Produzieren für Ende und Anfang
EBK Krüger vergrößert sich in Adlershof
Bürogebäude, Produktionshalle, Besprechungsräume, Umkleiden für die Beschäftigten – alles ist neu am neuen Standort der EBK Krüger in Adlershof. Nur die Produktionsanlage nicht, die gerade in der großen Halle in Betrieb genommen wird. Doch das hat System. Denn alte Anlagen bei Siemens, Bosch & Co. abzubauen und am eigenen Standort wieder aufzubauen und zu betreiben, das ist das Geschäftsmodell von Martin Lehmann und seinem Partner Daniel Heidrich.
Unter dem Schlagwort Serienauslauf übernimmt die EBK Krüger GmbH & Co. KG die Fertigung von Artikeln – Motorteile oder mechanoelektrische Baugruppen wie Relais –, die für nicht mehr produzierte Fahrzeugmodelle oder Maschinen bis zu deren Lebensende vom Hersteller noch für einige Jahre bis Jahrzehnte lieferbar sein müssen. Weil dort die räumlichen und personellen Kapazitäten für neue Produkte gebraucht werden, lagern die Unternehmen die Fertigung solcher Auslaufmodelle aus. Für anspruchsvolle, sicherheitsrelevante Bauteile nicht nur nach Asien oder Osteuropa, sondern gerne auch nach Deutschland – zu EBK.
Platz ist nicht nur bei Bosch und Siemens limitiert, Platz war auch Thema bei EBK Krüger selbst. Denn das Unternehmen wächst, weil es nicht nur für immer mehr Kunden produziert, sondern auch seine technischen Fertigkeiten erweitert. So hat sich der Standort Mariendorf beispielsweise auf Kunststoffteile, Galvanik und Stanzteile spezialisiert. Wirtschaftsingenieur Martin Lehmann war 2007 in die 1997 aus Siemens ausgegründete Firma eingestiegen und hatte sie dann 2013 zusammen mit Daniel Heidrich im Rahmen der Unternehmensnachfolge übernommen.
Als der Standort Teltow aus allen Nähten platzte, gingen beide auf die Suche nach Alternativen. Gerne wieder in der Stadt, „das liegt auch für produzierende Unternehmen im Trend, wie eine Fraunhofer-Studie gezeigt hat“, sagt Lehmann. Da bot sich Adlershof an, das Lehmann nicht zuletzt wegen der Nähe zur Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin (HTW) aus Studienzeiten bekannt war. Bis Ende 2019 soll der EBK-Standort Teltow komplett nach Adlershof und Mariendorf umgezogen sein. Weil der Platz neben dem frisch bebauten Grundstück noch frei war, hat EBK dort gleich ein weiteres Grundstück reserviert, denn Kunden müssten sehen, dass noch Potenziale da sind.
„Wachstum heißt für uns auch ein Mehr an Zuverlässigkeit und Qualität“, sagt Lehmann. Das spricht sich herum und führt zu einem Mehr an Aufträgen. Besonders stolz ist er zum Beispiel auf die Übernahme der Produktion von Einspritzventilen für Bosch im vergangenen Jahr. „Das Vertrauen, diese hochpräzisen Bauteile fertigen zu können, war für uns ein Ritterschlag.“ Und die wirtschaftliche Grundlage, weiter zu expandieren. Ins Unendliche solle und könne das allerdings nicht weitergehen, findet Lehmann.
„Dabei ist der viel beschworene Fachkräftemangel für uns zurzeit kein limitierender Faktor.“ Noch findet EBK genügend qualifiziertes Personal, hat selbst immer sieben bis zehn Auszubildende in den Fachrichtungen Industriemechaniker und Elektroniker. Von den aktuell 167 Mitarbeitern sind rund 30 Prozent Ingenieure, dazukommen Techniker und Kaufleute. „Es ist natürlich wichtig, sich um die Mitarbeiter zu bemühen“, sagt Lehmann. Das fängt mit dem Bewerbungsprozess an und reicht bis zum Ambiente der neuen Räumlichkeiten in Adlershof.
Das etwas ungewöhnliche Geschäftsmodell von EBK fordert auch ungewöhnliche Angestellte. Nicht nur auf technischer Ebene, wo Interesse für die Auseinandersetzung mit alten Techniken wie Lochkarten und dem 8-Bit-Heimcomputer „Commodore C64“ von 1982 ebenso erwartet wird, wie Fähigkeiten, das mit modernen Verfahren wie 3D-Druck zu kombinieren und kleine Schäden und Probleme selbst zu beheben. „Manchmal müssen wir einen Fertigungsprozess auch re-designen. Es kommt regelmäßig vor, dass wir hinsichtlich der Automation abrüsten und vermehrt auf händische Verfahren setzen, weil sich das eher rechnet“, berichtet Lehmann. Daneben ist die Logistikkette des Unternehmens eine Herausforderung. Denn mit den Anlagen „erbt“ EBK auch die Zulieferkette. Bei aktuell 30 verschiedenen Produktgruppen und 28.000 Artikeln kommt das Unternehmen auf 800 Lieferanten, die zu managen sind. Digital, wie Lehmann betont.
„Auch die LeitArt Gesellschaft für Mittelstandskybernetik mbH, unser erstes Start-up, welches wir gleich nach dem Kauf von EBK Krüger gegründet haben“, wie Lehmann erzählt, ist ebenfalls mit umgezogen. LeitArt befasst sich mit Datenanalytik, hat mittlerweile acht Mitarbeiter und wird 2018 erstmals eine Million Euro Umsatz erzielen. Kunden sind unter anderem Knorr Bremse, Rheinmetall, Siemens und viele weitere Mittelständler aus dem produzierenden Bereich.
Apropos Wachstum: Ein weiteres Argument für den neuen Standort Adlershof war auch der Aufbau eines Prototypencenters, das in Planung ist. Die Bedürfnisse am Start eines produzierenden Unternehmens sind ähnlich wie beim Serienauslauf: kleine Stückzahlen, oft händische Arbeit, spezielles Know-how, Platz. Hier kann EBK seine Flächen und – wenn gewünscht – auch seine Expertise und sein Personal jungen Unternehmen, insbesondere Start-ups, zur temporären Nutzung zur Verfügung stellen. „Gleichzeitig ist das für uns eine Gelegenheit, neue Ideen und neue Leute kennenzulernen und möglicherweise in die eine oder andere Unternehmensgründung einzusteigen“, findet Lehmann. Denn mit Daniel Heidrich zusammen ist er auch Inhaber der Dimidia, der Invest- und Managementgesellschaft, unter deren Dach auch EBK firmiert. Eine weitere Spielart des Wachstums für einen Vollblutunternehmer.
Von Uta Deffke für Adlershof Journal