Molekularer Blitzableiter schützt vor UV-Strahlen
Was passiert, wenn Sonnenlicht auf Biomoleküle trifft? MBI-Forscher klärt diese Frage und wird mit dem Carl-Ramsauer-Preis ausgezeichnet
Dr. Helmut Lippert wird mit dem Carl-Ramsauer-Preis 2005 der Physikalischen Gesellschaft zu Berlin ausgezeichnet. Er erhält den Preis für seine Dissertation, die er am Max-Born-Institut für Nichtlineare Optik und Kurzzeitspektroskopie (MBI) angefertigt hat. Die experimentelle Arbeit des Wissenschaftlers dokumentiert, was auf atomarer Ebene passieren kann, wenn Sonnenlicht auf biologische Moleküle trifft. Darauf aufbauend lassen sich erste Erklärungsansätze dafür finden, auf welche Weise die Energie der zerstörerischen UV-Strahlung im Gewebe abgeleitet (dissipiert) wird. Die Arbeit trägt den Titel „Ultrakurzzeitspektroskopie von isolierten und mikrosolvatisierten Biochromophoren“, Lippert wurde damit am Fachbereich Physik der Freien Universität Berlin mit der Note summa cum laude promoviert. Dr. Helmut Lippert arbeitet mittlerweile in der Entwicklungsabteilung der Carl-Zeiss-Jena GmbH.
Im Verlauf der Evolution haben Organismen sehr effektive Schutzmechanismen gegen das Sonnenlicht, vor allem gegen die UV-Strahlung entwickelt. Ohne solchen Schutz würde die ultraviolette Strahlung zur Schädigung des Erbguts oder zu Krebs führen.
Lange Zeit war nicht klar, wieso nahezu alle Farbstoffträger (griechisch: Chromophore) in der Natur auch unter dem täglichen UV-Bombardement der Sonne stabil bleiben. Der studierte Chemiker Helmut Lippert fand anhand einer Beispielsubstanz eine Erklärung. Er untersuchte in seiner Dissertation ganz bestimmte Farbstoffträger. Im Mittelpunkt stand das Molekül Indol. Als Chromophor der Aminosäure Tryptophan erlaubt es wesentliche Aussagen zum Verhalten der Aminosäuren, die zu den Grundbausteinen des Lebens gehören.
Lippert gelang es, die chemischen Reaktionen, die durch die UV-Strahlung hervorgerufen werden, im Indol und in verwandten Molekülgruppen („Cluster“) in ihrem zeitlichen Verlauf mit bislang nie erreichter Genauigkeit zu dokumentieren. Aufbauend auf theoretischen Vorarbeiten einer Münchener Gruppe, wies der Physikochemiker nach, dass die Bewegung eines einzelnen Wasserstoffatoms die aufgenommene Energie ultraschnell umwandelt. Durch diese Atom-Bewegung kommt es zu einer Umorientierung des gesamten Systems. Für kleine und große Indol(NH3)n-Cluster sowie für Indol(H2O)n- Cluster konnten alle Einzelschritte im Detail analysiert und mit Hilfe weiterer Rechnungen von anderen MBI-Wissenschaftlern erklärt werden. Nicht zuletzt dank Lipperts Studie zeigte es sich, dass eine bestimmte funktionelle Gruppe im Molekül entscheidend zur Widerstandskraft gegen UV-Strahlung, also zur Photostabilität beiträgt. Diese Erkenntnisse lassen sich auch auf andere Biomoleküle und zum Teil sogar auf die Basenpaare des Erbgutmoleküls DNA übertragen.
In seinen Experimente nutzte Helmut Lippert Methoden der Ultrakurzzeitspektroskopie. Dabei schießen Wissenschaftler exakt aufeinander abgestimmte Laserstrahlen auf Proben und messen deren Veränderungen in unvorstellbar kurzen Zeiträumen von Piko- und Femtosekunden. Eine Pikosekunde ist der billionste Teil einer Sekunde („zehn hoch minus zwölf“), eine Femtosekunde ist noch tausendmal kürzer. Zum Vergleich: Von der Erde bis zum Mond sind es rund 380.000 Kilometer. Dafür braucht ein Lichtstrahl wenig mehr als eine Sekunde. In 15 Pikosekunden ist der Lichtstrahl gerade mal einen halben Zentimeter weit gekommen.
Prof. Ingolf Hertel, Direktor am MBI und Leiter des Bereichs, an dem die Arbeit angefertigt wurde, lobt: „Die Auswerteverfahren der Messdaten entwickelte Lippert grundsätzlich neu, sodass die umfangreichen Versuchsreihen einer systematischen und vollständigen Analyse unterzogen werden konnten.“ Hertel urteilt: „Insgesamt stellt diese Arbeit einen Meilenstein in der Kurzzeitspektroskopie biologisch relevanter Moleküle in der Gasphase dar. Auch am Ende der Arbeit von Herr Lippert gibt es weniger als eine Handvoll von Arbeitsgruppen in der Welt, die dieses Thema kompetent bearbeiten. Die Beiträge, die Herr Lippert zur Entwicklung dieses Gebietes geleistet hat, sind international anerkannt und hoch geachtet.“
Der MBI-Direktor fügt hinzu: „Der Fall Lippert zeigt auch, wie der Transfer von Know-how über Köpfe in die Industrie funktioniert.“ Lippert ist bei der Carl-Zeiss-Jena GmbH unter anderem an Projekten zur konfokalen Laser-Scanning-Mikroskopie beteiligt. Hertel: „Herr Lippert kam von der reinen Grundlagenforschung, jetzt ist er mit Volldampf in die optische Industrie.“
Der Ramsauer-Preis wird jährlich an vier Physiker aus Berlin und Potsdam vergeben. Mit dieser Auszeichnung ehrt die Physikalische Gesellschaft Berlin seit 1988 herausragende Dissertationen. Erst vor zwei Jahren waren zwei Wissenschaftler aus dem Forschungsverbund Berlin, zu dem das MBI gehört, mit dem Carl-Ramsauer-Preis ausgezeichnet worden. Einer davon hatte seine Arbeit ebenfalls am MBI angefertigt.
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unter dem Stichwort „Preise“
Forschungsverbund Berlin e.V.
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