Der Datenbeschleuniger
Stefan Meister produziert in Adlershof Chips für ein schnelleres Internet
Im Himmel des nigerianischen Yoruba-Volkes ist die Windgöttin Oya auch zuständig für Transformation. „Sie fegt hinweg alles Hergebrachte“, sagt Stefan Meister, der sein eigenes Wirken damit durchaus vergleichen könnte. Seit fast anderthalb Jahrzehnten arbeitet der promovierte Physiker an der Transformation digitaler Datenübermittlung.
Die afrikanische Gottheit inspirierte auch zum Namen der Firma, deren Vorstand er als Technischer Direktor angehört: Sicoya. Eine Wortkreation aus dem Stoff, aus dem ihre Produkte sind, und dem Zweck ihrer Geschäftstätigkeit: Silizium, Communication und Oya. Sicoya ist seit Anfang 2017 im Zentrum für Photonik und Optik in der Carl-Scheele-Straße ansässig.
Wie lässt sich ein rasant wachsendes Datenvolumen bewältigen, wenn sich die Leistungsfähigkeit von Computerchips etwa alle zwei Jahre verdoppelt, Kosten und Energieverbrauch aber gleich bleiben sollen? Das ist die Frage. Meisters Antwort lautet: „Siliziumphotonik ist der einzige Weg, das zu erreichen.“ Für den Einsatz in Datenzentren großer Internetkonzerne hat Sicoya den weltweit einzigen Chip entwickelt, der Elektronik und Optik vereint, also elektrische in Lichtimpulse umwandelt und umgekehrt.
Nach herkömmlicher Technik müssen dafür mehrere einzelne Komponenten auf eine Festplatte montiert werden. Der Sicoya-Chip integriert sie und bewältigt dabei ein Datenvolumen von 100 Gigabyte in der Sekunde. Zum Vergleich: Der Chip in einem herkömmlichen USB-Stick schafft drei Gigabyte.
Das Thema beschäftigt Meister seit 2007, als er, damals wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Technischen Universität Berlin, eine Gruppe motivierter Tüftler um sich sammelte: „Da waren wir bei null.“ Als Sicoya Anfang 2015 an den Start ging, zählte die Firma 15 Beschäftigte. Beim Umzug von Charlottenburg nach Adlershof waren es 35, mittlerweile sind es über hundert. Die Phase der reinen Produktentwicklung haben sie hinter sich. Seit dem vorigen Herbst „sind wir in der vollen Produktion“.
Der Hochgeschwindigkeitschip ist derzeit sicherlich Meisters wichtigstes Lebensprojekt. Das erste oder gar einzige ist er nicht. „Diplomingenieur für Gerätetechnik“ ist der heute 50-jährige gebürtige Ost-Berliner auch, und damit, wie er vermutet, weltweit wohl eine Rarität. Denn als er 1995 an der Fachhochschule für Wirtschaft und Technik in Karlshorst seinen Abschluss erwarb, wurde der erst fünf Jahre zuvor eingeführte Studiengang auch gleich wieder abgeschafft.
Meisters allerfrüheste Leidenschaft gehörte dem Segeln. Mit 14 wechselte er aus Potsdam, wo die Familie damals lebte, auf die Sportschule nach Berlin, trainierte auf dem Müggelsee. Mit seiner Mannschaft gewann er 1995 in Österreich den Weltmeistertitel, nahm fünf Jahre später an der Olympiade in Sydney teil. Heute geht es nicht mehr um Spitzensport. Nur noch um Leidenschaft: „Zwei Regatten habe ich letztes Jahr geschafft.
Von Winfried Dolderer für Adlershof Journal