Der MIX macht’s
Quartiersgarage, Fahrradparkhaus, Mobilitäts-Hub – Ideen für ein Mobilitätskonzept in Adlershof
Der Technologiepark Adlershof bleibt auf Erfolgskurs und wächst. Die Kehrseite: Bereits jetzt zeigen sich infrastrukturelle Engpässe. Staus, Parkplatzmangel, ein ächzender ÖPNV. Was tun?
Dass es in Adlershof läuft, merkt man zu Stoßzeiten daran, dass man steht: im Stau, in überfüllten S-Bahnen, an der vollen Tram-Haltestelle. Der Erfolg des Standortes fordert seinen Tribut. Immer mehr Menschen strömen auf den Campus. 2030 sollen es 40.000 Mitarbeiter von Firmen und Instituten (aktuell: 20.000) sein. Hinzukommen Studierende und Anwohner – auch hier wird eine Verdopplung von rund 10.000 auf 20.000 Menschen erwartet. Schon jetzt werden infrastrukturell die Grenzen ausgelotet, was Pendler zu spüren bekommen. Kein schöner Befund: Die Beschäftigten empfinden die Verkehrssituation zunehmend als persönlich belastend. Das Gesundheitsnetzwerk Adlershof wird dazu im September repräsentative Umfrageergebnisse vorlegen, die nachdenklich stimmen.
Die WISTA packt das Thema an und hat in einem ersten Schritt beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) eine Vorstudie zur Mobilität samt Simulation des aktuellen sowie des zu erwartenden Verkehrsaufkommens bis 2030 am Standort beauftragt. Daraus soll ein Konzept für einen künftig flüssigeren Verkehr entwickelt werden.
Zwar nutzen laut DLR derzeit 40 Prozent den ÖPNV, um nach Adlershof zu gelangen, und 20 Prozent das Fahrrad (immerhin doppelt so viele wie im Berliner Durchschnitt), ein Drittel jedoch steigt ins Auto. Derzeit deutet nichts darauf, dass der Individualverkehr an Bedeutung verlieren wird, womit sich die Parkplatz- und Stausituation verschärfen wird. Während man zu schwachen Verkehrszeiten in fünf Minuten mit dem Auto durch den Campus gelangt, vergeht in Extremfällen schon jetzt für die knapp drei Kilometer lange Strecke bis zu einer halben Stunde. Vorhergesagt werden gar Spitzen von bis zu einer Stunde. „Allerdings wird dies in der Realität kaum so weit kommen, weil die Menschen nach Alternativen suchen werden“, sagt Prof. Peter Wagner vom DLR-Institut für Verkehrssystemtechnik. Für Wagner, selbst Radfahrer, der als solcher nicht unter Staus zu leiden hat, ist das Hauptproblem der motorisierte Individualverkehr. Sicher könnte man in einem ersten Schritt Ampelschaltungen optimieren, so Wagner, um die Situation kurzfristig etwas zu entschärfen. Doch damit wird es bei weitem nicht getan sein. Als sicher gilt den DLR-Forschern, dass sich die Verlustzeiten am Standort in den Spitzenstunden (7:00 – 8:00 und 17:00 – 18:00 Uhr) verdoppeln werden.
Zeit also für einen Umstieg. Lukas Becker, Projektleiter für das Thema Mobilität bei der WISTA, möchte aber keinen Autobann aussprechen. „Viele sind auf ein Fahrzeug angewiesen; wir können als Wirtschaftsstandort, der attraktiv bleiben möchte, nicht einfach alle Autos rauswerfen“, sagt er. „Wachstum ist unser Ziel! Die WISTA ist ein Instrument zur Innovations- und Wirtschaftsförderung“, betont er. „Wie soll Adlershof wachsen, wenn es keiner schafft, den Standort zu erreichen?“ Folglich müssten die verkehrlichen Herausforderungen angepackt werden. Natürlich gelte es, möglichst viele Menschen zum Umstieg auf das Fahrrad und den ÖPNV zu bewegen, der durch kürzere Taktzeiten des Schienenverkehrs, längere S-Bahnzüge und mehr Pünktlichkeit attraktiver werden müsse.
Forderungen, die Teil des Konzeptes „Mobilität Adlershof 2030“ sein dürften, das nun binnen der nächsten drei Jahre entwickelt wird. Becker berichtet von Planungen für erste Maßnahmen: „Denkbar ist eine durch die WISTA initiierte Quartiersgarage, in der auch eine Fahrradwerkstatt und eine Packstation untergebracht sein könnten.“ Zusätzlich wäre ein eigenes Fahrradparkhaus sinnvoll. Recht zügig umsetzbar wäre, das Alt-Adlershofer Sharing-Modell von Lastenfahrrädern auf dem Technologieparkgelände zu kopieren, um dort den Lieferverkehr zu verändern. Hilfreich sei auch ein „Mobilitäts-Hub“ am S-Bahnhof Adlershof, wo diverse Sharing-Anbieter ihre Fahrräder oder E-Scooter für die letzte Meile bereitstellen könnten.
Bei allem ist für Becker klar, dass das Mobilitätskonzept nur zu einem Erfolg werden kann, wenn von Anfang an alle Stakeholder – vom Senat über den ÖPNV bis zu Unternehmern am Standort – an einem Strang ziehen. Um die unterschiedlichen Ideen und Interessen unter einen Hut zu bekommen wäre es gut, wenn es einen „Mobilitätskoordinator und -moderator“ gäbe, regt Becker an. Außerdem sollen in das Zukunftsprojekt Forscher eingebunden werden. Becker: „Adlershof könnte zu einem Testfeld für neue Ideen werden, die auch an anderen Orten zur Verkehrswende beitragen.“
Von Chris Löwer für Adlershof Journal