Turbo für Talente
So wird der MINT-Nachwuchs im Technologiepark Adlershof gefördert
Laut einer Studie hat rund ein Fünftel der 10- bis 16-Jährigen „Angst vor Mathematik“. Ein Bild, das ähnlich für fast alle MINT-Fächer gilt. Warum? Und was kann dagegen getan werden?
Für Tobias Bohnhardt ist dieser Befund nicht in Stein gemeißelt – und die Jugend keineswegs „verloren“. Der Leiter des DLR_School_Lab Berlin (eines von 16 Schülerlaboren im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt) und Juror vom am Campus Adlershof ausgerichteten Jugend forscht-Regionalwettbewerb Berlin-Süd sagt: „Das Interesse an MINT-Fächern ist bei jungen Menschen grundsätzlich vorhanden. Kinder sind von Natur aus neugierig und fasziniert von wissenschaftlichen Phänomenen“, erklärt Bohnhardt. Diese Begeisterung zeige sich besonders bei Experimenten und praktischen Erlebnissen.
Jedoch: „Der Mangel an Fachkräften im MINT-Bereich, sowohl im akademischen als auch im beruflichen Sektor, ist nach wie vor ein großes Problem.“ Folge: Trotz des Interesses vieler junger Menschen falle es häufig schwer, diese Begeisterung langfristig zu erhalten, beobachtet Bohnhardt: „Oft verlieren Schülerinnen und Schüler mit der Zeit das Vertrauen in ihre Fähigkeiten oder ganz das Interesse.“ Dann kommen solche Umfrageergebnisse, wie oben zitiert, zustande. Daher gelte es, so Bohnhardt, die früh entfachte Neugier zu stärken und durch gezielte Initiativen wie im DLR_School_Lab oder beim Jugend-forscht-Wettbewerb zu zeigen, wie spannend und (alltags)relevant MINT-Fächer sind. „Durch derartige Aktionen der außerschulischen MINT-Förderung werden Talente nicht nur erkannt, sondern auch langfristig unterstützt und gefördert.“
Wie gut das gelingen kann, zeigt unter anderem eine einstige Praktikantin des DLR_School_Lab, die nach dem Abitur Physik studierte – und zwar in Cambridge. „Später war sie dann sogar am MIT in den USA tätig“, berichtet Bohnhardt. Auch Jugend forscht hat etliche Beispiele hervorgebracht, die zeigen, dass damit der Start für eine Karriere im MINT-Bereich glückt. „Durch die Regionalwettbewerbe erhalten Schülerinnen und Schüler in ganz Deutschland die Möglichkeit zur Teilnahme“, betont Bohnhardt. „So werden nicht nur Spitzenleistungen, sondern auch kreative, interdisziplinäre Forschung gefördert. Das motiviert junge Menschen, ihre Ideen und Projekte weiterzuentwickeln und in der wissenschaftlichen Gemeinschaft Gehör zu finden.“
Von „Angst vor Mathe“ merkt auch Alexander Unger wenig. Er ist für den Wettbewerb „Känguru der Mathematik“ verantwortlich, den das Institut für Mathematik an der Humboldt-Universität zu Berlin (HU) ausrichtet. Der internationale Wettstreit für die Klassen 3 bis 13 wird in mehr als 100 Ländern ausgetragen, soll „die mathematische Bildung in den Schulen unterstützen und die Freude an der Beschäftigung mit Mathematik wecken und festigen“. Wie und wodurch gelingt das? „Zuallererst durch die Inhalte des Wettbewerbs, natürlich die Aufgaben, aber auch die Preise“, erklärt Unger. „Die Aufgaben unterscheiden sich oft recht stark von den üblichen im Schulbuch. Sie laden zum Knobeln ein, sind kurzweilig, liebevoll und mit Witz gestaltet.“ Oft werden kleine Geschichten erzählt, die am Alltag angelehnt sind und eine Verbindung zur Aufgabe schaffen. Unger: „Uns ist außerdem wichtig, dass es eine große thematische Vielfalt gibt, so vielfältig, wie die Mathematik eben ist, und wichtige Fertigkeiten, die auch im täglichen Leben gebraucht werden, im Vordergrund stehen.“ Also logisches Schließen, Vorstellungsvermögen, Schätzen, Kreativität, das Erkennen von Zusammenhängen.
Das Ziel: „Wir wollen den Besseren Herausforderungen bieten, aber vor allem die vermeintlich Schwächeren oder die noch nicht an Mathematik Interessierten hinter dem Ofen hervorlocken“, betont Unger. Wünschenswert wäre es, wenn noch mehr junge Menschen Mathematik als Studienfach wählten, sagt er. Dem ist aber nicht so, gerade bei Lehrkräften herrsche ein echter Mangel: „Da müssen wir dranbleiben und frühzeitig Lust machen und motivieren.“
Einen handfesten Beitrag zu mehr MINT-Begeisterung leistet auch das Berlin United Team um Heinrich Mellmann vom Institut für Informatik der HU, das sich gerade auf die RoboCup-Weltmeisterschaft im Juli 2025 in Brasilien vorbereitet. Genauer gesagt trainiert Mellmann, der seit rund 20 Jahren auf diesem Feld unterwegs ist, mit seinem Team junger Informatiker:innen kickende Robos. Dabei ist auch Studentin Anastasia Prisacaru: „RoboCup bietet uns die Gelegenheit, theoretisches Wissen aus dem Studium in die Praxis umzusetzen“, beschreibt sie den Reiz. „Unser Ziel ist die Programmierung humanoider Roboter, die autonom Fußball spielen.“
Das Besondere dabei sei die Vielfalt der Arbeitsbereiche: von High-Level-Entwicklung wie Teamkommunikation, Strategieentwicklung und Bildverarbeitung bis hin zu Low-Level-Aufgaben wie der Optimierung von Bewegungsabläufen und Schussmechanismen. „Zusätzlich entwickeln wir Tools für Datenanalyse und Debugging, was einen umfassenden Einblick in moderne Softwareentwicklung ermöglicht“, erklärt Prisacaru. Für sie ist die Arbeit oft „wie eine spannende Entdeckungsreise“.
Die Informatik biete einen einzigartigen Mix aus logischem Denken und Kreativität. „Besonders faszinierend finde ich die kontinuierliche Evolution des Feldes, mit ständig neuen Technologien und Innovationen“, unterstreicht sie. „Es ist inspirierend, aktiv an dieser digitalen Transformation mitzuwirken und durch eigene Projekte zur technologischen Entwicklung beizutragen.“ Die Informatik, staubig? Nerdig? Realitätsfern? Wohl kaum.
Prisacaru kennt die Vorurteile gegenüber ihrem Fach: Informatik sei monoton. Sie entgegnet: „In Wirklichkeit ist der Arbeitsalltag sehr abwechslungsreich, geprägt von Teamarbeit und interdisziplinärer, kreativer Problemlösung. Oder: „Das ist doch nur was für introvertierte Menschen.“ Eine veraltete und wahrscheinlich schon immer falsche Vorstellung: „Die moderne IT-Branche legt großen Wert auf Kommunikationsfähigkeit und Soft Skills“, betont Prisacaru.
Wie also kann sich der oder die Einzelne in diesem Bereich (beruflich) selbst verwirklichen? Prisacaru rät: „Folgen Sie Ihren persönlichen Interessen und Stärken, statt sich von traditionellen Karrierewegen einschränken zu lassen.“ Die Informatik böte unzählige Spezialisierungsmöglichkeiten – von der Spieleentwicklung über Cybersecurity bis zur KI-Forschung. „Bleiben Sie neugierig und lernbereit, denn lebenslanges Lernen ist in diesem dynamischen Feld der Schlüssel zum Erfolg.“
Chris Löwer für Adlershof Journal