Bäckers Treibstoff
Versuchsanstalt der Hefeindustrie untersucht, was unser Brot so lecker macht
Mehl, Zucker, Knetmaschine: Im Labor wird Teig gemacht. Der charakteristische Geruch verrät, welche Zutat nicht fehlen darf: Hefe. Dieses faszinierende Lebewesen steht im Fokus der Aktivitäten der Versuchsanstalt der Hefeindustrie e. V. (VH), die Anfang des Jahres von Moabit nach Adlershof umgezogen ist.
Hefe begleitet uns durch den Tag: vom Frühstücksbrötchen über die mittägliche Gemüsebrühe bis zum Feierabendbier. Sie wirkt als Backtriebmittel, Geschmacksverstärker oder Gärmittel. An der Adlershofer Versuchsanstalt widmen sich die acht Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Hefe zum Backen. Verbraucher kennen sie als eher unscheinbare, creme-beige Würfel oder zunehmend auch als Trockenhefe, die einfacher zu handhaben ist und sich als besonders lagerungsstabil bewährt hat.
Backhefe ist ein lebendiger Organismus. Ihr Name Saccharomyces bedeutet Zuckerpilz. Die winzigen Einzeller verdauen Zucker zu Alkohol und Kohlendioxid und sorgen so dafür, dass der Teig aufgeht und feinporiges Gebäck entsteht. Daneben spielen rund 80 verschiedene Substanzen, sogenannte sekundäre Hefemetabolite wie Alkohole, Esther, Aldehyde, eine wichtige Rolle für die Geschmacksbildung: „Das Geheimnis der Aromenfülle steckt in der Zeit, die man den Hefen zu deren Synthese gibt“, weiß Dr. Michael Quantz, der das Forschungslabor leitet.
„Als Verbandsinstitut bietet das Institut Hefeherstellern Qualitätskontrolle, Statistik, Prozess- und Produktentwicklung“, erläutert Dr. Quantz. „Und wir forschen auf diesen Gebieten – oft gemeinsam mit anderen Forschungseinrichtungen.“ Dabei nimmt das Institut eine Mittlerfunktion zu den Herstellern, Zulieferern und Instituten wahr. Die Industriekunden kommen aus aller Welt. Rund 40 internationale Mitglieder hat der Verband – Frankreich, Kanada, China und die Türkei gehören zu den größten Produzenten von Hefe. In Deutschland ist die Zahl der Produktionsstandorte seit den Vierzigerjahren von rund vierzig auf vier geschrumpft.
So reichhaltig die Aufgaben, so vielfältig sind die Labore, zum Beispiel für die Analyse der Hefezellenvitalität oder zur Untersuchung der mechanischen Eigenschaften des Teigs. Herzstück des Instituts ist die Pilot-Fermenter- und Technikumsanlage zur Hefeherstellung. „Hier können wir Prozesse, die bei den Unternehmen im Großen stattfinden, im kleinen Maßstab nachfahren, mit der dort üblichen Fermentersteuerungstechnik“, betont Quantz, „auch zu Schulungszwecken.“
Hefe entsteht in einem biotechnologischen Prozess. Zunächst werden aus wenigen Gramm einer Reinzuchtkolonie die Starterhefen immer weiter vervielfältigt, indem sie mit Nährlösung gefüttert werden. Als Hauptkohlenhydrate haben sich Melassen etabliert, teilentzuckerte Reststoffe aus der Zuckerproduktion. Der Schlüsselprozess findet in Versandhefefermentern statt, die bis zu 200 Kubikmeter fassen. In ihnen wird durch Zufluss von Melasse und Stickstoff sowie die Belüftung mit gefilterter Luft der Zuwachs an Hefebiomasse sehr genau geregelt, um die Bildung von viel Biomasse und wenig Alkohol zu erreichen. Nach 16 Stunden hat sich die Hefemasse etwa verachtfacht.
Sie wird dann von Melassereststoffen und Salzen gereinigt, anschließend entwässert, in Form gepresst und gegebenenfalls getrocknet. Absolute Reinheit ist oberstes Gebot. Das Institut übernimmt wichtige Aufgaben der Qualitätskontrolle, für Hefehersteller und Anwender aus der Bäckereibranche. Michael Quantz und sein Team analysieren die Zutaten für den Prozess sehr genau: Bei den Hefestämmen interessiert – je nach Verwendungszweck –, ob sie sich gut trocknen oder einfrieren lassen, ob sie Säure – für Sauerteig- oder Toastbrot – oder viel Zucker – für feine Backwaren – vertragen. „Die Qualität der Melasse ist die große Unbekannte. Je nach Zucker-, Reststoff- und Salzgehalt wird das weitere Verfahren angepasst. Dazu beraten wir die Hersteller“, erläutert der Chemieingenieur.
Bei alledem kommt ausgeklügelte Messtechnik zum Einsatz – etwa um den Ethanolgehalt zu bestimmen. Nasschemische Methoden werden dabei verstärkt durch spektroskopische, also optische Methoden ersetzt. „Unsere Pilotanlage testet solche Verfahren, die berührungslos und mit weniger Verbrauchsmitteln und Probenmasse funktionieren“, sagt Quantz. Auch an weiteren technischen Entwicklungen sei man beteiligt. Deshalb fühle man sich am Hightechstandort auch bestens aufgehoben: „Für uns ist Adlershof eine sehr gute Plattform, um Partner zu finden und Förderprojekte einzuwerben“, betont Quantz. „Es gibt in unserer Nachbarschaft rund um das Zentrum für Biotechnologie und Umwelt viele mittelgroße Firmen und Institute, mit denen wir kooperieren können.“
Von Dr. Uta Deffke für Adlershof Journal