich bin eine Teamplayerin“, sagt die 36-Jährige. Das sei für manche eine Umstellung gewesen. Dazu das wachsende Unternehmen, die Filiale in Bangkok beispielsweise hat maßgeblich sie vorangetrieben.
Die Dependancen, weitere sind in den USA, China und Japan zu finden, konzentrieren sich auf Vertrieb und Service. Gefertigt wird am Standort Marzahn mit rund 190 Beschäftigten: Geräte, die beispielsweise Chips bis auf 0,3 Mikrometer genau auf einem Trägersubstrat absetzen können. Das ist rund 200-mal feiner als der Durchmesser eines Haares.
„Unsere Stärke ist der modulare Aufbau“, erläutert Baumann. Je nach Kundenwunsch können weitere Prozessschritte berücksichtigt und die erforderlichen Zusatzteile sowie Softwarelösungen entwickelt werden. „Wir haben mit vielen namhaften Firmen zu tun, sehen Trends und Innovationen, Jahre bevor sie kommerziell verfügbar sind“, sagt sie. „Das ist spannend und es macht total Spaß.“ Der Geschäftsführerin kommt dabei auch ihr Studium zugute: Elektrotechnik an der Technischen Universität Berlin mit Spezialisierung Mikrosystemtechnik.
Schon da war sie im Bachelor eine von sehr wenigen Frauen, im Masterstudium die einzige. „Ich hatte nie ein Problem damit“, sagt sie. Sicher sei ihre jetzige Position als Geschäftsführerin und Eigentümerin eines Unternehmens im technischen Umfeld ungewöhnlich. „Ich sehe das jedoch als Vorteil, wenn ich aus der Masse heraussteche.“
Wobei es gut wäre, wenn sich mehr Frauen für MINT-Berufe interessierten. Baumann möchte ihre Begeisterung gern teilen und nutzt dafür unter anderem soziale Netzwerke wie LinkedIn. „Jeder und jede kann sich bei mir melden und ins Gespräch kommen“, lädt sie ein. „Oder hier vorbeikommen.“
Bereits kurz nach der Gründung von Finetech vor 31 Jahren zog die Firma nach Marzahn, blieb dem Bezirk treu, als er noch ein wenig verschrien war. Heute punktet der Standort mit einer schnellen Erreichbarkeit für Kund:innen, Beschäftigte und potenzielle Neueinsteiger:innen, die auch hier gesucht werden. „Dazu gibt es hier weitere spannende Unternehmen und viel Grün mit Sportmöglichkeiten“, sagt Baumann. Ihr Traum ist es, dass die Firmen im CleanTech Park sich einmal bei einem Volleyballturnier messen. Vielleicht nächstes Jahr. Aktuell trainiert sie noch für die Meisterschaften im Touch Rugby. So wird die etwas sanftere Variante ohne das sogenannte Tackeln bezeichnet. Nach einer Verletzung beim ruppigen Rugby wechselte Baumann in die softere Spielart. „Es muss nicht immer Vollgas sein“, sagt sie – und klingt dabei nicht wirklich überzeugend.
Ralf Nestler für POTENZIAL