Adlershof hat sich gut rausgemacht
Ein Gespräch mit der HU-Präsidentin Sabine Kunst über den Unicampus für Naturwissenschaften
Sabine Kunst ist seit Mai dieses Jahres Präsidentin der Humboldt-Universität zu Berlin (HU). Ein Gespräch über die Herausforderungen, vor denen die Traditionsuniversität steht, die Rolle des Adlershofer HU-Campus, Formate des Technologietransfers und Parkstudierende in den naturwissenschaftlichen Fächern.
Adlershof Journal: Nach viermonatiger Amtszeit als HU-Präsidentin, wie sieht Ihre erste Bilanz aus?
Nachdem ich sehr viele Menschen kennengelernt habe, kann ich sagen, die HU ist eine besondere Uni mit hohem Potenzial.
Die Mitarbeiter haben ein großes Engagement für die HU, viele verstehen sich als Humboldtianer. Es gibt mehr Möglichkeiten als Machbares. Eine große Diskrepanz besteht zum Beispiel zwischen dem Verhältnis von Studierenden, Lehrenden und Verwaltungsmitarbeitern. Der letztere Bereich ist mit den beiden anderen in den vergangenen Jahren nicht gleichermaßen mitgewachsen.
Welche Themen stehen auf Ihrer Agenda ganz oben?
Die Digitalisierung voranzutreiben und für die Zukunftsfähigkeit der HU zu sorgen. Stichworte dafür sind: Eine langfristig bis zum Jahr 2030 angelegte Konsolidierung der Struktur auf den Weg zu bringen, Ressourcensicherung zu gewährleisten und wieder erfolgreich in der neuen Exzellenzinitiative anzutreten.
Wann waren Sie das erste Mal in der Wissenschaftsstadt Adlershof?
In den vergangenen Monaten war ich mehrere Male hier. Ich war überrascht, wie gut sich der Standort seit meinem ersten Besuch vor rund zehn Jahren entwickelt hat. Die entstandenen Begegnungsflächen und das Studentendorf, aber auch die Angebote an Cafés und Bistros sorgen für eine wirkliche Campusatmosphäre. Adlershof wächst immer mehr zu einer Wissenschaftsstadt zusammen.
Welche Rolle spielen die Naturwissenschaften innerhalb der HU?
Der Campus Adlershof ist eine tragende Säule der HU. So werden an den Clusterinitiativen, mit denen die HU im April 2017 bei der Exzellenzinitiative ins Rennen geht, auch viele Naturwissenschaftler aus Adlershof beteiligt sein. Zudem ist die enge Verzahnung mit den außeruniversitären Instituten ein großes Plus.
Die Nähe zur HU ist für viele Adlershofer Unternehmen ein wichtiges Ansiedlungskriterium. Wie finden kleinere Hightech-Unternehmen Zugang zur HU?
Da gibt es schon eine ganze Reihe von Formaten, die vor allem die Humboldt-Innovation GmbH initiiert. Beispiele sind die Veranstaltungsreihe „Wissenschaft trifft Wirtschaft“ oder „Humboldts Wagniswerkstätten“. Das ist eine neue Plattform, die es Forschenden ermöglicht, interdisziplinäre und anwendungsorientierte Projekte gemeinsam mit der Wirtschaft zu bearbeiten. Nennen möchte ich auch unsere Expertise-Landkarte und das Förderprogramm Transfer BONUS. Auch die Gründung des Innovationsnetzwerks für neue Materialien (INAM) in Adlershof ist dafür ein sichtbares Zeichen.
Viele Spin-offs aus der HU kommen aus dem Bereich der Naturwissenschaften. Wie hoch ist das Thema Existenzgründung an der HU angebunden?
Der Transfer von Ideen und Forschungsergebnissen in die Wirtschaft ist ein besonderes Anliegen der Universität. Die HU belegt in der Gesamtbilanz der Berliner Hochschulen einen vorderen Platz beim Exist-Ranking. Viele Start-ups entstehen im Bereich der Informatik. Deren „Überlebensrate“ ist gut.
Jüngstes Adlershofer HU-Spin-off aus dem Bereich Lebenswissenschaften ist Enviropep. Das Team besteht aus drei promovierenden Chemikern, die ein Verfahren entwickelt haben, um Peptide schnell und ressourcenschonend zu produzieren.
Die WISTA-MANAGEMENT GMBH baut zurzeit an der Rudower Chaussee 17 Coworking Spaces. Sehen Sie Bedarf aus HU-Sicht dafür?
Ich finde das eine gute Initiative. Noch gibt es zu wenige Plätze für gründungswillige Studierende. Aber wichtig ist auch die Begleitung der Gründer: Die HU bietet Tandemlösungen, damit junge Wissenschaftler sich nicht allein gelassen fühlen.
In den Monobachelorstudiengängen der Naturwissenschaftlichen Fakultät gibt es überproportional viele Studienabbrecher. Was tut die HU, um dem entgegenzusteuern?
Das Problem teilen wir mit vielen Universitäten. Es gibt unterschiedliche Verläufe in verschiedenen Fächern: Im Studiengang Physik beispielsweise verbleiben am Ende der Regelstudienzeit durchschnittlich rund 40 Prozent der Studierenden. Wir untersuchen derzeit die Ursachen und wollen wissen, in welchen Phasen des Studiums der Abbruch erfolgt.
Weil es in einigen Fächern keine Zulassungsbeschränkung gibt, haben wir dort einen hohen Anteil sogenannter Parkstudierender. Diese schreiben sich zwar für ein Studium – etwa im Monobachelor Physik – ein, nehmen dieses aber nicht auf oder wechseln in ein anderes Fach. Hier müssen wir Studienabbruch neu interpretieren.
Nichtsdestotrotz, die fachliche Überforderung bleibt ein Problem in den Naturwissenschaften. Mit speziellen Programmen versuchen wir, Schüler über die Lehrinhalte aufzuklären. Außerdem gibt es Mentoren-Tutoren-Programme.
Wird es bauliche Veränderungen auf dem Adlershofer HU-Campus geben?
Ja, dazu gehören der Iris-Forschungsneubau und das Entwicklungsprojekt UniLab Schülerlabor. In die Langfristplanung wollen wir den Bau eines zentralen Unigebäudes mit großem Hörsaal einbetten.
Gibt es einen konkreten Zeitplan für den Wegzug der Psychologen aus Adlershof?
Nein.
Von Sylvia Nitschke für Adlershof Journal