Produktiver Brutkasten für Fachkräfte
Lernfabrik Neue Technologien mit erstem Kurs am Start
An nagelneuen CNC-Anlagen bildet die Lernfabrik Neue Technologien Berlin seit April den ersten Kurs junger Metallverarbeiter zu CNC-Fräsern fort. Die Fabrik in der kleinen Amöbe des Zentrums für Photonik und Optik ermöglicht das Lernen an realen Aufträgen. Für die Teilnehmer des Kurses steht fest: Wer den Abschluss schafft, hat einen Job.
Zu dritt schauen die jungen Männer Marco Stoppa über die Schulter. Der 25-Jährige überprüft am Display der CNC-Fräsanlage seine Eingaben. Seit seiner Ausbildung zum Metallfeinbearbeiter hat Stoppa viele Stationen hinter sich. „BMW, Mercedes, Siemens und einige andere“, zählt er auf. Er war stets als Zeitarbeiter dort. Nun will er seine Jobperspektiven verbessern. Der Familienvater bildet sich in der Lernfabrik Neue Technologien Berlin zum CNC-Fräser weiter. „Nur an der Maschine stehen und den Knopf drücken, ist auf Dauer nichts“, sagt er. Er will weiterkommen. Einen Job mit Abwechslung. Dafür lernt er. „Es ist faszinierend, wie die Maschine umsetzt, was wir am PC programmieren“, schwärmt er.
Jobgarantie nach erfolgreichem Lehrgangsabschluss
Auf Stoppas blauem T-Shirt prangt das Logo der Zeitarbeitsfirma Randstadt. Für sie bildet die Lernwerkstatt diesen ersten Kurs fort. DMG MORI ist dabei Partner und die Bundesanstalt für Arbeit fördert die Maßnahme. Im Gegenzug gibt Randstadt allen Teilnehmern eine Jobgarantie. Wer im September den Abschluss schafft, wird auf jeden Fall vermittelt. Auch Gerd Harders, der mit Stoppa an der Anlage steht. Dunkler Kinnbart. Zopf. Dreiunddreißig Jahre jung. „Die Firma, in der ich gearbeitet habe, musste Stellen abbauen“, berichtet der gelernte Werkzeugmacher. Er wollte sich nicht mit der Arbeitslosigkeit abfinden. Also Zeitarbeit. Jetzt, nach einem positiv verlaufenen Eingangstest, erwirbt er hier CNC-Know-how, das auf dem Arbeitsmarkt gefragt ist.
Null Euro Fördergeld
Für Michael Bose und Evelyn Schmidt wird mit der Fabrik eine Vision wahr, für die sie jahrelang gekämpft haben. Projektleiterin Schmidt betont gleich zu Beginn des Gesprächs: „Wir haben null Euro Fördergeld erhalten.“ Vielmehr trägt eine privat finanzierte, gemeinnützige GmbH mit Unterstützung durch Industrieunternehmen das Projekt. Teils durch Sponsoring, teils durch die Überlassung der modernen CNC-Anlagen zu erheblich vergünstigten Leasing-Konditionen. Neben führenden Maschinenbauern wie DMG MORI und Mazak, mittelständischen Anbietern von Mess- und Steuerungstechnik, Werkzeugen und Industriesoftware gehört Siemens zum Netzwerk. „Wir sind autorisierter Trainingspartner von Siemens“, berichtet Schmidt.
Räume zum Wachsen
Stolz und Freude sind ihr deutlich anzuhören. Endlich haben sie Räume, in denen ihre Fabrik wachsen kann. Endlich hat Hallenchef Jörg Puzicha konkret zu tun, sind die jungen Leute hier. Weitere Anlagen sollen her. Laser- und Sinteranlagen zur additiven Fertigung. Schmidt ist fest überzeugt, dass das Netzwerk mitziehen wird.
Bewusst geht die Lernfabrik nicht als x-ter Bildungsträger an den Start. „Wir wollen mit und für die Industrie arbeiten, um Teilnehmer an realen Aufträgen zu qualifizieren“, so die Projektleiterin. Den Schwerpunkt lege man dabei auf MINT-Berufe, in denen Fachkräfte besonders knapp sind. Bei der Auftragsakquise helfen Vertriebler der Partnerunternehmen. Sie haben ein starkes Eigeninteresse daran, dass die Lernfabrik brummt. Denn sie bildet ihre künftigen Fachkräfte und künftige Anwender ihrer Anlagen, Software und Steuerungstechnik aus. „Die Wirtschaft hat sich das hier geschaffen“, sagt Schmidt und weist in die Halle, „weil sie konkreten Bedarf an gut ausgebildeten Facharbeitern hat.“
Neue Wege der Personalentwicklung
Wenn noch weitere Visionen von Schmidt, Bose und dem inzwischen auf 15 Köpfe angewachsenen Team wahr werden, dann lernen hier in Zukunft auch dual Studierende an den Anlagen. „Gerade kleine und mittlere Unternehmen sind auf neue Wege der Personalentwicklung angewiesen“, sagt sie. Dazu gehöre es, dass sie Bewerbern für Lehrstellen Perspektiven aufzeigen können. Etwa ein späteres, berufsbegleitendes Studium. Um beruflich weiterzukommen. Weiterkommen ist auch für Stoppa, Harders und ihre Kollegen das entscheidende Stichwort. Sie wollen ihre Chancen nutzen. Jetzt und hier.
Von Peter Trechow für Adlershof Journal