Radioaktive Spürhunde
Diagnostika im Teilchenbeschleuniger mit der Stoppuhr produziert
Es besteht Fluchtgefahr. Die Radiochemiker der Eckert & Ziegler Euro-PET Berlin GmbH arbeiten daher mit der Stoppuhr in der Hand. Sie stellen Radiopharmaka zur Tumordiagnostik her. Noch haben die Gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland das Adlershofer Breitbanddiagnostikum nur für eine Tumorart in ihren Leistungskatalog aufgenommen, dennoch wird bereits rund um die Uhr produziert.
Es ist halb fünf Uhr morgens. Vor der Tür wartet bereits das Transportunternehmen, um eine eilige Fracht im abgeschirmten Transportbehälter zum Flughafen zu bringen. Es ist eine schwach strahlende Substanz. Mit dem Flugzeug geht es weiter nach Schweden. In exakt drei Stunden muss das für die Patienten eines schwedischen Nuklearmediziners präzise vorkalibrierte Radiopharmazeutikum vor Ort sein. Es handelt sich um den mit Fluor-18 radioaktiv markierten Zucker Fluordesoxyglukose (FDG). Ein radioaktiver Marker, der in der Positronen-Emissions-Tomographie (PET) verwendet wird, einem etablierten bildgebenden Verfahren für die Tumordiagnostik. Zur Untersuchung wird das FDG dem Patienten injiziert. Trifft es im Körper auf wachsende Krebsgeschwüre, dockt es dort an, da diese besonders viel Energie und damit Zucker benötigen. Durch Kombination von PET mit einer Computertomographie (CT) werden sowohl die Morphologie eines Körpers als auch der Stoffwechsel dargestellt, wodurch selbst kleinste Tumoren erkannt und anatomisch korrekt geortet werden können. Nicht nur für Krebs gilt: Je früher und sicherer die Diagnose, desto höher die Therapiechancen.
Produktion im Zwei-Stunden-Takt
Hergestellt wird das Radiopharmazeutikum im Zyklotron der Eckert & Ziegler Euro-PET Berlin GmbH, seit 2005 Tochter der Eckert & Ziegler Strahlen und Medizintechnik AG (EZAG). Der enge Zeitplan ist der geringen Halbwertszeit des Radiomarkers von knapp 110 Minuten geschuldet. „Ein optimierter Produktionsprozess mit Synthese dauert im Adlershofer Teilchenbeschleuniger nebst radiopharmazeutischem Labor zweieinhalb Stunden“, sagt Christoph Winkgen. Er verantwortet den Bereich Business Development bei der Eckert & Ziegler Radiopharmaka GmbH. Um pünktlich bei den Kunden zu sein, wird bei Euro-PET im Zwei-Stunden-Takt, auch nachts produziert.
PET/CT ist derzeit die weltweit modernste Methode für eine Lokalisierung von Tumoren. So verwundert es nicht, dass das Radiopharmazie-Geschäft boomt. Zwölf Millionen wird die EZAG 2008 damit umsetzen, Tendenz steigend. „Unser jüngster Geschäftsbereich ist auch der am schnellsten wachsende“, erzählt EZAG-Pressesprecher Thomas Scheuch. Allerdings beruhe das Umsatzplus nicht nur auf deutscher Kundschaft. Da PET/CT auch zu den teuersten bildgebenden Verfahren gehört, ist es hier im Gegensatz zur Praxis in anderen europäischen Staaten nur für das nicht kleinzellige Lungenkarzinom eine Leistung der Gesetzlichen Krankenversicherung. „Um die Adlershofer Anlage auszulasten, produzieren wir darum auch für Kunden in Polen und Schweden“, sagt Winkgen. Wegen des hohen Logistikaufwands erweitert die EZAG aber derzeit ihre Produktionskapazitäten: Zu den drei Zyklotronen in Adlershof, Köln/Bonn und Italien komme gerade ein weiteres in Schweden.
Nachweise für Prostatakarzinomen und Parkinson
Neben dem Breitband-Diagnostikum FDG werden bei Euro-PET Berlin auch neue Radiotracer erforscht. Gerade befinde sich das auf die Diagnose von Prostatakarzinomen spezialisierte Radiopharmazeutikum Fluorethylcholin im Zulassungsverfahren. Und auch für den Nachweis der Parkinsonschen Krankheit wollen die Radiochemiker ein neues Radiopharmakon entwickeln. Von Adlershof aus will man den Wettlauf gegen die Zeit gewinnen.