"Runzelrücken" und Grabenbrüche
DLR-Marsaufnahmen zeigen Region Tempe Terra
Die Region Tempe Terra befindet sich am nordöstlichen Rand der Tharsis-Vulkanprovinz und bildet die Übergangszone vom südlichen Hochland zur nördlichen Tiefebene. Dieses Gebiet ist durch eine Vielzahl tektonischer Strukturen geprägt und gilt als eines der geologisch vielfältigsten auf dem Mars. In den Aufnahmen der vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) betriebenen hochauflösenden Stereokamera HRSC auf der ESA-Sonde Mars Express vom 17. Juli 2011 sind zahlreiche interessante geologische Phänomene zu sehen.
Nahe beieinander lassen sich hier die Spuren von unterschiedlichen Kräften beobachten. Diese haben sowohl zu einer Dehnung der Marskruste (Extension) geführt, als auch zu einer Stauchung der Kruste (Kompression) und damit zu so genannten "Runzelrücken" (engl. "wrinkle ridges"; Bildausschnitt 1 im Übersichtsbild). Markantestes Ergebnis der Extension ist ein geradlinig, nur an manchen Stellen durch einen Versatz unterbrochener und durch das gesamte Bild verlaufender Grabenbruch. Stellenweise verläuft dieser bis zu einem Kilometer breite Grabenbruch durch einen etwa 12 Kilometer großen Einschlagskrater und dessen Auswurfdecke; im Inneren des Kraters ist der Graben von jüngeren Ablagerungen bedeckt (Bildausschnitt 2).
Die Abbildungen zeigen einen Ausschnitt des während Orbit 9622 mit einer Auflösung von ca. 18 Metern pro Bildpunkt aufgenommenen HRSC-Bildstreifens bei 43 Grad nördlicher Breite und 304 Grad östlicher Länge.
Neben tektonischen Kräften gestaltete auch Wasser die Landschaft
Nördlich des Grabens im rechten Bilddrittel fällt das Gelände um mehr als 1000 Meter zur Tieflandebene hin ab. Hier ist die Landschaft durch zahlreiche ausgedehnte Talsysteme geprägt. Hangaufwärts sind einige kleinere verzweigte, teilweise durch Einschlagskrater bedeckte Täler zu erkennen (Bildausschnitt 3). Viele jüngere und in ihren Umrissen noch sehr gut erhaltene Krater in der Region südlich des Grabens zeigen in ihrem Inneren lobenförmige, konzentrische Strukturen, die durch das langsame Fließen eines plastischen Materials entstanden sind. Diese von den Geologen als "concentric crater fill" bezeichneten Geländeformen können auf dem Mars an vielen Stellen beobachtet werden, wie zum Beispiel in den Phlegra Montes, die im vergangenen Monat vorgestellt wurden.
Im linken oberen Teil des Bildes, im Südwesten, stechen Tafelberge oder Mesas hervor (Bildausschnitt 4). Sie zeigen die ursprüngliche Geländeoberkante des südlichen Marshochlandes an. Auffällig sind auch die deutlich strukturierten Auswurfdecken einiger Einschlagskrater. Diese überdecken zum Teil die älteren Fluss- und Grabenbruchsysteme und sind daher später als diese entstanden. Große und ältere Einschlagskrater (Bildausschnitt 5) wurden durch fließendes Wasser nahezu vollständig mit Sediment bedeckt oder durch Auswurfdecken gefüllt.
Tempe Terra wurde erstmals von dem griechischen Astronomen Eugenios Antoniadis (1870-1944, später durch sein Wirken in Frankreich Eugène Michel Antoniadi genannt) beschrieben. Durch seine Beobachtungen der Region Tempe Terra mit einem neuen, leistungsstarken Teleskop am Observatorium in Paris Meudon während einer Marsopposition im Jahre 1909 und detailliert 1930 beschrieben, widerlegte er die unter Astronomen kursierende These, die 1877 von dem Astronomen Giovanni Schiaparelli beobachteten "Canali" seien künstliche Wasserstraßen – Schiaparelli selbst hatte größte Zweifel an dieser Interpretation. Beiden Astronomen zu Ehren, die wichtige Beiträge zur Kartierung der Planeten leisteten, tragen Krater auf dem Mond, dem Mars und dem Merkur ihre Namen. Tempe Terra wurde nach einem Tal nördlich des Olymps in Thessalien (Griechenland) benannt, in dem der Mythologie nach Orpheus' Gattin Eurydike bei ihrer Flucht vor ihrem Peiniger Aristaios durch einen Schlangenbiss starb.
Die Farbansichten wurden aus dem senkrecht auf die Marsoberfläche gerichteten Nadirkanal und den Farbkanälen erstellt; die perspektivischen Schrägansichten wurden aus den Stereokanälen der HRSC berechnet. Das Anaglyphenbild, das bei Betrachtung mit einer Rot-Blau- oder Rot-Grün-Brille einen dreidimensionalen Eindruck der Landschaft vermittelt, wurde aus dem Nadirkanal und einem Stereokanal abgeleitet. Die schwarzweiße Darstellung beruht auf der Aufnahme mit dem Nadirkanal, der von allen Kanälen die höchste Auflösung bietet. Die in Regenbogenfarben kodierte Draufsicht beruht auf einem digitalen Geländemodell der Region, von dem sich die Topographie der Landschaft ableiten lässt. Die hier gezeigten Bildprodukte wurden in der Fachrichtung Planetologie und Fernerkundung, am Institut für Geologische Wissenschaften an der Freien Universität Berlin erstellt.
Das Kameraexperiment HRSC auf der Mission Mars Express der Europäischen Weltraumorganisation ESA wird vom Principal Investigator Prof. Dr. Gerhard Neukum (Freie Universität Berlin), der auch die technische Konzeption der hochauflösenden Stereokamera entworfen hatte, geleitet. Das Wissenschaftsteam besteht aus 40 Co-Investigatoren aus 33 Institutionen und zehn Nationen. Die Kamera wurde am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) unter der Leitung des Principal Investigators (PI) G. Neukum entwickelt und in Kooperation mit industriellen Partnern gebaut (EADS Astrium, Lewicki Microelectronic GmbH und Jena -Optronik GmbH). Sie wird vom DLR -Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof betrieben. Die systematische Prozessierung der Daten erfolgt am DLR. Die Darstellungen wurden vom Institut für Geologische Wissenschaften der FU Berlin erstellt.
Mehr Informationen und Bilder finden Sie im Webangebot des Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Kontakt:
Prof. Dr. Ralf Jaumann
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Institut für Planetenforschung, Planetengeologie
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Ulrich Köhler
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
DLR-Institut für Planetenforschung
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