Licht-Stupser für Isotopen
BAM-Forschung sorgt für zweifelsfreie Klärung der Herkunft von Erdbeeren bis Giftgas, die Kriegsverbrechern und Produktfälschern schon bald das Handwerk legen könnten
Nach seiner Promotion sah Carlos Enrique Abad Andrade keinen Grund, der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) in Adlershof den Rücken zu kehren. Vielmehr nutzt er die nahezu perfekte Ausstattung mit Hightechgeräten und das Vertrauen seiner erfahrenen Kollegen, um seine Forschung an einer hochkomplexen spektroskopischen Isotopenanalytik voranzutreiben.
Vier Jahre eigene Forschung. Dazu jahrelange Grundlagenforschung einer Arbeitsgruppe rund um Helmut Becker-Ross und Stefan Florek am Leibniz-Institut für Analytische Wissenschaften, ISAS – und von Isotopenforschern aus den 1930er Jahren. „Kann man einem Laienpublikum all das in drei Minuten erklären?!“, hat sich Carlos Enrique Abad Andrade gefragt.
Seine Antwort führte den Chemiker, der als Student aus Venezuela nach Berlin zog, ins Finale des „FameLab“-Wettbewerbs für Wissenschaftskommunikation 2018. YouTube-Videos zeigen, wie er zwei ungleiche Figuren tanzen lässt. Sie symbolisieren unterschiedlich schwere Isotope. Also Atome desselben Elements, die gleich viele Protonen haben, deren Masse sich aber aufgrund verschieden vieler Neutronen unterscheidet. Regt man solche Isotope mit Licht an, reagieren sie abhängig von ihrer Masse unterschiedlich stark und schnell.
Salopp gesagt, schubst Abad Isotope mit Licht an, um von ihrer Dynamik auf ihre Herkunft zu schließen. Das ist möglich, weil Wind, Niederschläge und geologische Ereignisse die anfangs homogene Isotopenverteilung in Milliarden Jahren Erdentwicklung so verändert haben, dass jeder Ort einen individuellen isotopischen Fingerabdruck hat. „Über die Interaktion von Licht und Materie können wir den Ursprung einer Probe genau bestimmen“, erklärt er. So lässt sich prüfen, ob Beelitzer Spargel, Parmesankäse oder edle Weine echt sind oder Etikettenschwindel vorliegt.
Abad hat daneben ernstere Anwendungen im Sinn: „Die Isotopenanalyse erlaubt eine zweifelsfreie Klärung der Herkunft von Giftgas oder radioaktiven Substanzen.“ Das könne die Hemmschwelle für ihren Einsatz weiter erhöhen.
Dafür gilt es, die Grenzen des Verfahrens genau abzuklären. Daran arbeitet der Chemiker an der BAM zusammen mit Physikern und Geologen. Mit Elementen wie Bor, Magnesium oder Lithium schaffen sie die Grundlage für den Einsatz der „Molekül-Absorptionsspektroskopie mittels Kontinuumstrahler“. Becker-Ross und Florek hatten das Verfahren erst für Atome und dann auch für zweiatomige Moleküle entwickelt. Nach Auflösung ihrer Arbeitsgruppe hatten sie die Technologie samt Apparaturen an die BAM transferiert – und stehen „dem Abad” noch heute mit Rat und Tat zur Seite. „Ich profitiere von ihrer Unterstützung und ihrem Vertrauen“, sagt er. Gerade, wenn sie anfangen zu basteln, schaue er genau hin. „Sie stammen noch aus einer Generation, die im Labor immer eigene Lösungen sucht und so entscheidend zur Optimierung von Prototypen beiträgt“, erklärt er. Diese Tradition setzt Abad mit Ingenieuren der Analytik Jena AG fort, die bei der Verfahrensentwicklung mit der BAM kooperiert.
Im Labor zeigt der Forscher, wie so eine Molekül-Absorptionsspektroskopie (MAS) funktioniert. Nach einer Nullmessung saugt eine Pipette Magnesium und Fluorlösung ein und tropft diese in einen Graphitrohrofen. Mit einer Kamera lässt sich verfolgen, wie der Tropfen in dem bleistiftdicken Röhrchen verdampft. Die Temperatur steigt sprunghaft auf 2.000 Grad Celsius. „Jetzt bilden sich transiente Magnesium-Fluor-Moleküle, die wir durch exakte Temperatureinstellung dazu bringen, ihre Verbindung einige Sekunden stabil zu halten“, erklärt er. Noch während er spricht, leuchtet die Apparatur auf: Die Anregung mit einem breiten Lichtspektrum von Ultraviolett bis Nahinfrarot. Je nachdem, welche Wellenlänge die Elemente absorbieren, verändert sich das Spektrum. Hinzu kommen die winzigen Pikometer-Ausschläge der angeregten Isotope, die nun in einem 3D-Spektrum auf einem Monitor sichtbar werden. Abad blendet daneben die Spektren von Proben aus den USA und Japan ein. Tatsächlich gibt es klare Differenzen. Es sind visualisierte Wellenlängenunterschiede im Bereich weniger Pikometer, die Kriegsverbrechern und Produktfälschern schon bald das Handwerk legen könnten.
Von Peter Trechow für Adlershof Journal