Auf der Suche nach neuen Materialien
Wie der BAM Simulationsrechnungen und maschinelles Lernen helfen
Mit Simulationsrechnungen und maschinellem Lernen fahndet Janine George nach effizienteren Materialien für die Energiewende. Das spart viel Zeit und hilft zudem, neue Arten zu finden, die die Wissenschaft bisher noch nicht im Blick hatte.
Die Energiewende erscheint oft beschränkt auf die Fragen: Aus welchen Quellen kommt der Strom, wie viele Treibhausgase sind damit verbunden? Sie hängt aber auch entscheidend von Materialien ab. Je effizienter beispielsweise Solarzellen oder Batterien arbeiten, umso weniger Energie wird benötigt, um eine moderne Gesellschaft am Laufen zu halten.
Janine George forscht daran, neue, bessere Materialien zu finden. Das tut sie allerdings nicht im Labor nach der „Versuch-und-Irrtum-Methode“, sondern computergestützt. „Wir verwenden quantenmechanische Rechnungen und Methoden des maschinellen Lernens, um Materialeigenschaften vorherzusagen und ganz gezielt neue Werkstoffe für bestimmte Anwendungen zu entwickeln“, erläutert die Leiterin der Nachwuchsgruppe „Computergestütztes Materialdesign“ an der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM). „So entstehen zunächst große Datenbanken mit Informationen über potenzielle Materialien, ohne dass wir diese bereits im Labor synthetisieren und experimentell charakterisieren müssen.“ Damit lässt sich viel Zeit sparen. Beispielsweise werden Daten für idealisierte Kristalle berechnet, die künftig in effizienteren Solarzellen eingesetzt werden können. Diese Daten sind problemlos miteinander vergleichbar. Bei Versuchen mit realen Proben im Labor hingegen verursachen Defekte im Kristallgitter Probleme und die Bedingungen sind nie exakt identisch. „Mithilfe dieser Methoden können wir die Materialentwicklung um Jahre, wenn nicht Jahrzehnte beschleunigen.“
Die „Computerchemie“ und damit die Hoffnung, neue Materialien viel schneller zu finden, habe sie bereits während des Studiums an der RWTH Aachen begeistert, erzählt die 34-Jährige. Nach der Promotion in Aachen sowie einem Postdocaufenthalt an der belgischen Université catholique de Louvain und einem Gastaufenthalt an der University of Oxford kam sie 2021 zur BAM. Dort war die KI-basierte Materialforschung als Zukunftsthema erkannt, George erhielt eine unbefristete Stelle und die Mittel, um eine Nachwuchsgruppe aufzubauen.
George profitiert von der Berliner Forschungslandschaft, etwa bei Drittmittelanträgen. Ansonsten mag sie ihren Blick jedoch ungern verengen. Das sechs- bis achtköpfige Team aus Chemie-, Physik- und Materialwissenschaftler:innen ist international aufgestellt, eine Doktorandin kommt zum Beispiel aus Ecuador. George reist viel, neuerdings auch häufiger nach Jena. Im Herbst wurde sie zur Professorin für Materialinformatik an der dortigen Friedrich-Schiller-Universität ernannt.
Im Dezember wurde sie als Jungwissenschaftlerin durch die Stiftung Werner-von-Siemens-Ring ausgezeichnet. „Durch ihre Arbeit können im großen Maßstab Informationen aus der Analyse chemischer Bindungen mit anderen Materialeigenschaften kombiniert werden, um so chemische Regeln zu überprüfen, oder neue abzuleiten und darüber hinaus auf der Basis maschinellen Lernens Modelle für Materialeigenschaften zu entwickeln“, heißt es zur Begründung. „Sie leistet mit ihrer Arbeit einen wichtigen Beitrag zur Energiewende.“
Lehre, Forschung, Teamleitung – wie das alles zu schaffen sei? George zögert kurz. „Ja, das klingt nach viel, ist aber mit gutem Zeitmanagement gut möglich.“
Eines der aktuellen Themen sind Thermoelektrika. Das sind Metalle und Halbleiterverbindungen, die Wärme in elektrischen Strom umwandeln. Seit Jahrzehnten wird daran geforscht, schließlich verspricht der Effekt eine elegante Nutzung von Abwärme, die oft ungenutzt in die Umgebung entweicht. Solche Thermoelektrika werden seit langem in der Raumfahrt eingesetzt. Der große Durchbruch in Alltagsanwendungen steht noch aus.
„Wir hoffen, mit unseren Methoden bessere Materialien zu finden“, sagt George. Auf Supercomputern oder mittels KI berechnen die Forschenden unter anderem die thermische Leitfähigkeit oder das Schwingungsverhalten. „Unser Ansatz ist wesentlich schneller, als wenn die Materialien zuerst synthetisiert und einzeln getestet werden“, ist George überzeugt. „Besonders Materialklassen, die bisher kaum beachtet wurden, können durch den KI-Ansatz schneller identifiziert werden.“ Ein weiterer Schritt hin zu einer – hoffentlich – erfolgreichen Anwendung.
Ralf Nestler für Adlershof Journal
BAM-Artikel: „Datengesteuert neue Materialien für sichere Anwendungen finden“