HU-Team bereitet sich auf die Fußball-Roboter WM in Brasilien vor
Heinrich Mellmann und Anastasia Prisacaru berichten, was die HU-Roboter zum Fußballspielen bringt, und von den Fortschritten des Roboter-Fußballs in den letzten 20 Jahren
Im Labor des Instituts für Informatik hocken vor dem Tor auf dem Kunstrasen des Trainings-Fußballfeldes zwei humanoide Roboter. Ringsum in den Regalen stapeln sich weitere Roboter-Spieler, Mini-Fußbälle und Computer-Zubehör. Die 60 cm hohen Fußball-Roboter werden am Lehrstuhl von Verena Hafner, Professorin für Adaptive Systeme, programmiert und spielen im HU-Team „Berlin United“. Im Juli kam das Team bei der Weltmeisterschaft der Fußball-Roboter im niederländischen Eindhoven unter die Top-Acht. Teamleiter Heinrich Mellmann, seit rund 20 Jahren dabei, und die Informatikstudentin Anastasia Prisacaru wollen die Roboter für den RoboCup 2025 in Brasilien fit machen.
Herr Mellmann, Ihr Team hat in diesem Jahr zum wiederholten Mal am RoboCup teilgenommen. Was steckt hinter diesem Turnier?
Mellmann: Wir – oder eigentlich unsere Roboter – haben in der „Standard Platform League“, kurz SPL, mitgespielt, also in einer von verschiedenen Ligen innerhalb des RoboCup. Ziel des internationalen Wettbewerbs ist es, die Roboterforschung durch das Lösen von Standardaufgaben in der Robotik-KI zu fördern, die eine Interaktion mit einer realen Umgebung erfordern und wesentlich komplexer sind als abstrakte Aufgaben so wie etwa Schach.
Wie kann man sich den Wettkampf vorstellen?
Mellmann: Da spielen humanoide Roboter gegeneinander – mit der jeweils entwickelten Software und in einer realen Umgebung.
Prisacaru: Das Turnier dauert eine Woche. Da sitzen viele Nerds in der Halle, sie arbeiten am Programm-Code ihrer Roboter, testen viel und tauschen sich untereinander aus. Ein Spiel dauert 20, also zweimal zehn Minuten, und es spielen jeweils sieben Roboter gegeneinander. Nur der Schiedsrichter, seine Assistenten und der Game-Controller, der Entscheidungen wie eine gelbe Karte als Signal an die Roboter weitergibt, sind Menschen.
Welche Fähigkeiten besitzen die Roboter?
Mellmann: Wir sind noch nicht so weit, dass sie hören, was der Schiedsrichter ruft. Abgesehen davon spielen sie aber komplett selbständig. Durch zwei eingebaute Kameras sehen sie den Ball, treffen Entscheidungen und kommunizieren miteinander.
Prisacaru: Sie bewegen ihre Beine so, dass sie vorwärtskommen und nach dem Hinfallen wieder aufstehen. Im besten Fall treffen sie den Ball...
Ihr Team nimmt bereits seit Ende der 1990er Jahre an der Weltmeisterschaft teil. Was hat sich seitdem verändert?
Mellmann: Damals spielten vierbeinige Roboter-Hunde gegeneinander. Sie waren viel kleiner, hatten eine lange Schnauze - und eine schlechte Kamera. Deshalb musste das Spielfeld kleiner sein, und der Ball, die Tore und sonstige Markierungen waren farbig. Seit 2008 spielen humanoide Roboter NAO gegeneinander.
Das sind Roboter, die der französische Roboterhersteller Aldebaran entwickelt hat und die der Gestalt des Menschen nachempfunden sind.
Ja. Und das Laufen ist deutlich komplexer als bei den vierbeinigen Roboter-Hunden, nicht wenige Roboter gingen beim Hinfallen kaputt. Damals punkteten die humanoiden Roboter bereits, wenn sie den Ball nur Richtung gegnerisches Tor bewegten. Mit der Zeit wurden die Algorithmen besser, das Feld wurde immer größer und realistischer, farbige Markierungen wurden weggelassen und der Teppich durch Kunstrasen ersetzt.
Wann schoss Ihre Mannschaft das erste Tor?
Mellmann: Das Tor ist legendär. Das war 2008 gleich beim ersten NAO-Turnier im Spiel gegen das vereinigte Team aus Bremen und Dortmund – die BreDo-Brothers. Unser Roboter stolperte beim Dribbeln und fiel mit dem Knie auf den Ball - der Ball rollte ins Tor.
Werden die Roboter kontinuierlich weiterentwickelt?
Prisacaru: Das Ziel von RoboCup ist, dass im Jahr 2050 ein Team von humanoiden Robotern gegen die FIFA-Weltmeister spielt und gewinnt – nach deren Regeln. Um das zu erreichen, müssen wir jedes Jahr kontinuierlich Verbesserungen einführen. Die Regeln in der Standard Platform League werden jährlich angepasst, um die Entwicklung zu fördern. Zum Beispiel - das Feld ist jetzt mit 6 x 9 Metern bereits größer, der Ball schwarz-weiß. Um an der RoboCup-WM teilzunehmen, muss man in einem Bericht zeigen, was man neu entwickelt und zur Robotikforschung beigetragen hat. Dieser Bericht ist für alle offen zugänglich.
Mellmann: Die Liga fordert, dass alle, die teilnehmen, ihren Programm-Code offenlegen. Dadurch will sie die technische Weiterentwicklung unterstützen und zugleich die Community vor verdecktem Abschauen schützen. Der RoboCup ist standardisierter Wettbewerb und wissenschaftliche Konferenz zugleich, bei der im Anschluss an das Turnier Publikationen vorgestellt werden.
Das RoboCup-Forschungsteam musste sich nach Corona teilweise neu aufstellen. Frau Prisacaru, was hat Sie motiviert, mitzuarbeiten?
Prisacaru: Das Informatikstudium ist sehr theoretisch. Der RoboCup bietet eine gute Abwechslung, und man interagiert mit der realen Welt. Allerdings ist der Einstieg in die Fußball-Robotik sehr anspruchsvoll. Die Tools für die Bewegung und Wahrnehmung sind alle selbst geschrieben. Man muss sie erst einmal verstehen, bis man selbst etwas beitragen kann. Ich selber würde gerne die Ballerkennung verbessern.
Mellmann: Wir arbeiten daran, unseren Programm-Code, der über viele Jahre hinweg entstanden und mittlerweile sehr groß ist, so umzuschreiben, dass er zu einem nachvollziehbaren Lern-Code wird. Wir versuchen eine Umgebung zu schaffen, in der Studierende eigene Ideen entwickeln und das Gelernte aus verschiedenen Vorlesungen anwenden können, wie etwa ein neues Betriebssystem auf dem Roboter ausprobieren oder ganz konkret die Schusstechnik der Roboter verbessern.
So bringen die Studierenden neue Technologien und Arten zu denken ein.
Was ist das Besondere an der Robotikforschung der HU beim RoboCup?
Mellmann: Viele Teams in der Liga nutzen denselben Programm-Code als Basis und fokussieren ihre Forschung auf einzelne Aspekte wie die Team-Koordination. Wir gehören zu den wenigen Teams, die an allen Aspekten arbeiten und einen vollständig eigenen Code haben, der stetig weiterentwickelt und verbessert wird. Der Humboldtsche Gedanke, also die Verbindung von Forschung und Lehre, ist bei uns stark ausgeprägt.
Was war in diesem Jahr Ihr wichtigster Fortschritt?
Mellmann: Es gab viele. Zum Beispiel haben wir die visuelle Wahrnehmung des Roboters, die für ihn wesentlich ist, verbessert: Wie ist er selbst im Raum positioniert? Wo sind der Ball und die anderen Mitspieler? Damit das gelingt, haben wir systematisch verschiedene neuronale Netze trainiert und erprobt.
Was könnte in Brasilien 2025 besser laufen?
Prisacaru: Nach dem RoboCup ist vor dem RoboCup. Wir werten gerade die Spiele vom Juli aus. Man kann überall etwas verbessern. Besonders wichtig wäre aber zu schauen, warum die Roboter öfter gefallen sind und den Ball verloren haben.
Mellmann: Wir wollen auf jeden Fall die Koordination der Bewegungen verbessern, konkret den Übergang zwischen dem Laufen, Schießen und Aufstehen. So dass die Roboter stabil bleiben, aber reaktiver werden.
Wie wichtig ist für Sie der fußballerische Erfolg, also die sportliche Seite?
Mellmann: Gewinnen ist schon wichtig und eine gute Motivation, aber nicht immer ein guter Indikator für den Fortschritt. Bei den Spielen spielt der Zufall auch mit. Die Roboter fallen manchmal hin und gehen kaputt. Die Gegner verhalten sich unerwartet. Manchmal hat man Pech. Wir haben im entscheidenden Spiel nur knapp gegen die Australier verloren, und unsere Roboter haben die Hitze nicht vertragen. Wichtigstes Ziel ist aber, die Roboterforschung voranzubringen.
Interview: Isabel Fannrich
Weitere Informationen:
- Website des HU-Teams Berlin United
- Website des RoboCup 2024 in Eindhoven
- Website der Standard Platform League (SPL)
- Website des RoboCup
- Webseite des RoboCup in Deutschland
Kontakt:
Humboldt-Universität zu Berlin
Institut für Informatik
Rudower Chaussee 25
12489 Berlin-Adlershof
www.informatik.hu-berlin.de
Pressemitteilung der HU vom 11.09.24.