Lokomotiven als Übungsstücke
In der neuen Ausbildungswerkstatt der Deutschen Bahn (DB) werden 500 Auszubildende fit gemacht
Die neue dreistöckige Ausbildungswerkstatt in Johannisthal ist lichtdurchflutet und bietet Platz für mehr als 500 Azubis. Auf dem Gelände des S-Bahn-Werkes Schöneweide waren die Räume zu klein geworden, ein Umbau war nicht möglich. Nur einen Kilometer entfernt, konnten die ersten Auszubildenden im September 2023 in das frisch ausgebaute, gemietete Gebäude einziehen, berichtet Silke Klein-Jente, seit 2010 Leiterin der Ausbildungswerkstatt von DB Training.
Die staatlich geprüfte Technikerin führt auf drei Etagen durch sechs große, helle Räume, an deren Werkbänken Auzubildende fleißig Sensoren prüfen, Platinen bearbeiten, feilen, bohren, fräsen oder löten. „Ich fertige hier ein Modul an, mit dem an einer E-Gitarre die Töne reguliert werden können“, erklärt Niklas Gohlke. „Es geht darum, ein Verständnis für elektrische Regularien zu bekommen“, sagt er auf die Frage, was Gitarren mit der Deutschen Bahn zu tun hätten. Das Handwerkliche habe ihn schon immer interessiert, und da er in seiner Heimatstadt Cottbus keine spezielle Stelle bekommen konnte, bewarb er sich bei der Deutschen Bahn und ist nun im dritten Jahr der Ausbildung zum Elektroniker für Gerätesysteme. Nach erfolgreichem Abschluss in zwei Jahren will Gohlke weiter bei der Bahn bleiben und zwar in Cottbus, wo bis 2026 ein neues DB-Instandhaltungswerk fertiggestellt sein soll.
„Wir haben jetzt alle Ausbildungsplätze belegt“, sagt Klein-Jente. Es werde aber immer schwieriger, alle Plätze zu füllen. Ausgebildet wird unter anderem in Mechatronik, Industriemechanik, Elektronik für Geräte und Systeme oder Automatisierungstechnik. Zum Einsatz kommen auch digitale Lernformen etwa mit Virtual-Reality-Brillen. Für die Einstellung der Azubis sind Bahn-Unternehmen wie S-Bahn, DB-Fernverkehr oder DB-Energie zuständig, aber auch externe Firmen wie Schindler oder DHL können das Angebot nutzen. Während ihrer dreieinhalbjährigen betrieblichen Ausbildungszeit werden die Azubis insgesamt 46 Wochen im DB-Trainingscenter geschult. „Dafür sind bei uns etwa 25 Lernbegleiterinnen und -begleiter zuständig, die in ihrem Betrieb schon einige Jahre Arbeitserfahrung gesammelt haben und von uns noch zusätzliche pädagogische Qualifizierungen bekommen“, betont Klein-Jente. Auch fachliche Weiterbildung, etwa beim Programmieren oder Bedienen von Maschinen werde angeboten. Wichtig sei auch „ein Feeling für junge Menschen“, das neben der betrieblichen Erfahrung durchaus auch als Trainer im Sportverein erworben werden könne.
„Ich habe Spaß daran, junge Menschen ausbilden zu können. Für mich ist das kein Beruf sondern eine Berufung“, sagt ein Lernbegleiter für den Bereich „Elektronik für Geräte und Systeme“. Das neue modern ausgestattete Gebäude sei „ein Meilenstein und erfülle mit seinen großen übersichtlichen Bereichen alle Wünsche von uns Kollegen“. Seit etwa 10 Jahren ist der gelernte Nutzfahrzeug-Mechatroniker dabei, Azubis für die Grundlagen in Messtechnik fit zu machen. Darunter seien etwa 10-15 Prozent weibliche Auszubildende.
„Ich war schon immer an Technik interessiert“, sagt Jane Reich, die gerade übt, Leitungen zu verlegen. Schon in der Schule habe sie programmiert und anschließend ein technisches Jahr für Frauen gemacht. Danach suchte sie einen beruflichen Bereich, in dem sich Programmieren und logisches Denken mit konkreter Anwendung verbinden lassen. Reich, in Kleinmachnow aufgewachsen und derzeit in Berlin wohnend, bewarb sich bei mehreren Firmen und wählte dann die Deutsche Bahn für die Ausbildung im Bereich Automatisierungstechnik. „Ich wollte eine geregelte Ausbildung, bei der ich weiß, was und warum ich es mache.“ Das sei bei der DB erfüllt: „Eine klare Struktur. Ich weiß schon Wochen voraus, was ich zu tun habe.“
Letzte Woche war Löten dran, das konnte sie schon ein wenig, fand es aber etwas besser als die jetzige Aufgabe, Leitungen abzumanteln und dann richtig zu verdrahten. „Das ist viel Handwerk, aber es ist auch interessant und neu für mich.“ Ebenfalls anregend findet sie den Wechsel zwischen Betrieb, Ausbildungswerkstatt und Berufsschule.
Im letzten Raum des Rundgangs, der Metallbereich mit Fräs- und Bohrmaschinen, leuchten auch dem technisch nicht so versierten Laien die Augen. Auf dem Tisch liegen kleine und große Metall-Lokomotiven, die an die Kinderzeit erinnern, als Spielzeug-Loks und kleine Eisenbahnwagen im Kreis fuhren. „Wir haben hier 28 Schraubstöcke und 12 Fräsmaschinen und Drehmaschinen“, sagt Lernbegleiter Frank Schumacher. „Damit bilden wir manuell und maschinell die Grundlagen für die Ausbildung im Metallbereich.“ Es werden Übungsstücke gefertigt, Klötze mit festgelegten Maßen oder auch Projekte, die mehrere Wochen beanspruchen, etwa die Lokomotiven. „Manche behalten wir als Ausstellungsstücke, um zu zeigen, was hier die Azubis so alles fertigen können.“
Dr. Paul Janositz für Adlershof Journal