Zwei Cineasten und ein Hamster machen Werbung
Erklärfilme sind mehr als eine filmische Gebrauchsanweisung
Auf die Größe kommt es nicht an, weiß Willi Haninger, Geschäftsführer und Creative Producer von Angry Hamster UG („wütender Hamster“). Haninger und seine Geschäftspartnerin Marina Izquierdo arbeiten mit einem Team von zehn Freelancern zusammen. „Unsere Stärke ist, dass wir unterschätzt werden. Hamster sind klein, niedlich und beweisen viel Ausdauer“, so Haninger.
Sechs Jahre war Haninger als Creative Producer selbstständig, dann traf er Izquierdo und gründete mit ihr 2019 das Start-up. Sie beide verbindet eine große Leidenschaft für Filme: „Uns ist cineastisches Storytelling sehr wichtig. Wir konzentrieren uns – anders als zum Beispiel Influencer – nicht auf einfache Kaufanreize, sondern gutes Kino. Die Performance muss natürlich auch stimmen“, erklärt Haninger.
Kurz vor der Firmengründung produzierte der Neuköllner mit dem Mysterythriller „8 Remains“ selbst schon einen Spielfilm. „Es war toll, mit Menschen zu arbeiten, die von der Kunst getrieben sind“, bemerkt der 36-Jährige. Auch bei seinen anderen Projekten seien große Emotionen Programm. Der Bund für Umwelt und Naturschutz, die Webkonferenz re:publica, die italienische Sportmarke UYN und der Rundfunk Berlin-Brandenburg (Agentur: GUD) zählen unter anderem zu seinem Kundenkreis.
Eines seiner Lieblingsprojekte: Für den Werbefilm des Musik-Start-ups „Soundbrenner“ versetzte sich das Team in den Kopf von Musikschaffenden, erzählte von kreativen Schaffenskrisen und dem Gefühl, nicht schaffen zu können, allein in einer Wüste zu stehen. Die Wüste habe Haninger zufällig entdeckt, sie sei ein ehemaliger Truppenübungsplatz hinter Cottbus. „Für solche Entdeckungen lebe ich einfach“, schwärmt der Berliner.
Den Wissenschaftsstandort Adlershof weiß er sehr zu schätzen. „Es sind hochinteressante Unternehmen. Vieles ist für uns fachlich neu, aber wir schätzen den Austausch und die Vernetzung sehr.“ Über das Unternehmernetzwerk BNI fand er im März innerhalb von zwei Tagen ein Büro bei Exordium. Ist ein Film abgedreht, kümmert sich Exordium um die Vermarktung der Inhalte. Anfang April wurde Haninger BNI-Direktor für die lokalen Unternehmen in Adlershof.
Ein wichtiges Feld, um wissenschaftliche Inhalte gut zu vermitteln, seien Erklärfilme. Zum Beispiel promotete das ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung GmbH Mannheim den analytischen Forschungsbereich „Marktdesign“ mithilfe eines aktuellen Problems: der Vergabe von Kitaplätzen. Es sei immer wichtig, den Kunden mitzudenken und persönlich anzusprechen. „Allein der Erklärfilm verkauft das Business nicht. Du veränderst mit allem, was du tust als Unternehmer, das Leben anderer Menschen. Das musst du in den Vordergrund stellen“, rät der Creative Producer.
Mit Animationen oder Grafiken werde die Botschaft für Kinder wie auch für Erwachsene viel eingängiger. Leider werde diese Hybridform oft unterschätzt. „Da steckt ein ganzes kreatives Team dahinter. Ein Illustrator und ein, zwei, manchmal drei Animationskünstler und ein Kreativtexter. Es gibt Kunden, die versuchen, Geld zu sparen, und tappen dann in die Falle, vieles selbst machen zu wollen“, so Haninger. Ihr Kerngeschäft liege aber auf der Produktion von Werbespots und hochwertigem Content für Social Media.
In der Didaktik werde das Medium Film sehr stiefmütterlich behandelt. Vor einem Jahr hat Haninger für einen Wissensverlag gearbeitet, der filmische Inhalte für Abiturjahrgänge wie in einem Lehrbuch aufbereiten wollte. „Das ist nicht mehr zeitgemäß. Beim Film muss die richtige Balance zwischen Detailinformationen, visuellem Anspruch und Entertainment gefunden werden“, sagt Haninger und ergänzt: „Es ist wichtig, dass du visuell überraschende Dinge tust.“ Denn die Filme konkurrieren mit den Screens, die die Kinder in die Schule mitbringen. Eine Prise Humor dabei schadet nicht.
Von Susanne Gietl für Adlershof Journal