Mobilität von morgen
Von autonomen Fahrzeugen, elektrifiziertem Lieferverkehr und Fahrradschnellwegen für E-Bikes
Am Adlershofer Institut für Verkehrsforschung am Deutschen Zentrum für Luft und Raumfahrt (DLR) beschäftigen sich über 50 Wissenschaftler mit der Mobilität der Zukunft. Weil weltweit immer mehr Menschen in Städte ziehen, geht es dabei zwangsläufig um zukunftsfähige Stadtkonzepte. Gedanklich sind die Forscher schon in Zukunftsstädten unterwegs.
An Science-Fiction denkt Barbara Lenz nicht, wenn sie über die Stadt der Zukunft nachdenkt. Dafür ist die Leiterin des Instituts für Verkehrsforschung am DLR in Adlershof zu sehr mit ihrer Stadt Berlin verbunden, mit den Städten Deutschlands, der Welt. Ihre Visionen vom Verkehr der Zukunft sind im Hier und Jetzt der Städte und ihrer Einwohner verankert.
„Es wird auch in Zukunft darum gehen, von A nach B zu kommen – von Daheim zur Arbeit, zur Kita, zum Einkaufen oder ins Kino und Theater“, sagt sie. Wenn das künftig mit Elektrofahrzeugen geschehe, seien das immer noch Autos. Auch die vorhandene Infrastruktur wird sich nicht beliebig ändern lassen. Wo die Anlässe der Mobilität und die Verkehrswege weitgehend unverändert bleiben, werden Mobilitätsgewohnheiten sich nur schleichend ändern.
Pendler werden nicht plötzlich in Helikopter steigen. Aber Städte können Pendlerströme leiten – etwa indem sie neue Siedlungen im Umland nur zulassen, wo bereits Anschluss an den öffentlichen Verkehr besteht. „Ob dann noch ein Fahrer in der S-Bahn sitzt oder diese automatisiert fährt, ist eine andere Frage“, erklärt Lenz.
Im „Schaufenster“ Berlin erprobt
Elektromobilität und autonome Fahrzeuge spielen aktuell eine wichtige Rolle für die 50 Wissenschaftler unterschiedlichster Disziplinen, die am Adlershofer DLR-Institut forschen. „Fast die Hälfte von uns sind Frauen“, berichtet Lenz. Der unverstellte Blick auf den Verkehr ist gefragt. Querdenken, in den jeweiligen Lebensrealitäten verwurzelt. Was bewegt uns heute? Was belastet die Städte und wie lässt sich Verkehr entzerren? – Elektromobilität bietet Lösungsansätze, die im „Schaufenster“ Berlin erprobt werden. Etwa elektrifizierter Lieferverkehr. Weil Motorenlärm wegfällt, kann nachts oder in den sehr frühen Morgenstunden geliefert werden. Tagsüber machen Kurierfahrten mit elektrischen Lastenrädern, die bis zu 100 kg schwere Pakete bewegen, Autotouren überflüssig.
Mobile Warenlager auf Anhängern können Pendelbewegungen zwischen Stadt und umliegenden Logistikzentren ausdünnen. Fahrradschnellwege für E-Bikes sind geplant, um den Berufsverkehr zu entzerren. Und nicht zuletzt beschäftigen sich die Forscher mit dem Carsharing, das in Berlin boomt. Die Flotten sind ideal, um die teure Elektromobilität anzuschieben, dabei Emissionen und die Zahl der Fahrzeuge in der Stadt zu senken. Es geht auch darum, kostbaren Stadtraum zurückzugewinnen, der bisher vom Individualverkehr okkupiert wird.
Autonome Fahrzeuge sind noch Zukunftsmusik
Dafür muss vorhandene Infrastruktur effektiver genutzt werden. Hier denkt auch Lenz in Kategorien von Science-Fiction: „Die grundlegendsten Veränderungen werden wohl von autonomen Fahrzeugen ausgehen“, sagt sie. Fahrerlose Taxis, möglicherweise werbefinanziert und daher kostenlos. Privatautos, die, sofern ihr Fahrer es will, eigenständig lenken, bremsen und beschleunigen, damit sich die Insassen anderen Aufgaben widmen können. Fahrzeuge werden künftig regen Datenaustausch untereinander pflegen und so Kollisionen und Staus vorbeugen. Ist eine kritische Masse der intelligenten, kommunizierenden Fahrzeuge auf den Straßen, dann könnte der städtische Verkehr sich aus sich selber heraus steuern. Autos würden untereinander austauschen, wo das Verkehrsaufkommen hoch ist – und sich von selbst auf anderen Routen bewegen. „Das ist allerdings wirklich Zukunftsmusik“, relativiert die Professorin, „denn bis autonome Fahrzeuge im Fahrzeugbestand eine nennenswerte Größenordnung erreichen, wird noch viel Zeit vergehen.“
Von Peter Trechow für Adlershof Journal