Wie viel PR verträgt der Journalismus?
Anmerkungen zu einem heiklen Thema von Peter Strunk
Die Zeitungen stecken in der Krise. Das Anzeigengeschäft bricht ein, Leser springen ab, die Konkurrenz der Online-Medien wächst. Die Verlage sparen. Das Einfallstor der Public Relations (PR) in die Medienwelt stand noch nie so weit offen wie heute. Lässt sich die Trennung von redaktionellem Teil und Anzeigen noch aufrecht erhalten? Geschieht die Auswahl der Fakten nur noch vor dem Hintergrund ihrer kommerziellen Verwertbarkeit? Welche Folgen hat das für die Medien, für die PR?
Am 8. Februar 2010 wurde in Berlin Adlershof der renommierte "Medienpreis Mittelstand" verliehen. Aus diesem Anlass diskutierten Journalisten mit Vertretern von Werbe- und PR-Agenturen über „Wie viel PR verträgt der Journalismus?“ Ich hatte diese Diskussion angeregt, weil ich als PR-Manager mit dieser heiklen Thematik laufend konfrontiert bin und mit meiner Arbeit selbst dazu beitrage, dass PR in den Journalismus vordringt (was ich nicht einmal an dieser Stelle offen zugeben dürfte).
Ich beobachte die Krise der Medien mit äußerstem Unbehagen, denn ich brauche als PR-Manager eine kritische Medienöffentlichkeit, um glaubwürdig zu sein. Ich bin aber nicht nur PR-Manager, sondern auch Zeitungsleser. Wenn ich am nächsten Morgen mit Genugtuung lese, dass meine Pressemeldung im Wortlaut erschienen ist, habe ich allen Grund zur Freude. Zugleich beschleicht mich ein ungutes Gefühl: Ist das, was ich da sonst noch lese, PR oder Journalismus? Wenn das nicht mehr unterscheiden kann – was sind meine Information noch wert. Sie sind nichts mehr wert, weil ich ihnen als Zeitungsleser keinen Glauben mehr schenke.
Seitdem in Zeitungsverlagen die Controller das Sagen haben, läuft der Journalismus Gefahr, nur noch Mittel zum Zweck zu sein, nämlich Gewinne zu machen. Verlage müssen Rendite erwirtschaften. Damit waren sie in der Vergangenheit verwöhnt. Jetzt geizen die Anzeigenkunden mit Aufträgen, also wird dort gespart, wo es am meisten zu sparen gibt: an der Qualität des Journalismus. Wenn Rentabilität mit Profitabilität verwechselt wird, entfällt die Notwendigkeit der Trennung von redaktionellem Teil und Anzeigen. Die Auswahl der Fakten geschieht dann nur noch vor dem Hintergrund ihrer kommerziellen Verwertbarkeit. Damit verliert der Journalismus seine Kernfunktion, nämlich die unabhängige, auf Prüfung verschiedener Quellen beruhende Aufklärung. Wie aber will die Presse unter diesen Umständen ihre gesellschaftliche Aufgabe noch erfüllen, nämlich ein Stützpfeiler unserer Demokratie zu sein?
Die Deutsche Public-Relations-Gesellschaft hat hierzulande bis zu 50.000 Öffentlichkeitsarbeiter ermittelt. Ihnen stehen rund 50.000 hauptberufliche Journalisten gegenüber. In den USA soll schon über 50 Prozent der Berichterstattung in den Medien aus PR-Quellen stammen. Ich vermute, dass das auch bei uns der Fall sein dürfte. Das Einfallstor für die PR in die Medienwelt steht heute weit offen. Es bereitet keine großen Probleme mehr, bezahlte PR in den redaktionellen Teil einer Zeitung einzuschleusen. Nahezu alle Tageszeitungen haben ihre „Beilagen-„ oder „Sonderthemen“-Redaktionen. Die journalistischen Grauzonen weiten sich aus. Wir werden künftig statt Editorials „Advertorials“ lesen, Anzeigen, die den Anschein eines redaktionellen Beitrages erwecken.
Aufgabe der PR ist es, in der öffentlichen Meinung ein positives Bild des eigenen Unternehmens zu zeichnen. Unternehmen sind Teil unserer Gesellschaft und tragen zu deren Stabilität bei. Werbung kann das nicht leisten. Ein Unternehmen ist erst dann glaubwürdig, wenn es in seiner Glaubwürdigkeit vor der Öffentlichkeit bestehen kann. Und dafür braucht es einen unparteiischen Juror – nämlich eine unabhängige Presse. Als PR-Manager habe ich daher ein Interesse daran, dass meine Informationen von den Medien kritisch hinterfragt werden. Erst dann werden sie glaubwürdig. Die Rolle der PR ist in vielen Unternehmen und Einrichtungen aber unklar. Oft werden PR und Werbung gleichgesetzt, wird PR nur als ein Teil des Marketing-Mix gesehen. Vor allem mittelständische Unternehmer glauben, dass sie Bild ihres Unternehmens in der Öffentlichkeit nach Belieben steuern können. Und das Marketing sieht im redaktionellen Teil einer Zeitung nichts weiter als eine erweiterte Schaltfläche für Werbetexte. Pressemiteilungen sollen nicht informieren, sondern dienen dem Product Placement, das Kaufimpulse auslöst.
Wenn die die Kommerzialisierung der Medienwelt weiter voranschreitet, wird die PR Aufgaben des Journalismus übernehmen müssen, schon im eigenen Interesse. Tut sie es nicht, degenerieren die Medien zu Platzhaltern für Produktwerbung. Dann brauchen wir weder Journalismus noch PR, dann gibt es nur noch Werbung. Das aber kann nicht einmal im Interesse der Werbung selbst sein.
Dr. Peter Strunk
Bereichsleiter Kommunikation
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