Der Wissenschaftsunternehmer
Heinrich Follmann ist begeisterter Zweiradfahrer
Die Fahrt ins Büro führt auf den ersten Kilometern durch tiefen Wald. Heinrich Follmann war hier in den vergangenen Jahren fast Tag für Tag unterwegs, auf dem „Europaradweg R1“, der Calais mit St. Petersburg verbindet und in Berlins grünem Südosten zwischen Dämeritz- und Müggelsee verläuft. Vom Rahnsdorfer Ortsteil Hessenwinkel bis Köpenick, von dort weiter nach Adlershof, 20 Kilometer in 55 Minuten, im Sommer auf dem Rennrad, im Winter auf dem Tourenrad mit Spikereifen.
Im Zentrum für Bio- und Umwelttechnologie hat Follmann mit zwölf Mitarbeitern seit 2012 Branntkalk in Kalziumkarbonat umgewandelt, ein kristallines Pulver, das als Industrierohstoff unter anderem zur Papierherstellung gebraucht wird. Das zugrundeliegende Verfahren hatte er selbst entwickelt, indem er das zur Kristallisation benötigte Kohlendioxid aus Biogas gewann statt in herkömmlicher Weise aus Industrieabgasen. Eine „Kombination“ aus biologischen und chemischen Prozessen nennt Follmann seine Erfindung. Das Wort passt in gewissem Sinne auf das ganze Berufsleben des mittlerweile 73-Jährigen, in dem sich Wissenschaft und Unternehmertum verbinden.
Nach dem Studium der Mikrobiologie und Chemie in Münster, der Thermodynamik in München, der Promotion 1975 war der gebürtige Wilhelmshavener lange Zeit Mitgesellschafter und Geschäftsführer eines Bonner Unternehmens, das als Technologieanbieter für Gärungsprozesse auf dem Weltmarkt unterwegs ist. Vom Rhein zog es ihn 2004 nach Berlin, wo er seine eigene Firma HF Biotech Berlin gründete, zunächst in der Friedrichstraße, später mit Sitz in Adlershof. Eine Erinnerung aus den achtziger Jahren hatte Follmann an die Spree begleitet: „Wenn es möglich wäre, hier einen Wohnsitz zu haben, wäre das schön“, hatte er sich gedacht, als er bei einem Besuch im damaligen Ostberlin auf dem Gendarmenmarkt stand.
Die „Kulturstadt“ Berlin, die Vielfalt des Angebots in Theatern und Konzerthäusern, all das hatte seinen Reiz für jemanden, dessen Interessen mit dem Stichwort Biotechnologie bei weitem nicht erschöpfend beschrieben sind. Eine Leidenschaft Follmanns ist das Klavierspiel: „Ich wollte ursprünglich Pianist werden.“ Eine weitere, womöglich noch größere sind Motorradrennen. Etwa an zwanzig Tagen in jedem Sommer, schätzt er, sei er auf Rennstrecken in ganz Europa unterwegs. Motorrad fährt Follmann, seit er 19 ist, Rennen seit 15 Jahren. Als er damals bei einem BMW-Händler eine neue Maschine erstand, bekam er die Frage zu hören, ob er nicht einmal Lust habe, die 220 PS voll auszufahren, und erhielt die Adresse eines Veranstalters, der Wettbewerbe für „hoch motivierte Privatfahrer“ organisierte: „Da habe ich Blut geleckt und bin dabei geblieben.“ Die Saison beginnt im Frühjahr in Spanien und endet im Herbst in Tschechien, fünf mehrtägige Veranstaltungen mit bis zu 120 Teilnehmern. Follmanns Stärke sind Rennen im Regen, im Übrigen, meint er, liege er „leistungsmäßig im Mittelfeld“.
Zu Hause in Hessenwinkel stehen vier Motorräder, zwei für den Sport, zwei für den Alltag. Er nutzt sie sparsam. Für Fahrten ins Stadtzentrum besitzt Follmann eine Jahreskarte der BVG: „Dienstreisen mache ich gerne mit dem Zug, und nur, wenn es gar nicht anders geht, nehme ich das Auto.“
Für seine täglichen Fahrradtouren ins Büro freilich verbleibt Follmann nur noch eine überschaubare Frist. Die Firma ist auf Partnerunternehmen übertragen. Bis Anfang nächsten Jahres, meint er, werde er wohl noch in Adlershof zu tun haben. Und was dann? Motorrad fahren, sagt Follmann. Klavier spielen. Lesen.
Von Dr. Winfried Dolderer für Adlershof Journal