Gemischte Bilanz für das Bachelor-Master-System
Für Naturwissenschaftler ist der Bachelor-Abschluss zum Berufseinstieg wenig geeignet
Vielleicht ist es ja mit dem Bachelor-Master-System wie beim Eiskunstlaufen: Nach der Pflicht kommt die Kür. Die Pflicht, die traditionellen Diplom- und Magisterabschlüsse durch das neue zweitstufige Studienprogramm zu ersetzen, hat die Berliner Humboldt-Universität zu Berlin (HU) weitgehend erfüllt.
Die Begeisterung über das neue System hält sich jedoch in Grenzen. So hoffen nun Studenten wie Timm Schwaar, Studienberater an der Fachschaft Chemie in Adlershof, auf die Kür. Beispielsweise könnten mit besserer Vorbereitung die Abbrecherquoten im Bachelorstudium verringert und mit flexibleren Studienplänen die Auslandssemester erleichtert werden. Gerade Letzteres war ein wichtiges Ziel der Bologna-Vereinbarung von 1999, um die Rahmenbedingungen für das Studium europaweit anzugleichen. Doch überraschenderweise ließ die Umstellung zunächst die Bereitschaft zum Auslandsstudium eher sinken. Die Studierenden stöhnten über vollgestopfte Lehrpläne und großen Zeitdruck, um in sechs Semestern den ersten berufsqualifizierenden Abschluss hinzukriegen. „Anfangs wollte sich fast jeder Lehrstuhl im Studienangebot präsentieren“, sagt Michael Kämper-van den Boogaart, HU-Vizepräsident für Studium und Internationales. Mittlerweile seien die Studienpläne aber flexibilisiert und das Auslandsstudium auf dem alten Stand. Es sei jetzt zudem leichter, internationale Studiengänge mit gemeinsamen Abschlüssen aufzubauen.
Vereinfachung gefordert
Vielleicht wären ähnliche Vereinbarungen auch zwischen deutschen Hochschulen sinnvoll, denn der Aufbau des Studiums aus Hauptfach und Nebenfächern ist doch recht unterschiedlich. Auch wegen der Vielfalt der Studiengänge kann es schwierig sein, das passende System herauszufinden. „Vereinfachung wäre gut für diejenigen, die die Studiengänge betreuen, und für die, die das Studium beginnen oder wechseln wollen“, sagt Frank Schneider vom Referat für Allgemeine Studienberatung, der in Adlershof spezielle Sprechstunden anbietet.
Freie Plätze bei MINT-Masterstudiengängen
Dabei wird es weniger um die Frage gehen, ob der Master angestrebt werden soll. Denn in Adlershof werden die MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) studiert, bei denen der Bachelor-Abschluss nicht als attraktive berufliche Qualifikation gilt. „80 Prozent der Chemiker promovieren, dafür ist sowieso der Master erforderlich“, sagt Timm Schwaar. Auch für die übrigen sei der Bachelor als Berufsabschluss kaum geeignet. „Da zieht man in der Industrie den Technischen Assistenten vor“, sagt der Fachschaftsvertreter. So ist der Bachelor-Abschluss nur eine zu nehmende Hürde für das Masterstudium. Plätze gibt es genug, denn in den MINT-Fächern mangelt es an Studierenden. Derzeit ist nur etwa die Hälfte der 60 Plätze im Chemie-Masterstudium besetzt.
Die Master- oder Bachelor-Studenten können sich auch für die Praxis trimmen lassen. „Wir machen gezielte Angebote“, sagt Rosmarie Schwartz-Jaroß, Leiterin des Career Centers. So können beispielsweise Naturwissenschaftler interkulturelle Kommunikation üben oder Geisteswissenschaftler betriebswirtschaftliches Denken kennenlernen. Die Nachfrage nach diesen Kursen sei so groß, sagt Schwartz-Jaroß, dass sie oft schon nach einem Tag ausgebucht seien. Spricht das nicht schon für eine gute Kür?
Von Paul Janositz für Adlershof Journal