Ohne solide Basis steht keine Pyramide stabil
Prof. Dr. Jürgen Mlynek, Präsident der Humboldt-Universität zu Berlin, über Elitenbildung und Chancen für Adlershof
Adlershof Aktuell: Eliteuniversitäten und Elitenbildung sind derzeit in Deutschland kontrovers diskutierte Themen Wie positioniert sich die Humboldt-Universität in dieser Auseinandersetzung?
Mlynek: Die Debatte um Spitzenuniversitäten in Verbindung mit der Innovationsoffensive der Bundesregierung kommt nach meiner Meinung zum richtigen Zeitpunkt. Das Thema ist überfällig für eine Auseinandersetzung über die Bedeutung von Bildung, Wissenschaft und Forschung. Die Frage ist natürlich, was man unter Eliteuniversitäten verstehen will. Da gibt es ganz unterschiedliche Ansätze. Ich verstehe darunter leistungsstarke Universitäten, die versuchen, dem Exzellenzkriterium in Lehre und Forschung gerecht zu werden. In der Tat ist die Humboldt-Universität in den vergangenen Wochen immer wieder in diesem Zusammenhang genannt worden. Das freut uns. Wir gehören mittlerweile zu den forschungsstärksten Universitäten in Deutschland, aber wir sind eine von mehreren. Von daher gefällt mir auch der Gedanke des Wettbewerbs um zusätzliche Mittel für die Ausstattung einiger Universitäten. Wir werden uns diesem Wettbewerb stellen.
Adlershof Aktuell: Wir Deutschen suchen gern den Vergleich zu den USA. Machen wir jetzt nicht den Fehler, unsere gute und im Ausland geschätzte Breitenbildung zugunsten der Förderung einzelner Universitäten aufzugeben?
Mlynek: Die Diskussion erinnert mich an Kurt Tucholsky, der sagte: „Wenn die deutschen sonst nichts haben, Bedenken haben sie immer.“ Wir befinden uns zur Zeit in einer Phase gesellschaftlicher Umbrüche. Wichtig ist, diesen Umbruch nicht nur als Bedrohung zu empfinden, sondern auch als Chance, Dinge zu verändern. Daher ist die Diskussion über die Qualität unserer Schulen und unser gesamtes Wissenschaftssystem gut. Wir sind in der Breite gut, aber das bedeutet ja nicht, auf eine hervorragende Spitze verzichten zu müssen. Deshalb sollten auch die Mittel, die in die Spitze fließen, nicht der Basis entzogen werden. Eine Pyramide steht an der Spitze nur dann stabil, wenn sie eine solide Basis hat.
Adlershof Aktuell: Die Humboldt-Universität ist eine der tragenden Säulen des Wissenschafts- und Technologieparks Adlershof. Wie sehen Sie die Elitendiskussion auch vor dem Hintergrund der Rolle der HU-Berlin in Adlershof?
Mlynek: Ich habe immer gesagt, dass Adlershof für die Humboldt-Universität einerseits eine Herausforderung ist, aber auch eine große Chance darstellt. Dazu stehe ich umso mehr, nachdem jetzt fast alle naturwissenschaftlichen Institute in Adlershof angekommen sind und wir 7.000 Studierende hier haben. Ich beobachte, dass hier viele Initiativen entstehen, die auf Kooperation setzen zwischen allen Beteiligten am Standort: Universitäten, außeruniversitären Forschungseinrichtungen und Unternehmen.
Bei der vom Bundesforschungsministerium gegenwärtig geführten Diskussion zum Thema: „Deutschland sucht die Superuni“ ist ein Leitmotiv, die Forschung zurück an die Universitäten zu holen. Das bedeutet, dass gerade für uns am Adlershofer Campus die Zusammenarbeit mit den außeruniversitären Forschungseinrichtungen noch wichtiger wird. Ich werde diese intensiv durch gemeinsame Berufungen stärken, auch durch Absprache gemeinsamer Forschungsprofile und Projekte bis hin zu Zentrenbildungen. Auch die Unternehmen werden im Rahmen eines Innovationskonzepts am Standort Adlershof eine wichtige Rolle spielen. Letztlich wird ja angestrebt, über die Grundlagenforschung zu neuen Technologien und damit zu neuen Arbeitsplätzen zu kommen.
Adlershof Aktuell: Wie können Sie sich den Beitrag Adlershofs insgesamt als Forschungsstandort vorstellen?
Mlynek: Für die Außenwahrnehmung von Adlershof wäre es gut, wenn der Standort mit einer Stimme spricht. Natürlich werden die einzelnen Akteure, etwa die Humboldt-Universität, bei entsprechenden Anlässen mit eigener Stimme sprechen. Wichtig ist, dass man der Entwicklung in Adlershof jetzt etwas Zeit lässt, nachdem alle Akteure vor Ort sind, damit durch Gespräche und durch gemeinsame Projekte das Profil Adlershof geschärft werden kann. Entscheidend ist die Vernetzung.
Adlershof Aktuell: Wissenschaft als Impulsgeber für die Wirtschaft - Was muss Ihrer Meinung nach hier noch getan werden?
Mlynek: Wir müssen junge Leute, die Studierenden, die Doktoranden sensibilisieren für die Möglichkeiten, die Adlershof bietet:- nämlich über das rein Wissenschaftliche hinaus Qualifikationen zu erwerben, die wichtig sind im Hinblick auf wirtschaftliches und unternehmerisches Handeln. Adlershof könnte so auf einzigartige Weise seine Attraktivität für den nationalen und internationalen wissenschaftlichen Nachwuchs steigern.