Ein Pflaster auf vielen Wunden
Das Leben von Etty Hillesum wurde in den Studios der LichtHaus-Gruppe verfilmt
Am Groß-Berliner Damm 83a befindet sich das 1.300 Quadratmeter große Johannisthaler Filmatelier der LichtHaus-Gruppe in 500 Meter Luftlinie zu den ehemaligen Jofa-Filmanstalten. Ende 2024 verfilmte der israelische Regisseur Hagai Levi hier das Leben der holländisch-jüdischen Intellektuellen Etty Hillesum für die sechsteilige ARTE-Serie „Etty“. Hillesum, die in Amsterdam Jura und Slawistik studierte, suchte selbst während des Holocausts nach Licht in der „Hölle auf Erden“ und fand im Schreiben eines Tagebuches Ordnung und Klarheit. Im September 1943 wurde sie in das Konzentrationslager nach Ausschwitz-Birkenau deportiert und mit nur 29 Jahren ermordet. Mit den Worten „Man möchte ein Pflaster auf vielen Wunden sein“ enden Hillesums Aufzeichnungen.
Ihr Nachlass – elf Hefte und zahlreiche Briefe – wurde bereits in den 1980er Jahren unter großer öffentlicher Anteilnahme in den Niederlanden veröffentlicht, erst 2023 erschien das Werk in deutscher Sprache. Regisseur Levi schätzt „Ettys entschiedene Haltung gegen den Hass, die Inspiration, die sie bietet, um in sich selbst einen Raum zu finden, in dem man frei und geschützt ist, und die radikale Solidarität.“ Hillesum wird von Julia Windischbauer, ihr Partner Julius Spier – ein deutscher Emigrant und Psychoanalytiker – von Sebastian Koch verkörpert. Levi drehte unter anderem im Rijksmuseum Amsterdam und im Originalgebäude des jüdischen Rats. In Adlershof entstanden die Innenaufnahmen.
Für Szenenbildnerin Silke Buhr ein Glücksfund. „Wir haben hier eine wunderbare Infrastruktur mit Fundi, Spezialistinnen, Malern, Art-Direktorinnen. Da kann ich auf einen anderen Schatz zurückgreifen als in den Niederlanden“, so die Berlinerin. Es sei praktisch und angenehm, dass der Lichtverleih an das Filmstudio angegliedert sei. Circa 80 bis 100 LED-Scheinwerfer werden laut Mike Zimmermann, Geschäftsführer der LichtHaus Berlin GmbH, für die Produktion benötigt.
Als sich Buhr dem Projekt anschloss, ging sie Szene für Szene das Drehbuch mit Levi, Maayan Eden, der Creative Producerin aus Israel, und Yaël Fogiel, der französischen Produzentin, durch, später kamen Kostüm und Kamera dazu. „Das ist am Anfang eine schöne freie Phase, weil noch gar kein Finanzdruck da ist“, erklärt Buhr.
Die Wohnungen von Etty und Spier wurden anhand von Grundrissen aus dem Bauarchiv in Amsterdam den Originalobjekten nachempfunden. Da Ettys Studentinnenzimmer nicht mehr existierte, rekonstruierte das Team die Wohnung anhand von Fotos; Julius Spiers Wohnung wurde in Amsterdam vermessen. Im Adlershofer Studio sei alles aber ein bisschen größer, um die Blickachsen zu optimieren.
Auch die Einrichtung war für Buhr und ihr Team wichtig. Das sei, so Buhr, Teil des Anfangsprozesses gewesen: „Wir haben darüber nachgedacht, was wir psychologisch ausdrücken möchten und welche Farben wir verwenden. Bei Etty ist alles deutlich dunkler, enger und depressiver.“ Wichtig sei dem Regisseur ein moderner Look gewesen, damit die Serie an Aktualität und Relevanz gewinne: „Natürlich ist es eine Geschichte von 1941, aber Levi wollte eine größere Identifikation schaffen. Das war nicht so einfach zu lösen, da es sich eine historische Person handelt, die wir ins Jetzt holen. Dafür mussten wir eine filmische Übersetzung finden.“
Zum Beispiel mit einer modernen Interpretation von Spiers Zuhause: Die Wohnung wurde im Bauhaus-Stil eingerichtet. Das sei im Original nicht so gewesen, aber der Bauhaus-Stil wurde von den Nazis nicht akzeptiert, das passte gut zur Geschichte. Ausstrahlungstermin der Serie ist 2026.
Susanne Gietl für Adlershof Journal
Video des Regisseurs Hagai Levi zum Dreh der arte-Serie (Link zu YouTube)