Die Lichtwellen-Forscherin
Zsuzsanna Heiner, Physikerin an der HU-Graduiertenschule SALSA, versetzt Moleküle mit Laserbeschuss in Schwingungen
Es kommt vor, dass sie bis Mitternacht bleibt. Wenn eine Idee sie gepackt hat, ein Problem sich hartnäckig der Lösung verweigert. „Nicht morgen – jetzt!“, sagt sie sich dann, und so ist der flachgedeckte Laborbau im Innenhof der School of Analytical Sciences Adlershof (SALSA) an der Humboldt-Universität zu Berlin derzeit der Ort, wo Zsuzsanna Heiner einen Großteil ihres Lebens verbringt. „Für mich ist es ein großes Glück, so arbeiten zu können“, sagt sie.
Im heimischen Sopron am Neusiedler See im Westen Ungarns hatte sie das Glück, auf eine Physiklehrerin zu treffen, die junge Menschen für ihr Fach zu begeistern verstand. Sie ließ ihre Schüler experimentieren, zog mit ihnen ins Freie, um in Sommernächten den Sternenhimmel und Meteoriten zu beobachten. Wie wäre es mit Zsuzsanna Heiner ohne diesen Unterricht weitergegangen? In der neunten Klasse hatte sie noch einen Doktortitel in Medizin für erstrebenswert gehalten. Daraus wurde dann nichts.
Dafür trägt draußen im Weltall mittlerweile ein Asteroid den Namen dieser Physiklehrerin. Denn als die Schülerin an der Universität in Szeged zu studieren begann, war Astronomie ihre erste Leidenschaft. Die Masterarbeit befasste sich, grob gesagt, mit der Frage, was geschieht, wenn zwei Sonnen unterschiedlicher Größe einander im Universum zu nahe kommen. Ein Nebenprodukt dieser Forschung war die Entdeckung von 13 bis dahin unbekannten Kleinstplaneten, die sich im Raum zwischen Mars und Jupiter bewegen. Heiner benannte sie nach ungarischen Astronomen – und ihrer Mentorin aus der Schulzeit.
Später verschob sich ihr wissenschaftliches Interesse – von der denkbar größten in die denkbar kleinste Dimension. „Wie trifft das Licht mit Molekülen verschiedener Materialien zusammen, und was können wir davon wissen“, lautet die Frage, die sie bis heute fasziniert. Die Antwort, wiederum grob gesagt, lautet: Trifft Laserlicht auf ein Molekül, geraten seine Atome in periodische Bewegung, das Molekül beginnt zu schwingen. Die Art, in der das geschieht, ermöglicht Einsichten in die spezifischen Eigenschaften des Moleküls.
„Schwingungsspektroskopie“ heißt das Verfahren, mit dessen Hilfe sich Struktur und Lage von Molekülen exakt darstellen lassen. In Adlershof hat Heiner eine spezielle Lasertechnik entwickelt, die es ermöglicht, bereits in Sekundenschnelle ein Bild zu gewinnen, was zuvor bis zu einer halben Stunde in Anspruch nehmen konnte. Seit Oktober 2013 forscht die heute 40-Jährige hier, zunächst am Institut für Chemie und derzeit an der SALSA.
Mit ihrem Mann – ebenfalls Physiker, ebenfalls in Adlershof tätig – und zwei Töchtern fühlt sie sich mittlerweile in Köpenick zu Hause. Es gibt Gewässer, die an den Balaton erinnern. Nachbarn, die Ungarn von vielen Urlaubsreisen kennen. Ihre Laufrunden führen gelegentlich über zwölf Kilometer. Radtouren bis in die Schlösser- und Parklandschaft Potsdams. Im Grunde kann sie mit dem Konzept der Trennung von Freizeit und Berufsleben freilich nicht viel anfangen: „Physik, Chemie und Astronomie sind auch meine Hobbys und von daher habe ich meine Hobbys zu meinem Beruf gemacht.“
Von Winfried Dolderer für Adlershof Journal