Trommelwirbel für die Chemie
„Club Lise“-Mentorin Anne Fuhrmann macht Mädchen neugierig auf Naturwissenschaft
Einmal im Jahr wird Anne Fuhrmanns Arbeitsplatz in der Adlershofer Brook-Taylor-Straße zur Anlaufstelle für angehende Abiturientinnen. Und sie selbst zur Botschafterin ihres Faches: Wenn sich nach dem Besuch die eine oder andere Schülerin das Labor im dritten Stock des Instituts für Chemie auch als künftigen Arbeitsplatz vorstellen könnte, hätte die 26-jährige Doktorandin daran ihren Anteil.
Vorurteile abbauen
„Wir wollen als Vorbilder fungieren“: Die Begeisterung, mit der Fuhrman von der Aufgabe redet, Mädchen an die Naturwissenschaften heranzuführen, wirkt ansteckend. Vorurteile abbauen, die Scheu vor den Mysterien der MINT-Fächer überwinden, den Mädchen zeigen: „Es gibt auch junge Frauen in den Naturwissenschaften, die sich für ganz normale Dinge interessieren.“ Darum gehe es: „Es gibt ja so unendlich viele Möglichkeiten.“
Das könnte ihr Wahlspruch sein. Seit April 2014 ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin am Chemie-Institut der Humboldt-Universität zu Berlin, forscht an Kunststoffen, deren Eigenschaften durch Licht- und Temperatureinwirkung variiert werden können. Die Verbindung praktischen Experimentierens mit theoretischem Verständnis der Hintergründe ist für sie die Faszination ihrer Wissenschaft: „Ich habe mich schon immer dafür interessiert, wie Dinge bis aufs Kleinste funktionieren.“
Dennoch: Die Schülerin Anne Fuhrmann hätte sich auch einen anderen Weg vorstellen können. Eine Zeitlang trieb sie Schwimmen als Leistungssport, träumte vom Olympiasieg: „Ich war schon immer relativ ehrgeizig.“ Sie lernte Keyboard und Gitarre, interessierte sich für Sprachen. Dass es schließlich die Chemie wurde, war auch dem Club Lise zu verdanken, den sie als Neuntklässlerin des Tagore-Gymnasiums kennenlernte.
Interkulturelles Mentoringprogramm
Der Kernphysikerin Lise Meitner verdankt der Club seinen Namen. Mädchen, vor allem aus Migrantenfamilien, für Technik und Wissenschaft zu begeistern, ist der Zweck, zu dem das „interkulturelle Mentoringprogramm der Humboldt-Universität“ 2005 gegründet wurde. Fuhrmann erinnert sich, wie sie etwa alle zwei Monate mit acht, neun anderen Schülerinnen mehrerer Berliner Gymnasien Schnupperexkursionen zu Forschungseinrichtungen unternahm.
Schnupperpraktika möglich
Bereits als Studentin wurde sie selbst Mentorin beim Club Lise, eine von derzeit zwölf, die alle jeweils einen anderen Fachbereich vertreten: „Ich erzähle, was ich mache, führe Experimente aus meiner Forschung vor. Wir geben den Schülerinnen auch kleine Starthilfen für die wissenschaftliche Prüfungskomponente im Abitur, Tipps, Literatur, Unterstützung beim Formulieren der Fragestellung.“ Chemiebegeisterte können in ihrem Labor auch ein Schnupperpraktikum absolvieren.
Geblieben ist die Vielfalt ihrer anderen Interessen. Donnerstags fährt sie nach Köpenick zum Schlagzeugunterricht. Trainiert selbst im Schwimmverein behinderte Kinder und Jugendliche: „Mir macht die Arbeit viel Spaß und die Kinder sind mir ans Herz gewachsen, da sie mir mit ihrer Herzlichkeit und Dankbarkeit sehr viel zurückgeben.“
Von Winfried Dolderer für Adlershof Journal