Die smarte Stadt wird nachhaltiger sein
Niklas Kossow (TSB) über den Smart-City-Strategieprozess im CityLAB Berlin, über Partizipation bei der digitalen Transformation hin zu smarten Städten und die Rolle von Start-ups dabei
In smarten Städten sollen datengesteuerte Infrastrukturen das urbane Leben nachhaltiger, effizienter und lebenswerter machen. Das CityLAB der Technologiestiftung Berlin bringt – finanziert von der Senatskanzlei – Akteurinnen und Akteure aus der Verwaltung, Wissenschaft, Wirtschaft und Stadtgesellschaft zusammen, um die anstehende Transformation gemeinschaftlich zu skizzieren, zu gestalten und zu erproben. Niklas Kossow begleitet diesen partizipativen Prozesse im CityLAB als Teamleiter. Hier im Interview spricht er über die Herausforderungen und Potenziale der Digitalisierung, seine Vision lebenswerter Städte – und über die Rolle, die Start-ups in den Transformationsprozessen spielen können.
Herr Kossow, was ist Ihre Vorstellung einer lebenswerten Stadt?
Persönlich stelle ich mir darunter eine Stadt vor, die funktioniert. Bürgerinnen und Bürger können Verwaltungsdienstleistungen darin einfach und vorwiegend digital wahrnehmen. Lebendige Kieze ermöglichen kurze Wege und eine gute, umfassende Versorgung. Zugleich kann ich mich in dieser Stadt gut bewegen, weil sie Kompromisse zwischen notwendigem Mobilitätsangebot, nachhaltiger Stadtnatur und lebenswertem Straßenleben findet. Es ist eine Stadt, an der ich teilhaben kann und in deren Entwicklung ich mich einbringen kann.
Ihr Team im CityLAB der Technologiestiftung Berlin befasst sich mit der Transformation hin zur lebenswerten, offenen und nachhaltigen Stadt. Wie gehen Sie vor?
Wir sind mit der Entwicklung einer Vision des smarten Berlins in den Smart City Strategieprozess eingestiegen. Dafür haben wir Bürgerinnen und Bürger, Beschäftigte aus Verwaltungen und weitere Akteure aus der Stadtgesellschaft befragt, wie sie sich eine lebenswerte, offene und nachhaltige Stadt vorstellen. Im CityLAB treiben wir – meist auf Basis partizipativer Prozesse – Projekte voran, in denen wir prototypische Lösungen für Probleme entwickeln, die wahlweise aus Verwaltungen, von Bürgerinnen und Bürgern oder auch von Unternehmen an uns herangetragen werden oder die wir selbst identifizieren. In den Projekten setzen wir auf enge Rückkopplung mit den Nutzenden. Wenn beispielsweise eine Verwaltung mit einem Problem auf uns zukommt, dann beobachten und analysieren wir zunächst vor Ort die Prozesse und ergründen durch Befragungen die Ursachen und Auswirkungen des Problems. Auf Basis der Befunde entwickeln wir – weiterhin im Austausch mit den Nutzergruppen – prototypische, meist digitale Lösungen. Dabei setzen wir die Prozesse neu auf, um die Möglichkeiten der Digitalisierung optimal zu nutzen.
Haben Sie ein konkretes Beispiel?
Wir haben unter anderem in einem Projekt mit dem Bürgeramt Friedrichshain-Kreuzberg nach einer Lösung gesucht, um die Terminverwaltung effizienter zu gestalten. Das Problem: Gut ein Fünftel der digital gebuchten Termine werden nicht wahrgenommen. Ist die Nummer aufgerufen, wissen die Mitarbeitenden im Bürgeramt nie, ob die Person kommt, überhaupt im Haus ist oder vielleicht nur den Raum nicht findet. Diese Ungewissheit kostet Zeit und Nerven. In dem Fall haben wir prototypisch ein digitales Check-In-System erarbeitet. Personen können dort gleich am Eingang des Bürgeramtes eingeben, dass sie da sind – und können problemlos vorgezogen werden, wenn andere sich verspäten oder gar nicht erscheinen. Durch viele solcher kleinen Schritte nähern wir uns einer digitalisierten Stadt.
Inwiefern ist diese Stadt smart?
Sie nutzt die Möglichkeiten der Digitalisierung, um lebenswert und nachhaltig zu sein. Der Technologieeinsatz, ob Sensoren, Kameras oder Drohnen und Roboter, darf kein Selbstzweck sein. Sondern er sollte gezielt erfolgen, wo uns datenbasierte Prozesse weiterbringen. Das kann im Mobilitätssektor sein, bei der Einführung von Materialkreisläufen, Potenzialanalysen von Dachflächen für die Photovoltaik oder ressourcenschonender Pflege und Versorgung von Stadtnatur; beispielsweise das bedarfsgerechte Gießen von Straßenbäumen mit der knapper werdenden Ressource Wasser. Das Rückgrat dieser Stadt ist eine weitestgehend digitalisierte Verwaltung, die in die Lage versetzt werden muss, die datenbasierten Prozesse zu managen.
Gerade mit Blick auf die Verwaltung zeigt sich, dass Digitalisierung eine zuweilen sehr komplizierte Angelegenheit ist. Wo sehen Sie die größten Herausforderungen auf dem Weg zur Smart City?
Die Transformation ist eine Aufgabe, die wir nur gemeinsam schaffen können. Diesem Miteinander steht der Aufbau der Berliner Verwaltung mit den zwölf Bezirken und zehn verschiedenen Senatsverwaltungen als Herausforderung gegenüber. Mit der Zeit haben sich heterogene digitale Lösungen etabliert, die es im Sinne einer übergreifenden Digitalisierungsstrategie zusammenzuführen gilt. Hinzu kommt, dass die Digitalisierung Berlins nicht allein von den Landes- und Bezirksverwaltungen ausgeht: Auch von den städtischen Betrieben, der freien Wirtschaft, Start-ups und einer hohen Vielfalt ziviler gesellschaftlicher Initiativen gehen Digitalisierungsimpulse aus. All das zusammenzubringen ist herausfordernd. Aber das macht nicht nur die Komplexität, sondern eben auch die Stärke des Themas aus.
Wo sehen Sie das größte Potenzial der Digitalisierung für klimagerechte, lebenswerte Städte?
Einiges haben wir schon angesprochen: Verkehrsplanung, Kreislaufwirtschaft gerade auch mit Blick auf Baumaterialien, Potenzialanalysen für Photovoltaik oder die Lösungen für eine gesunde Stadtnatur. Es gibt schon viele Beispiele. Etwa die Jelbi-App für die optimale Verknüpfung verschiedener Angebote des öffentlichen Verkehrs. Eine digitale erfolgreiche Lösung, die wir im CityLAB entwickelt haben und die mittlerweile auch in Leipzig und Magdeburg genutzt wird, ist die „Gieß-den-Kiez“-App. Sie aktiviert Bürgerinnen und Bürger, die in trockenen Phasen Stadtbäume gießen. In Dürrephasen koordiniert die App monatlich fast 3.000 Nutzerinnen und Nutzer. Sie markieren darin, wann sie welche Bäume gegossen haben. Um das Wasser optimal einzusetzen, haben wir in einem vom Bundesumweltministerium geförderten Projekt „Quantified Trees“ zusammen mit dem Start-up Birds on Mars und diversen städtischen Partnern eine Lösung entwickelt, um das Stresslevel von Bäumen mithilfe von Boden-Sensorik und künstlicher Intelligenz zu ermitteln. Das Ziel ist es, den Bäumen zu helfen, die es am dringendsten brauchen.
Das CityLAB Berlin setzt stark auf partizipative Prozesse. Wer kann sich beteiligen und Ideen einbringen?
Wir setzen auf „agile“ Methoden, die in der digitalen Wirtschaft etabliert sind. Es geht darum, Lösungen schon im frühen Entwicklungsstadium zu testen und sie von den späteren Nutzerinnen und Nutzern evaluieren zu lassen, damit wir etwaige Korrekturen und Optimierungen sofort umsetzen können. Was würde es bringen, Lösungen im stillen Kämmerlein zur Reife zu bringen, die am Ende am Bedarf vorbeigehen und nicht intuitiv nutzbar sind. Das CityLAB braucht in diesen Prototyping-Prozessen die Rückkopplung zur Stadtgesellschaft, deren unterschiedliche Akteure willkommen sind – Bürgerinnen und Bürger ebenso wie Beschäftigte aus der Verwaltung und der Wirtschaft oder auch Initiativen.
Wie wichtig ist eine lebendige Start-up-Kultur? Welche Rolle können junge Unternehmen in dem Transformationsprozess übernehmen?
Start-ups sind mit ihren Ideen und kreativen Lösungsansätzen ein wichtiger Faktor, um Smart City-Strategien real werden zu lassen. Zumal sie ihre Ideen – anders als das gemeinnützige, öffentlich geförderte CityLAB – in nachhaltig tragfähige Geschäftsmodelle übersetzen. Unseren prototypischen Lösungen stellen wir der Öffentlichkeit mit Open-Source-Lizenzen zu Verfügung. Es steht Start-ups frei, sie zu nutzen, sofern die damit entwickelten Lösungen weiterhin Open-Source bleiben. Das CityLAB ist offen für Kooperationen. Das schließt natürlich auch innovative Start-ups ein.
Zur Person: Niklas Kossow ist seit 2020 bei der Technologiestiftung Berlin beschäftigt, wo er im Auftrag der Senatskanzlei den Berliner Smart City-Strategieprozess koordiniert hat und sich als Teamleiter im CityLAB mit der dafür notwendigen – auch digitalen – Transformation befasst. Kossow hat in London, Moskau und St. Petersburg studiert und seine Doktorarbeit über Korruptionsbekämpfung und Digitalisierung in der Ukraine erarbeitet.
In smarten Städten sollen datengesteuerte Infrastrukturen das urbane Leben nachhaltiger, effizienter und lebenswerter machen. Das CityLAB der Technologiestiftung Berlin bringt – finanziert von der Senatskanzlei – Akteurinnen und Akteure aus der Verwaltung, Wissenschaft, Wirtschaft und Stadtgesellschaft zusammen, um die anstehende Transformation gemeinschaftlich zu skizzieren, gestalten und erproben. Niklas Kossow begleitet diese partizipativen Prozesse im CityLAB als Teamleiter. Hier im Interview spricht er über die Herausforderungen und Potenziale der Digitalisierung, seine Vision lebenswerter Städte – und über die Rolle, die Start-ups in den Transformationsprozessen spielen können.