Hightech-Puzzle
Berlin Space Technologies liefert Satellitenbaukästen
Genau 6.768 Teile – in 60 Kisten fein säuberlich verpackt und penibel beschriftet – haben sich vor wenigen Wochen auf die Reise von Berlin ins ferne Ägypten gemacht. „Unsere Kunden werden daraus einen Erdbeobachtungssatelliten zusammenbauen“, erzählt Tom Segert. Diese Art von Hightech-Puzzle gehört zum Geschäftsmodell der Berlin Space Technologies GmbH, kurz BST, die Tom Segert gemeinsam mit Matthias Buhl und Björn Danziger 2010 gründete. Heute beschäftigen sie 42 Mitarbeitende und zählen sich selbst zum Urgestein des deutschen „New Space”.
„Wir sind mit der Mission gestartet, Kleinsatelliten und Subsysteme so einfach und so kostengünstig wie möglich zu bauen“, sagt Tom Segert. Um die Herausforderung dahinter zu verstehen, ist es wichtig zu wissen, wie Satelliten normalerweise entstehen: nämlich in Einzelfertigung; mit speziell dafür entworfenen Anlagen; mit raumfahrtzertifizierten Teilen. Das schraubt die Preise in die Höhe und wird damit zur großen Hürde für den Weg ins All. Universitäten oder Raumfahrtagenturen aus Schwellenländern haben da oft schlechte Karten.
Hier kommt die New-Space-Philosophie ins Spiel. „An der Uni war für spezielle Raumfahrtprozessoren nie das große Budget da“, erinnert sich der Raumfahrtingenieur. „Deshalb mussten wir improvisieren.“ Das funktioniert bis heute. Wo immer es geht, steckt handelsübliche Elektronik in den BST-Satelliten. Diese montieren sie nicht auf einer hunderttausend Euro teuren „Satellitenrotationseinheit“, sondern auf einem Drehgestell für Autogetriebe. Und auch bei der Lieferung verlässt BST die üblichen Pfade. Der Kunde erhält keinen fertigen Satelliten, sondern einen Bausatz samt Anleitung und kompetenter Unterstützung.
„Vor der Pandemie waren wir immer mit einem Team vor Ort und schauten dem Kunden beim Zusammenbau des Satelliten über die Schulter“, sagt Tom Segert. „Jetzt unterstützen wir per Videokonferenz.“ Nicht selbst dabei zu sein, wenn 6.768 Teile zu einem Satelliten zusammengefügt werden, sei schon eine Umstellung, gesteht er und lacht: „Hier haben wir wieder gemerkt, wie wichtig eine detaillierte und zugleich verständliche Montageanleitung ist.“
Ihre Kunden sitzen beispielsweise in Ägypten, der Türkei oder Singapur. Ihnen räumlich ein Stück entgegenzukommen, hat BST schon vor einer Weile beschlossen. „Wir haben jetzt eine Fabrik in Indien“, sagt Tom Segert stolz. „Gemeinsam mit unserem Partner Azista Aerospace können dort perspektivisch gut 250 Satelliten im Jahr zusammengebaut werden.“ Wo immer sich ein lohnender Zielmarkt auftut, verrät der Raumfahrtingenieur, würde BST über eine Endmontage vor Ort nachdenken. „Als Nächstes ist eine Fabrik in den Vereinigten Staaten geplant. Die soll im kommenden Jahr in Albuquerque, New Mexico entstehen.“
Doch bis es so weit ist, müssen erstmal in Berlin die Umzugskartons geschleppt werden. „Wir haben ja hier im Start-up-Inkubator in Adlershof begonnen und hätten eigentlich 2020 regulär ausziehen müssen“, sagt er. „Doch dann kam Corona. Die ganze Welt verharrte in Schockstarre und wir haben eine Gnadenfrist bekommen.“ Die Suche nach einem neuen Domizil läuft bereits auf Hochtouren. „Wir schauen nach einer Fabrik und einer Büroeinheit für Labors und Verwaltung rund um die Hauptstadt und natürlich in Adlershof“, sagt Tom Segert. Noch vor Jahresende soll das neue Hauptquartier in Deutschland bezogen sein. „Hier werden wir nach wie vor neue Produkte entwickeln und die Prototypen bauen.“ Die gehen dann wieder in tausende Einzelteile zerlegt, penibel beschriftet und säuberlich verpackt auf die Reise in die weite Welt.
Von Kai Dürfeld für Adlershof Journal