KI-Analyse fürs Oberflächliche
In der Gründerwerkstatt Adlershof arbeitet ProMetronics an fehlerfreien funktionalen Mikrooberflächen
Die junge Adlershofer ProMetronics UG verbindet 3D-Mikroskopie und künstliche Intelligenz, um die Qualität funktionaler Mikrooberflächen schon im Fertigungsprozess inspizieren zu können. Fallen dabei Mängel auf, dann dienen die KI-Befunde als Basis, um die Prozesse umgehend nachzusteuern.
Bei André Kempe und Ioannis Karakatsanis von der ProMetronics UG geht es um Tiefenanalysen von Oberflächen. Mit 3D-Mikroskopen und künstlicher Intelligenz gehen die beiden Gründer der Frage auf den Grund, wie Mikro- und Nanostrukturen die jeweiligen Funktionen von Oberflächen beeinflussen – und wie sich diese Funktionen gezielt optimieren lassen.
Das klingt wie Grundlagenforschung, hat aber einen praktischen Bezug: Ein Hersteller von Laborbedarf war auf Kempe zugekommen. Es gab ein Problem mit „96-Well-Microplates“, jenen Kunststoffplatten mit 96 Vertiefungen also, die Biotech- und Pharmalabors für Hochdurchsatz-Screenings einsetzen. In fast 20 Prozent der Platten funktionierten die Tests schlecht oder gar nicht. Ein Fehlermuster war ebenso wenig auszumachen wie eine Ursache.
Kempe betreibt seit Jahren ein Labor für Materialcharakterisierung. Es ist auf Analysen funktionaler Oberflächen spezialisiert. „Wir nutzen physikalische und optische 3D-Mikroskope mit Auflösungen im Sub-Nanometerbereich“, erklärt er. Solchen Analysen unterzog er auch die fehlerhaften Microplates. Angesichts ihrer Stückpreise zwischen einem und 25 Euro war sofort klar, dass die Problemstellung nach einer hocheffizienten Prüfmethode verlangt. „Hier kam Ioannis als KI-Experte ins Spiel“, berichtet Kempe.
Denn im Nanometermaßstab wirkt jede der 96 Vertiefungen in der Kunststoffplatte wie ein Gebirge mit individuellen Strukturen. Diese übersetzten die Gründer in mathematische Vektormodelle – und erfassten auch die Qualität der Oberflächenfunktion in einem zahlenbasierten Bewertungsschema. So war es möglich, optimale Eigenschaften einer Vertiefung mathematisch zu beschreiben und alle anderen Vertiefungen automatisiert mit diesem Ideal abzugleichen; binnen zehn Sekunden scannt das 3D-Mikroskop die Struktur und erledigen KI-Algorithmen den Abgleich. „Diese Prüfprozedur lässt sich im Fertigungsprozess für engmaschige Stichprobenkontrollen nutzen“, erklärt Kempe. Doch damit ist der Nutzen der KI nicht erschöpft. Sie setzt ihre komplexe Strukturanalyse und -bewertung auch noch in Bezug zu den jeweiligen Prozessparametern. Sei es die Temperatur und der Druck beim Spritzguss, die molekulare Zusammensetzung der Polymere oder seien es nachgelagerte Mikrostrukturierungs- und Beschichtungsprozesse.
Auch wenn die Stückkosten im Fall der Microplates gering sind, ist die mögliche Hebelwirkung groß. Denn wenn von 100 Platten nach Zufallsprinzip 20 dysfunktional sind, bringt das unnötig Unsicherheit in die In-vitro-Züchtung von Stammzellen, Impfstoffentwicklung und in Tests, ob Substanzen Proteine abstoßen oder binden. Auch können die Hersteller bisher starre Einkaufprozesse flexibler gestalten, wenn KI ihnen schnell den Weg zu optimalen Prozessparametern weist. „Und natürlich kann unsere Lösung auch die Qualität anderer funktionaler Oberflächen und deren Herstellungsprozesse absichern“, sagt Kempe.
Die Gründerwerkstatt Adlershof unterstützt ProMetronics mit einem Stipendium. Die Entwicklung kommt gut voran. Nun sucht das Team einen Business Angel, der gute Industriekontakte mitbringt. Denn trotz aller KI wissen sie, dass es beim Start in die Vermarktung vor allem auf eines ankommt: den Faktor Mensch.
Von Peter Trechow für Adlershof Journal