Fremde befruchtet
Wie sich ausländische Mutterkultur in Adlershofer Standortfilialen niederschlägt
Der Wissenschaftsstandort ist ein Schmelztiegel der Nationen. Das macht sich auch an der Arbeitskultur bemerkbar, die lässiger, kreativer und familienfreundlicher als anderswo ist.
Der Kuchenkonsum bei der Qt Company ist merklich angestiegen und dürfte im Vergleich zu anderen Adlershofer Firmen überdurchschnittlich sein. „Persönliche Ereignisse werden bei uns in die Firma getragen. Eine strikte Trennung von Beruflichem und Privatem, wie man sie oft in deutschen Unternehmen antrifft, gibt es nicht“, berichtet Maurice Kalinowski, Senior Manager bei The Qt Company. Die Kollegen der Softwarefirma haben wie in einer großen Familie teil an Geburten, Hochzeiten, Jubeltagen.
Gemeinsames Erleben und starkes Miteinander
Daran macht sich der Einfluss des finnischen Mutterhauses Digia bemerkbar. Gemeinsames Erleben und ein starkes Miteinander zeichnen die skandinavische Arbeitskultur aus, die nach Adlershof importiert worden ist. Und natürlich der hohe Stellenwert der Familie. „Hier wird stark darauf geachtet, dass Familie und Beruf vereinbar sind“, sagt Kalinowski. So nehmen seine männlichen Kollegen im Schnitt vier bis sechs Monate Elternzeit, statt der üblichen zwei. „Ohne schlechtes Gewissen, schiefe Blicke in der Firma oder sonstige Probleme“, betont er. Dazu gehören auch flexible Arbeitszeiten. Wenn ein Entwickler um 11 Uhr seinen Monitor anschaltet, ist das völlig in Ordnung, denn entsprechend länger wird er abends im Büro bleiben. „Aber das ist in der Branche nicht unüblich“, merkt Kalinowski an. Gleichwohl schätzen die nordischen Kollegen etwas an den deutschen, was den Skandinaviern bei aller Flexibilität zuweilen etwas abgeht: Absprachen, Planung, Struktur.
Ordnung, gute Organisation und klare Regeln
Das ist es auch, was Alexander Laskin, Geschäftsführungsmitglied der AdlOptica GmbH, und seine meist russischen Kollegen wertschätzen. „Wir haben uns eher eine deutsche Arbeitskultur angeeignet als umgekehrt, weil die uns viel besser gefällt.“ Zwar wird in dem kleinen Unternehmen für Laseroptik meist Russisch oder Englisch gesprochen, gearbeitet wird aber deutsch. Laskin ist überzeugt: „Ordnung, gute Organisation und klare Regeln sparen nicht nur Zeit, sie sind auch wichtig, um eine Firma zu treiben.“ Er kann es kaum nachvollziehen, wenn hierzulande über eine wildwuchernde Bürokratie geschimpft wird: „Diese Leute wissen nicht, wie es zum Beispiel in Russland läuft. Da geht die Hälfte der Arbeitszeit für Papierkram drauf!“
Solche Probleme kennt Kalinowski nicht. Der Austausch zwischen Mutterfirma, Behörden und der Filiale in Adlershof funktioniert gut. Auf allen Ebenen. Um mit den Kollegen im Norden in Kontakt zu bleiben, sind Chatprogramme von unschätzbarem Vorteil, weiß Kalinowski. Regelmäßig werden aber auch Videokonferenzen anberaumt: „Es ist schon wichtig, sein Gegenüber zu sehen, was hilft, eine persönliche Bindung aufzubauen.“ Das gelingt noch besser bei gegenseitigen Meetings vor Ort. Abends kommt dann wieder das Private zu seinem Recht, indem das Team zusammen ausgeht oder sich einer skandinavisch-deutschen Leidenschaft widmet: dem Klettern. Was in Berlin auch indoor ganz gut klappt.
Stichwort Türen: Die Adlershofer Büros tragen Namen der Bundesländer Deutschlands. So sind die Wege von Bremen nach Bayern ziemlich kurz. Vor allem aber setzt Qt auf einen Lerneffekt in Sachen Ortskunde bei der bunt gewürfelten Mannschaft. Die 41 Mitarbeiter stammen aus Polen, Finnland, Albanien, Indien, UK, Norwegen, Niederlande, Ukraine und Deutschland.
Integration kein Problem
Derart bunt gemischt geht es auch bei der MGB Endoskopische Geräte GmbH zu: Unter den 35 Mitarbeitern der Firma mit koreanischem Mutterhaus finden sich welche aus Algerien, Burkina Faso, Russland, Polen, Iran und Irak. „Das spiegelt sich in unserer Arbeitskultur, die sehr offen ist. Integration ist und war bei uns nie ein Problem“, sagt Produktmanager Chung Young Kim, ein Koreaner, der in Deutschland aufgewachsen ist und, wie er sagt, eine „Brückenfunktion“ inne hat. Natürlich seien die Mentalitäten verschieden, Asiaten eher zurückhaltend und Europäer eher direkt, was für koreanische Gäste mitunter ein Schock sein könne. Doch das Miteinander klappt reibungslos. Dazu tragen gemeinsame Dinner am Rande von Fachmessen oder Workshops in Korea bei und dass jeder Mitarbeiter einen Counterpart im jeweils anderen Land hat. Neuerdings gibt es auch ein Organigramm mit den Fotos der jeweiligen Partner. Kim: „Ein Gesicht vor Augen zu haben ist immer besser als nur anonym zu mailen.“ Grundsätzlich gilt bei MGB: „Wir sind offen für jede Kultur und deren Belange“, sagt Kim.
Für Laskin ist es völlig egal, wo die Mitarbeiter herkommen. Er schätzt es, dass man gegenseitig voneinander lernt und eben auch Gepflogenheiten eines anderen Landes annimmt. Wie die: „Wir trinken bei Betriebsfeiern nicht Wodka, sondern lieber Bier.“
Von Chris Löwer für Adlershof Journal