HU-Psychologen empfehlen: Stützräder besser abschrauben
Gehirn ruft komplexe Arm- und Beinbewegungen als Gesamtpaket aus dem Gedächtnis ab
Wenn Kinder Fahrrad fahren lernen, fangen sie oft mit Stützrädern an. Doch wie lange sollen diese dran bleiben? Lieber nur kurz. Sonst lernen sie es nicht so schnell. Warum das so ist, haben jetzt Wissenschaftler der Humboldt-Universität bewiesen.
Jeder weiß aus eigener Erfahrung, etwa beim Skifahren: Komplexe Bewegungsabläufe sollten möglichst früh als Gesamtpaket geübt werden. Einzelne Prozesse dürfen nicht zu spät zusammengefügt werden.
„Wir haben in unseren Experimenten festgestellt, dass die trainierten Reaktionen von verschiedenen, komplexen Arm- und Beinbewegungen vom Gehirn als Gesamtpaket abgerufen werden und nicht als einzelne Teilhandlungen verarbeitet werden“, berichtet Dr. Tilo Strobach, wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Arbeitsgruppe Allgemeine Psychologie von Prof. Dr. Torsten Schubert. „Wir haben allerdings auch festgestellt, dass solche Pakete wenig auf neue und untrainierte Situationen übertragbar sind, sondern spezifisch für einzelne Situationen gelernt werden müssen.“
Wer Tennisspielern, Eiskunstläufern oder Biathleten in Wettkämpfen zusieht, weiß, dass die Koordination von Arm- und Beinbewegungen bis ins kleinste Detail stimmen muss. Wie sich Menschen diese Fähigkeiten aneignen beziehungsweise in komplexen Situationen abrufen, hat die Forscher des Instituts für Psychologie an der Humboldt-Universität zu Berlin interessiert.
Das psychologische Lernexperiment wurde folgendermaßen durchgeführt: Die Versuchspersonen mussten erst einmal eine Liste von Farbwörtern lernen und dann mit Finger- und sprachlichen Gedächtnisaufgaben darauf reagieren. Während für die Hälfte der Farbwörter beide Aufgaben gleichzeitig eingesetzt wurden, wurden für die andere Hälfte beide Aufgaben nur getrennt voneinander geübt. „In einem abschließenden Test, in dem beide Gedächtnisaufgaben gleichzeitig gefordert waren, hat sich gezeigt, dass Personen die beiden Aufgaben für simultan geübte Farbwörter schnell und effizient ausführten, wohingegen getrennt geübte Farbwörter eher langsam und ineffizient ausgeführt wurden.“
Das mag enttäuschend sein für alle, die gern in kleinen Schritten lernen. Aber es zeigt, dass das Gehirn eine effiziente Vorgehensweise sucht: „Mehrere Aktivitäten werden in einem Schritt schneller abgearbeitet“, erklärt Strobach, der die Experimente zusammen mit Timothy Rickard an der University of California durchgeführt hat. Für den Sportler heißt das allerdings, dass er möglichst viele komplexe Situationen im Vorfeld trainieren muss, damit sie vom Gehirn in späteren Situationen effizient abgerufen werden können.
Weitere Informationen
http://link.springer.com/article/10.3758/s13421-013-0382-x
Originalveröffentlichung
T. Strobach, T. Schubert, H. Pashler, T. Rickard: Memory and Cognition, The specificity of learned parallelism in dual-memory retrieval
Kontakt
Tilo Strobach
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Ibou Diop
Presse und Öffentlichkeitsarbeit
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