CHIC-Teams für smarte, nachhaltige Städte
METABUILD GmbH, PANTOhealth GmbH und Civitalis GmbH arbeiten an digitalen Lösungen für Gebäudemodernisierung, Mobilität und Verwaltung
Mit ihrer Vielfalt an Möglichkeiten ziehen Städte immer mehr Menschen an. Bereits jeder zweite Mensch weltweit lebt in urbanen Räumen. Damit geht ein steigender Bedarf an Lebensmitteln, Mobilität, Energie, Wasser, medizinischer Versorgung sowie an Bildungsangeboten einher. Zugleich nimmt der Anpassungsdruck an die Folgen des Klimawandels zu. Damit Städte bei alledem lebenswert und funktional bleiben, sollen sie smarter werden. Der Schlüssel dazu liegt in der Digitalisierung. Die Ideen sind so facettenreich wie die Städte selbst. Auch im CHIC treiben mehrere Start- und Scale-ups digitale Lösungen für smarte, nachhaltige Städte voran.
Es braucht keine Fantasie, um sich eine Smart City im Jahr 2050 vorzustellen. Niemand plant, Städte abzureißen und neu zu bauen. Die Bausubstanz wird sich allenfalls punktuell verändern. Doch hinter den Kulissen entstehen durch die Digitalisierung neue Strukturen. Durch ein datengetriebenes Management ihrer Infrastrukturen, Gebäude, Versorgungs- und Verwaltungssysteme sollen urbane Räume nachhaltiger und lebenswerter werden – ohne die finanziellen Möglichkeiten der dort Lebenden überzustrapazieren und ihre Mobilität zu sehr einzuschränken. Obendrein sollen von vornherein digital gedachte Prozesse Verwaltungen, Bildungs- und Gesundheitssysteme auf Trab bringen.
Große Ziele, deren Realisierung umsetzungsstarke Persönlichkeiten mit guten Ideen voraussetzt. Solche wie Tariq Kaddoura. Binnen acht Jahren hat er die METABUILD GmbH im CHIC zu einem Unternehmen mit 17 Fachleuten aus Architektur, Bau-, Umwelt- und Verfahrenstechnik sowie Softwareengineering und Künstliche Intelligenz aufgebaut. Gemeinsam verfolgen sie das Ziel, die energetische Optimierung von Gebäuden so effizient wie möglich zu gestalten. Der Gebäudesektor verursacht rund 40 Prozent der globalen CO2-Emissionen. Neubauten sind das geringere Problem. Sie müssen längst Energiestandards erfüllen und wegen der Energiekosten achten Geschäfts- und Privatleute beim Bau ohnehin auf Energieeffizienz. Dagegen mangelt es für die energetische Modernisierung im Bestand an Strategien und praktikablen Planungstools.
Nachhaltigkeit als digitale Dienstleistung
In diese Lücke stößt METABUILD. Das Team hat eine digitale Plattform für Immobilienunternehmen, Planungs- und Ingenieurbüros entwickelt, die schon mit wenigen Daten den energetischen Status eines Gebäudes ermitteln und per Simulation aufzeigen kann, mit welchen Maßnahmen zu welchen Kosten in einem definierten Zeitkorridor Emissionsminderungsziele erreichbar sind. Allen vorgeschlagenen Sanierungsmaßnahmen liegen geltende Normen und Standards zugrunde.
„Weil die Materie recht komplex ist, bieten wir das Erstellen der digitalen 3D-Gebäudemodelle und die Simulation als Dienstleistung an“, erklärt Kaddoura. Je mehr Gebäude- und Projektdaten in die Szenarien der virtuellen Sanierung einfließen, desto präziser die Einsparprognosen und Kostenabschätzungen. „Die Ergebnisse durchlaufen bei uns eine Validierung und Verifizierung nach dem Vier-Augen-Prinzip. Erst dann präsentieren wir sie den Auftraggebenden und verschaffen ihnen vollen Zugriff auf die Plattform und ihr 3D-Modell“, sagt er. Dieser Ablauf hat sich für die Markteinführung bewährt.
Parallel treibt das Team die Internationalisierung und Weiterentwicklung des Geschäftsmodells in Richtung Software-as-a-Service (SaaS) voran. Tools für die strategische Modernisierungsplanung, die Effizienz- und Kostenziele in Einklang bringt und dabei auf Normen und Standards achtet, sind dünn gesät. Bei der Entwicklung der Simulationsplattform hat das Scale-up mit Lehrstühlen der benachbarten Technischen Universität (TU) Berlin kooperiert. „Trotz aller Innovation setzt unsere Lösung bewusst auf dem weltweit etablierten Open-Source-Simulationskern energyplus auf“, berichtet Kaddoura. Das schaffe Freiraum für die inhaltliche Gestaltung und Automation der Modellierungen. Mittlerweile kann die Plattform auf Knopfdruck hunderte Sanierungsszenarien durchgehen, um die optimale Strategie für das jeweilige Gebäude zu ermitteln.
Mutige unternehmerische Entscheidung
Die Simulation berechnet den Energiebedarf über alle Jahreszeiten hinweg im Zehnminutentakt – und legt Szenarien mit unterschiedlicher Wärmedämmung, Verglasung, Sonnenschutz oder Klima- und Gebäudetechnik zugrunde. Auch das Nutzungsprofil als Wohn-, Büro-, Schulgebäude oder Klinik fließt ein. Auf dieser Basis kommen die Kostenprognosen und Einsparpotenziale zustande. „Das energetische Optimum allein bringt wenig, wenn die Maßnahmen nicht sozialverträglich umsetzbar sind“, mahnt Kaddoura. Damit die Modernisierung im Gebäudebestand ins Rollen kommt, brauche es umfassende Transparenz.
Ursprünglich lag der Fokus des Unternehmens auf Neubauprojekten. Als sich vor zweieinhalb Jahren eine Abkühlung im Neubaumarkt andeutete, leitete es einen Kurswechsel ein. „Wir haben keine Neubauprojekte mehr angenommen und uns voll auf die Entwicklung der Bestandsversion konzentriert“, berichtet der Geschäftsführer. Der Mut wird belohnt. Immobilienunternehmen und ihre Planungsbüros gehen verstärkt Projekte im Bestand an. „Wir haben jüngst den größten Auftrag unserer Geschichte gewonnen, in dem es um einige hundert Bestandsgebäude mit 2,4 Millionen Quadratmetern Gesamtfläche geht“, freut sich Kaddoura. Die Saat geht auf. Viele nachhaltig modernisierte Gebäude für smarte Städte der Zukunft sollen daraus wachsen.
Doch smarte Städte brauchen nicht nur effiziente Gebäude, sondern auch gut vernetzte, klimaneutrale Verkehrsnetze. Elektrifizierung ist dafür das A und O. Bahnstrecken im Fern- und Nahverkehr sind weitestgehend elektrifiziert. Auch Elektrobusse zapfen in mancher Stadt Oberleitungen an. Denkbar ist das auch für den Güterverkehr auf Autobahnen. Statt die riesige globale LKW-Flotte mit tonnenschweren Batterien voller wertvoller Rohstoffe auszurüsten, könnten sie unterwegs aus Oberleitungen versorgt werden und nur die letzte Meile bis zur Lieferadresse batterieelektrisch zurücklegen.
Hohe Kosteneinsparungen im Bahnverkehr
Für dieses Modell könnten sich Mina Kolagar, Farzad Vesali, Amir Bashari und Morteza Nokhodian durchaus erwärmen. Noch aber hat das Führungsquartett der PANTOhealth GmbH Oberleitungen von Bahntrassen im Blick. Genauer: Die vorbeugende Wartung dieser Oberleitungen sowie der Stromabnehmer an Zügen – die im Fachjargon „Pantographen“ heißen.
Dieses Thema beschäftigte Vesali schon vor seiner Promotion, für die er aus Teheran ins Fachgebiet Schienenfahrzeuge der TU Berlin wechselte. Dessen Leiter, Prof. Markus Hecht, ist heute Mentor des Start-ups. Kolagar ging aus Teheran nach Leipzig, um zu promovieren. Beide haben den Doktortitel. Doch der rückte durch ihre Gründung schnell in den Hintergrund. Nun geht es ihnen darum, ihr erworbenes Wissen zügig in die Anwendung zu transferieren.
Eisenbahnunternehmen signalisieren dem Team Bedarf an dessen Predictive Maintenance Lösung. „Sie wollen genau wissen, wann der optimale Zeitpunkt für die Wartung ist“, sagt Kolagar. Denn Standorte mit der nötigen Infrastruktur zur Reparatur und Wartung von Pantographen seien knapp – und rund um die Uhr ausgebucht. Gelingt es, die Wartungen mit der Lösung des Start-ups am tatsächlichen Bedarf, statt an fixen Zyklen auszurichten, könnte sich die Lage entspannen. Bei Oberleitungen ist der Bedarf sogar noch dringender. Denn für Wartungen müssen ganze Streckenabschnitte vom Stromnetz getrennt und für jegliche Durchfahrten gesperrt werden.
PANTOhealth hat erste Züge mit Sensor- und Kamerasystemen ausgerüstet, die während der Fahrt jede Anomalie registrieren und sie zusammen mit GPS-Daten für Wartungsteams dokumentieren. „Eine solche Lösung fehlte bislang, was zur Folge hat, dass Wartungsteams oft lange nach der Ursache für eine gemeldete Störung suchen müssen“, erklärt sie. Das kostet nicht nur Zeit und Geld, sondern zögert die Streckenfreigabe unnötig hinaus. Hinzu kommt, dass sich Verschleiß und unentdeckte Fehlstellungen an der Verbindung zwischen Oberleitung und Pantographen gegenseitig verstärken – ein Teufelskreis, der Bahnunternehmen jährlich mit hohen Millionensummen belastet.
Ausgefeilte Sensorik und Machine Learning
PANTOhealth muss für die exakten Diagnosen und Prognosen eine Fülle von Herausforderungen lösen. Variierende Geschwindigkeiten, Unebenheiten im Gleis oder Wind und Wetter sind Störfaktoren, die das Team im Abgleich mit zuvor durchgeführten Simulationen aus den Messsignalen herausfiltert. Weicht die Messfahrt vom simulierten Normal ab, beginnt die Ursachenforschung auf Basis maschinellen Lernens. Mit wachsenden Datenvolumen wird diese immer präziser. Je mehr Züge das Start-up also mit seiner Sensorik ausrüstet, desto schneller der Lernprozess und desto genauer die Vorhersagen des optimalen Wartungszeitpunkts.
„Die Technologie ist an alle Systeme mit Oberleitungen adaptierbar“, berichtet Kolagar. Damit sich der emissionsarme elektrifizierte Verkehr auf breiter Front durchsetzt, muss er bezahlbar bleiben. Das 2020 gegründete Start-up möchte dazu beitragen. Mit Fördermitteln von Land und Bund, Beteiligungen von acht Business Angels sowie strategischen Investoren aus der Bahnindustrie tritt PANTOhealth an, um den elektrifizierten Verkehr ein Stückchen smarter und kostengünstiger zu machen.
Großbaustelle Digitalisierung in der Verwaltung
Es wird viele solcher punktuellen Detaillösungen brauchen, um smarte Städte real werden zu lassen. Doch ob Schwarmintelligenz auch Verwaltungen smart machen kann oder dafür zentral gesteuerte Strategien her müssen, ist fraglich. Klar ist auf jeden Fall, dass es in einer Welt kilometerlanger Aktenregale mit Datenaustausch per Rohrpost, Fax und Rollwagen mitnichten genügt, analoge Gewohnheiten eins zu eins in digitalen Prozessen zu reproduzieren. Vielmehr geht es um Mittel und Wege, mit denen sich Synergien zwischen möglichst nur einmal erhobenen Daten heben lassen – sofern es der Datenschutz zulässt.
Christoph Andersen kennt diese Welt in- und auswendig. Als Chief Information Officer (CIO) einer Landeshauptstadt hat er selbst Digitalisierungsprojekte in der öffentlichen Verwaltung vorangetrieben. Seit einigen Jahren ist er Partner und Geschäftsführer der jungen Civitalis GmbH, die Verwaltungen in diversen Bundesländern bei der Digitalisierung unterstützt und dafür maßgeschneiderte Softwarelösungen entwickelt. Das Team hat sich auf die Fahnen geschrieben, Brücken zwischen der Civitas und dem Homo Digitalis zu schlagen. Diese Art von Brückenbau ist gefragt. Seit Anfang 2022 hat das Start-up die Zahl seiner Beschäftigten auf nun 30 verdoppelt. „Wir bauen momentan einen Bereich für IT-Prozesse im hochregulierten Finanzsektor auf“, erklärt Andersen das steile personelle Wachstum. Zugleich steige auch die Nachfrage aus Verwaltungen in Nordrhein-Westfalen, Bayern und neuerdings auch Berlin. Beide Bereiche können und sollen technisch und bei den Prozessdesigns voneinander lernen.
Eine große Herausforderungen in Digitalisierungsprojekten sieht der Experte in der Verstetigung. Oft werde auf politische Initiative hin Geld freigegeben, das als Anschubfinanzierung tatsächlich einen Digitalisierungsschub auslöst. Doch Verwaltungen und Bildungseinrichtungen müssen langfristig funktional bleiben. Wenn etwa bei einem „Digitalpakt Schule“ in großem Stil Tablets und Notebooks für Schülerinnen und Schüler beschafft werde, müsse der Service für diese Geräte mitgedacht und dauerhaft finanziert werden. Auch brauchen die Schulen für die steigende Anzahl der Geräte entsprechend leistungsfähige WLAN-Netze, deren Service und Wartung zu gewährleisten ist. Kurz: Damit gut gemeinte Anschubfinanzierungen nicht als Strohfeuer verpuffen, müssen damit langfristig finanzierte Strukturen geschaffen werden. Und damit digitale Abläufe in Verwaltungen dauerhaft funktionieren, müssen deren Beschäftigte in den Projekten die Chance zur Mitwirkung bekommen und geschult werden.
Noch fehlt der digitale Unterbau
Entsprechend lockt die Frage, wie er sich eine smartere Verwaltung vorstellt, aus Andersen keine spektakulären Antworten hervor. Er kennt die Realität und weiß, dass nur der stete Tropfen und der gut durchdachte Plan wirken können. „Ehe wir Verwaltungsprozesse in Software umsetzen, müssen wir sie erst neu denken – und uns vergegenwärtigen, welche neuen Möglichkeiten der digitale Prozess eröffnet“, sagt er. Doch vor allem gelte es, das Innenleben der Ämter in den Blick zu nehmen. Wie wichtig die Umstellung auf digitale Akten ist, sei für Unbeteiligte kaum zu ermessen. Doch wenn jede Akte ausgedruckt und in Papierform den Weg durch den Verwaltungsprozess nehmen müsse, sei das eben keine moderne Kollaboration, sondern ein langwieriges Unterfangen, das Genehmigungsprozesse und auch einfache Dienstleistungen in Bürgerämtern unnötig in die Länge ziehe. Fazit: Eine smarte Verwaltung muss zunächst die Systembrücke zwischen digitalen und analogen Prozessen beheben. Es fehlt ein digitaler Unterbau, der die Digitalisierung über alle beteiligten Fachreferate und Sachbearbeitungsstellen in allen beteiligten Behörden hinweg trägt.
Solange dieser Prozess auf Papierakten basiert, die samt Vermerken per Post den linearen Weg von einer Stelle zur nächsten gehen, statt diesen Ablauf im Digitalen zu parallelisieren, ist die smarte Stadt in weiter Ferne. Denn sie lebt vom gemeinsamen Datenzugriff, von der Veredelung des im reichen Überfluss vorhandenen Datenrohstoffs im Sinne effizienter, nachhaltiger Versorgungs-, Bildungs- und Verwaltungssysteme. „Eine digitale Parkplatzanzeige in Echtzeit oder die Installation von Sensornetzwerken machen allein keine Smart City“, konstatiert Andersen. Sein Befund ist auch hier ernüchternd: „Es fehlt komplett an der Struktur, um die Daten verarbeiten zu können“, erklärt er. Noch gebe es beim Thema smarte Stadt viel Marketing und wenig Substanz. Andersen weiß, woran es meistens scheitert. Die Politik müsse für die Finanzierung sinnvoller Projekte oft kämpfen und starte dafür Überzeugungskampagnen, deren Erfolg in vielen Fällen kurzfristig sei. „Aber Digitalisierung ist eine Daueraufgabe, bei der es um den wenig aufregenden Aufbau kaum sichtbarer Strukturen geht“, erklärt er. Entsprechend schwer sei es, langfristig ausgelegte Finanzierungen dafür in öffentlichen Haushalten durchzusetzen. Denn die digitale Akte eignet sich bei weitem nicht so gut für politische Kampagnen, wie das Versprechen einer smarten Stadt.
Von Peter Trechow für CHIC!
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