Kleine Chronik des Wissenschaftsstandorts Adlershof
1909-1919
Erster deutscher Motorflugplatz, DVL-Gründung und Aufstieg im Ersten Weltkrieg durch Rüstung
Mit einer internationalen Flugwoche wird 1909 das Flugfeld Johannisthal (heute: Johannisthal/Adlershof) vor den Toren Berlins eingeweiht. Hans Grade gewinnt mit seinem „Grade Eindecker“ den „Lanz-Preis der Lüfte“. Es ist dies der erste erfolgreiche deutsche Motorflug. Johannisthal entwickelte sich rasch zu einem Zentrum der deutschen Flugzeugindustrie.
Am 13. September 1911 erhält Amelie Hedwig (Melli) Boutard-Beese an ihrem 25. Geburtstag als erste Frau in Deutschland den Pilotenschein. Im April 1912 wird auf Initiative von Graf Zeppelin die „Deutsche Versuchsanstalt für Luftfahrt“ (DVL) gegründet und nimmt in Adlershof ihren Sitz. Im Verlauf des Ersten Weltkriegs expandiert die Flugzeugproduktion in Johannisthal. Größter Produzent sind die Albatros-Werke, gefolgt von Rumpler und der LVG. Der Standort ist wichtigstes Zentrum der deutschen Luftrüstung. Ungefähr jede dritte deutsche Militärmaschine wird zwischen 1914 und 1918 von den Johannisthaler Firmen und ihren Zweigwerken gefertigt.
1919-1933
Zwischenkriegszeit: Erste Linienflüge, beginnende Autoproduktion und Drehort für Kinofilme
Im Februar 1919 startet in Johannisthal eine Maschine der Deutschen Luft-Reederei zum ersten deutschen Linienflug mit Passagieren (Ziel: Weimar). Wenig später kommt infolge der Bestimmungen des Versailler Vertrages die Luftfahrtforschung praktisch zum Erliegen. Sie kann (mit erheblichen Einschränkungen) erst 1922 wieder aufgenommen werden. In den Jahren bis 1933 entwickelt sich das Gelände außerdem zu einem bedeutenden Standort für die Produktionen von Spielfilmen. 1929 rollte das erste Modell der Automobillegende „Dixi“ von BMW in Berlin-Johannisthal aus der Werkhalle.
1933-1945
Nazi-Kriegswirtschaft zwischen Zwangsarbeit und Grundlagenforschung: Zentrum für Luftfahrtforschung
Das nationalsozialistische Regime fördert den Ausbau Adlershofs zum zentralen Standort der deutschen Luftfahrtforschung. 1934 wird der Große Windkanal in Betrieb genommen. Er war mit seinem Leistungsprofil einer der modernsten Niedergeschwindigkeitswindkanäle der Welt. 1936 folgt ein Trudelwindkanal, seinerzeit weltweit einzige Anlage dieser Art. Zu Beginn des Zweiten Weltkrieges laufen die Test- und Erprobungsanlagen der Deutschen Versuchsanstalt für Luftfahrt auf Hochtouren. 1944 beschäftigt sie mehr als 2.100 Menschen. Forschungs- und Entwicklungspersonal großer Flugzeugfirmen wie Junkers, Heinkel, Henschel oder Messerschmitt ist in Adlershof tätig. Die Forschungen erstrecken sich u.a. auf die Aerodynamik, Bord- und Navigationsgeräte, Erd- und Astronavigation, Flugzeugfestigkeit, Gasdynamik, Luftfahrtmedizin, Luftbildaufnahmen, Motorenbau, Regeltechnik, Thermodynamik und Triebwerksmechanik. In der unmittelbaren Nachbarschaft zur DVL und zum Flugplatz Johannisthal befindet sich eines der größten Berliner Zwangsarbeiterlager. Kriegsgefangene und KZ-Häftlinge werden zum Bau von Schutzräumen und in der Produktion von Raketenteilen, Flugzeugen und Flugmotoren eingesetzt.
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1945-1985
Befreiung vom Faschismus, Gründung Akademie der Wissenschaften und Deutscher Fernsehfunk
Bereits am 29. April 1945 trifft in Adlershof eine erste sowjetische Expertengruppe ein, die sogleich mit der Inspizierung der Forschungsanstalt beginnt. In den folgenden Wochen und Monaten entwickelte sich die DVL zur zentralen sowjetischen Sammelstelle für die modernen deutschen Luftfahrt- und Raketentechnologien. In Adlershof wurden die gefundenen Objekte, wie Triebwerke, Flugzeuge, Ausrüstungen oder Waffenmuster zum Teil auch noch einmal erprobt und anschließend in die Sowjetunion verfrachtet. Die technischen Einrichtungen in Adlershof werden demontiert und ebenfalls in die UdSSR gebracht. Der Flugbetrieb verliert ab 1946 an Bedeutung und wird 1954 endgültig eingestellt. 1946 wird die Deutsche Akademie der Wissenschaften (ehem. Preußische Akademie der Wissenschaften) auf Befehl der sowjetischen Besatzungsmacht wiedergegründet (1972 in Akademie der Wissenschaften der DDR umbenannt). In Adlershof entsteht in den folgenden Jahrzehnten ein großes naturwissenschaftliches Forschungszentrum für Physik, Chemie, Material-, Luft- und Kosmosforschung. 1952 nimmt der (Ost-) Deutsche Fernsehfunk in Adlershof seinen Sendebetrieb auf. Auf dem ehemaligen Flugfeld entsteht ab 1954 außerdem ein großes Kasernengelände für das Wachregiment des DDR-Staatssicherheitsministeriums (seit 1967: „Wachregiment „Feliks Dzierzynski“). Die DDR beteiligt sich am Interkosmos-Programm mit der UdSSR. 1978 startet Sigmund Jähn im sowjetischen Raumschiff Sojus 31 als erster Deutscher zu einem Raumflug zur Raumstation Saljut. Mit an Bord ist eine Multispektralkamera aus Adlershof. 1981 entsteht in Adlershof das Institut für Kosmosforschung (IKF).
1989-1990
Abwicklung und Aufbruch in die Marktwirtschaft
Öffnung der Berliner Mauer. Zu diesem Zeitpunkt arbeiten 5.600 Menschen in den wissenschaftlichen Einrichtungen Adlershofs. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands (1990) werden die Akademie der Wissenschaften, DDR-Fernsehen und Wachregiment bis Ende 1991 abgewickelt. Am 20. April 1990 treffen das DLR und IKF eine Vereinbarung zur Zusammenarbeit. Damit bleibt das Know-How des IKF erhalten; es kann in die neuen Strukturen der gesamtdeutschen Forschungslandschaft eingebracht werden. Aus DDR-Akademie-Instituten gehen in Adlershof insgesamt acht außeruniversitäre Forschungseinrichtungen hervor, darunter die DLR-Institute für Weltraumsensorik und Planetenerkundung. Damit kehrt das DLR (als Nachfolger der einstigen DVL) wieder an seinen Ursprungsort zurück. Heute liegen die Forschungsschwerpunkte des DLR-Standorts Adlershof vor allem auf Weltraum und Verkehr.
1990-1995
Deutschlands modernster Technologiepark Berlin Adlershof entsteht
Bei der Entscheidung, in Adlershof eine „integrierte Landschaft aus Wissenschaft und Wirtschaft“ aufzubauen, ging es um den Aufbau neuer Wirtschaftsstrukturen. Damals stand fest, dass dies im unmittelbaren Umfeld der Wissenschaft geschehen muss. Adlershof wurde zu einem Projekt, das von einem breiten politischen Konsens getragen wird. Für die deutsche Hauptstadt ging es 1991 nicht nur um die Rettung wissenschaftlichen Erbes, sondern auch um die Schaffung eines neuen ökonomischen Fundaments, um Synergien von Wissenschaft und Wirtschaft, um die Entwicklung einer universitären Campus-Kultur. Es ging um Wissenschafts- und Wirtschaftspolitik, um Stadtentwicklungspolitik, um Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik.
Am 12. März 1991 beschloss der Berliner Senat auf dem Adlershofer Gelände eine „integrierte Landschaft aus Wissenschaft und Wirtschaft“ zu errichten. Der Schwerpunkt sollte auf der Wirtschaft liegen, denn so konnten Fördermittel nach Adlershof gelenkt werden. Die gemeinsame Nutzung von Apparaturen sollte Synergien schaffen, die direkte Nähe von Forschung und Industrie die Umsetzung der Forschungsergebnisse in fertige Produkte beschleunigen. Insgesamt acht der heute in Adlershof ansässigen Institute waren Anfang 1992 aus der ehemaligen Akademie der Wissenschaften der DDR herausgelöst und in die bundesdeutsche Forschungslandschaft überführt worden. Sie setzten unter neuer Trägerschaft (beispielsweise durch die Max-Planck-Gesellschaft) ihre Tätigkeit fort oder schlossen sich großen Forschungseinrichtungen an. Einen wichtigen Impuls verlieh die Entscheidung, in Adlershof einen neuen Elektronenspeicherring für Synchrotronstrahlung (BESSY II) zu errichten. Die außeruniversitären Forschungseinrichtungen wurden mehrfach evaluiert und für gut bis exzellent befunden.
Im September 1991 gründete das Land Berlin die Entwicklungsgesellschaft Adlershof mbH (EGA). Das Unternehmen sorgte anfänglich dafür, den Betrieb und die Versorgung der Adlershofer Unternehmen und Forschungseinrichtungen aufrechtzuerhalten. Später standen die Sanierung der technischen Infrastruktur sowie des erhaltenswerten Altgebäudebestandes und große Bauvorhaben im Vordergrund. All dies geschah bei laufendem Betrieb. Es wurden 33 Kilometer Straßen angelegt. Zur Ansiedlung innovativer Firmen wurden auf dem Gelände moderne Fachzentren errichtet, teils in sanierten Altbauten, teils in Neubauten mit spektakulärer Architektur. Den Anfang machte 1991 das Innovations- und Gründer-Zentrum (IGZ). Es folgten Zentren für Photonik und Optische Technologien, für Umwelt, Bio- und Energietechnologie, für Informations- und Medientechnologie, für Material- und Mikrosystemtechnologie und für Nachhaltige Technologien. Im Februar 1993 wies das Land Berlin ein Areal von insgesamt 420 Hektar in Adlershof (einschließlich Wissenschafts- und Technologiepark) als Entwicklungsgebiet aus, um es auf der Grundlage eines einheitlichen städtebaulichen Konzepts zu entwickeln. Als Entwicklungsträger und Treuhänder des Landes Berlin wurde zunächst die BAAG Berlin Adlershof Aufbaugesellschaft mbH eingesetzt. 1994 wird aus der EGA die WISTA-MANAGEMENT GMBH.
1997-2003
Humboldt-Universität errichtet ihren naturwissenschaftlichen Campus
1997 beschloss die Humboldt-Universität zu Berlin den Umzug ihrer mathematisch-naturwissenschaftlichen Fakultäten nach Adlershof. Damit bekam der Standort eine zweite tragende wissenschaftliche Säule. Unterbringung und Ausstattung der HU-Institute in Berlins traditionsreicher Mitte hielten einem Vergleich mit den West-Berliner Universitäten nicht stand. Auch lagen sie nicht in räumlicher Nähe, was für eine Kooperation in Forschung und Lehre notwendig ist. Zugleich fehlte dem Standort Adlershof zum Aufbau der integrierten Landschaft aus Wissenschaft und Wirtschaft die unmittelbare Nähe zur Universität. Insofern war und ist der Umzugsbeschluss Chance und Herausforderung zugleich. 2003 war der Umzug abgeschlossen.
2004-2012
Stadtentwicklung erhält neuen Schwung
2004 übernahm die Adlershof Projekt GmbH, ein Tochterunternehmen der WISTA-MANAGEMENT GMBH, die Aufgaben der ehemaligen BAAG Berlin Adlershof Aufbaugesellschaft.
Vieles der geplanten Stadt für Wissenschaft, Wirtschaft und Medien ist zu diesem Zeitpunkt bereits verwirklicht worden: Neben dem Wissenschafts- und Technologiepark zählt das einstige Gelände des Deutschen Fernsehfunks zu den bedeutendsten deutschen Standorten für Film- und Fernsehproduktion. Der Landschaftspark ist gesichert und die Planung neuer Wohngebiete beginnt.
2008 erfolgt der Anschluss an die Bundesautobahn A 113. Der ehemalige Rangierbahnhof Schöneweide (Gleislinse) und Gewerbeflächen beidseitig des Groß-Berliner Damms werden in die Gesamtplanung Adlershofs einbezogen. 2010 geht die Verlängerung der Straßenbahn in Betrieb. 2011 wurde der neue S-Bahnhof Adlershof über der verbreiterten Rudower Chaussee eingeweiht. Das Projekt „Wohnen am Campus“ wird vorangetrieben.
2012 bis 2015
Krise der Solarindustrie und neue Geschäftsfelder
2012 kommt es zur Insolvenz von drei großen Herstellern von Solarmodulen. Ungeachtet dessen wächst der Wissenschafts- und Technologiepark stetig weiter, sowohl im Bereich Hochtechnologie als auch bei Firmen der Medienbranche. 2013 wird als neues Technologiezentrum das Zentrum für Photovoltaik und Erneuerbare Energien (ZPV) eingeweiht. Es bietet insgesamt 8.000 m² Produktions-, Labor- und Büroflächen für Unternehmen des Technologiefeldes „Photovoltaik und der Erneuerbaren Energien“. 2014 eröffnet das Studentendorf Adlershof mit 386 Wohnplätzen und Gästezimmern. Insgesamt gewinnt der Standort Adlershof durch zahlreiche Neubauten und Ansiedlungen ein zunehmend städtisches Erscheinungsbild, was seine Attraktivität als Wohnort erhöht. Für viele Geschäftsführer, die ihr Unternehmen in den 1990er-Jahren gegründet haben, beginnt die Suche nach Nachfolgern.
2016 bis 2018
Überdurchschnittliches Wachstum
2016 startet der erste Accelerator, der Start-ups mit etablierten Unternehmen zusammenbringt. Die Innovations-Zentrum Berlin Management GmbH (IZBM) wird in die WISTA integriert. Der jährliche Umsatz im Wissenschafts- und Technologiepark Adlershof liegt 2017 erstmals bei über 2 Milliarden €. 2018 leben rund 3.800 Menschen in den beiden Wohngebieten („Wohnen am Campus“ und „Wohnen am Landschaftspark“). Der Standort löst laut Berechnung des Deutschen Instituts für Wirtschftsforschung (DIW) einen Gesamtbeschäftigungseffekt von fast 30.000 Personen aus.
2019 bis heute
2019 wurden viele Großbauprojekte entlang der Rudower Chaussee fertig gestellt. So fand die Schlüsselübergabe für den Neubau des Landeslabors Berlin-Brandenburg (LLBB) in Berlin Adlershof statt und auch der „Allianz Campus Berlin“ feierte 2019 seine Eröffnung – ebenso wie das das Bürogebäude der Europa Center AG am Forum Adlershof. Die Unternehmen im Wissenschafts- und Technologiepark sehen sich gut gewappnet dafür, an der Bewältigung der großen Herausforderungen der Zukunft (Klimawandel, Umwelt etc.) – den sogenannten Grand Challenges – mitzuwirken.
Die Wiederbelebung der sog. Gleislinse hat Form angenommen: Das Areal zwischen S-Bahnhof Johannisthal (ehem. Betriebsbahnhof Berlin-Schöneweide) und Groß-Berliner Damm bietet auf 33 Hektar neue Gewerbeflächen, die Berlin dringend braucht. Im Jahr 2020 geht es mit der Gewerbeansiedlung los. Die S-Bahnstation „Betriebsbahnhof Schöneweide“ wird in „Johannisthal“ umbenannt. Außerdem beginnen die Bauarbeiten zur Tramlinienverlängerung von der Karl-Ziegler-Straße über Hermann-Dorner-Allee und Groß-Berliner Damm bis zum S-Bahnhof Schöneweide. Zusätzlich entsteht mit dem abgeschlossenen Projekt „Wohnen am Campus I“ neuer Wohnraum in Adlershof. Die Corona-Pandemie trifft auch Unternehmen in Adlershof. Doch diese zeigen sich überwiegend zuversichtlich trotz der Krise und engagieren sich aktiv im Kampf gegen das Virus.
Adlershofer Zeitreise in die Achtziger Jahre
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Kontakt
Sylvia Nitschke
WISTA Management GmbH
Unternehmenskommunikation