Grundvertrauen ist die Basis
Mobiles Arbeiten ist mehr als ein modisches Must-have
Mobiles Arbeiten ist mehr als ein modisches Must-have. In der modernen Jobwelt wird es zur Frage der Arbeitgeberattraktivität. Soll diese Arbeitsform erfolgreich sein, bedarf es jedoch etwas Vorleistung, Vertrauen und besonderer Führungsqualitäten. Wir haben uns umgehört, wie Adlershofer Unternehmen und Forschungseinrichtungen Mobilarbeit organisieren.
Es scheint, als habe die Wirtschafts- und Wissenschaftswelt seit März mobiles Arbeiten für sich entdeckt. Was nun für einige neu und gewöhnungsbedürftig erscheint, ist für andere schon seit längerem Alltag. Wie für den Unternehmens- und Strategieberater Frank Lindner, der seine Kunden von überall aus betreut. Auch vom Coworking-Space der WISTA Management GmbH aus.
Der studierte Ingenieur und Immobilienfachwirt (IHK) musste sich angesichts der Corona-Krise nicht neu organisieren: „Die Situation bedeutete keine große Umstellung für mich“, bemerkt Lindner. Wie auch für seine Kunden. „International agierende Unternehmen arbeiten ohnehin weitgehend mobil“, erklärt der Berater. Skypen, Videokonferenzen, digitale Kollaborationstools – business as usual.
„Auch Vorstellungsgespräche laufen virtuell“, weiß Lindner, denn „international aufgestellte Firmen ticken anders: Sie suchen nicht unbedingt Mitarbeiter, die im Unternehmen vor Ort arbeiten können, sondern gute – egal, woher sie kommen und von wo sie arbeiten.“
Allerdings erwartet der Unternehmensberater, dass sich der Trend zum mobilen Arbeiten durch die Pandemie verstärken wird. Nicht zuletzt, weil Mitarbeiter und Chefs die Vorzüge zu schätzen lernen. Angestellte werden flexibler, bekommen ihren Alltag besser mit dem Job unter einen Hut, etwa bei der Kinderbetreuung, und Unternehmen profitieren von Kostenvorteilen: „Es sind weniger vollausgestattete Festarbeitsplätze nötig, die Reisetätigkeit nimmt ab und insgesamt kann eine Organisation schlanker gefahren werden“, sagt Lindner. Allerdings sollten Mitarbeiter vernünftig ausgestattet werden: Mit leistungsstarken Notebooks samt großem (oder externem) Bildschirm oder Desktop-PCs, aktuellen Softwaretools (für das Arbeiten im Team), Festnetztelefonie auf dem Smartphone und natürlich allseits genügend Bandbreite.
Natürlich gehört eine sichere Datenübertragung dazu. Die knapp 1.900 Mitarbeiter des Forschungsverbundes Berlin (FVB) kommunizieren, wenn sie außerhalb ihrer Labore und Büros sind, über ein Virtual Private Network (VPN), ein virtuelles privates Kommunikationsnetz, berichtet Manuela Urban. Sie ist Geschäftsführerin des FVB, in dem acht Forschungsinstitute vereint sind. Forscher und Verwaltungsmitarbeiter, die mobil arbeiten, sind mit leistungsstarken Endgeräten und Softwaretools ausgestattet, etwa elektronische Laborbücher, in denen beispielsweise Gewässerökologen Messdaten einpflegen oder die Wildtierforscher, die in Afrika oder Asien arbeiten. In Berlin können diese Daten via Unternehmenscloud geteilt werden. „Mit mobilem Arbeiten haben wir bereits viel Erfahrung gesammelt, denn in einem Forschungsverbund und in internationalen Kollaborationsnetzwerken ist das zwingend“, sagt Urban. Logisch, dass Wissenschaftler ihre Arbeitszeiten in der Regel nicht erfassen müssen, Verwaltungsmitarbeiter im Homeoffice schon. Außerdem müssen sie zu Kernzeiten für Besprechungen erreichbar sein. Die Effizienz leide nicht, sagt Urban. Im Gegenteil: „Wenn Forscher und Mitarbeiter an unterschiedlichen Orten unterwegs sind, müssen sie zwischendurch nicht ins Büro zurück, sondern können zeitsparend Zwischenzeiten mit mobiler Arbeit überbrücken“, erklärt Urban.
Wer Pflegebedürftige oder Kinder betreuen muss, kann vom Homeoffice aus arbeiten. Urban sieht in diesen Fällen allerdings Grenzen erreicht: „Ich halte es für eine Illusion, dass man Familie und Pflege allein mit Homeoffice gut mit der Arbeit in Einklang bringen kann.“ Homeoffice helfe, aber die Doppelbelastung verlange allen Beteiligten dennoch viel ab. Häufig bedeute es, dass abends weitergearbeitet werden muss, wenn die Kinder schlafen. Urban: „Das Leben wird durch das Homeoffice nicht einfacher und schöner. Wer sich darauf einlässt, muss schon tolerant und belastbar sein.“
Eine Erfahrung, die man auch bei der WISTA Management GmbH macht. Nach einer Ende vergangenen Jahres mit dem Betriebsrat geschlossenen Betriebsvereinbarung können Mitarbeiter auf Antrag bis zu 30 Tage im Jahr von wo aus auch immer arbeiten. Personalleiterin Bessie Fischer-Bohn berichtet von einer „Umgewöhnungsphase“. Denn nicht jeder Vorgesetzte und Mitarbeiter kann sich vorstellen, dass, wer keine Präsenz im Büro zeigt, auch tatsächlich produktiv ist. „Wichtig ist es, Vertrauen aufzubauen und in den Köpfen die Veränderung der Arbeitskultur anzustoßen“, sagt Fischer-Bohn. Daran wurde in Workshops gearbeitet. Bisher klappt der Kulturwandel gut. „Sicher, es bedarf mehr Abstimmung, Transparenz und Kontrolle, was schwieriger ist, als wenn man nebeneinander im Büro sitzt“, sagt die Personalerin, „doch wenn im Unternehmen ein Grundvertrauen herrscht, ist das kein Problem.“
Wie dann die Leistung gemessen wird, sei wiederum situationsabhängig und eine Frage der Absprache: ob mit kurzem täglichen Rapport, wöchentlichen Rücksprachen oder Statusmeldungen, welche Aufgaben erledigt sind. „Das alles erfordert andere Führungseigenschaften der Vorgesetzten“, betont Fischer-Bohn. „Sie müssen lernen, klarer und verbindlicher zu führen.“ Für die Personalverantwortliche ist mobiles Arbeiten nicht zuletzt ein wichtiger Punkt im Kampf um die besten Köpfe: „Das steigert die Attraktivität des Arbeitgebers, es gehört einfach zur modernen Arbeitswelt dazu.“
Von Chris Löwer für Adlershof Journal