Der Kontrabassist
Ein einsamer, introvertierter Stubenhocker – mit dem Musiker in Patrick Süskinds „Kontrabass“ hat Ulrich Scheidereiter bis auf das Instrument so gar nichts gemein. Die Musik ist für den agilen Wissenschaftler im Institut für Psychologie, der auch leidenschaftlich segelt, kein Broterwerb, aber sie durchzieht sein Leben wie ein roter Faden. Mit der cappella academica, dem Sinfonieorchester der Humboldt-Universität (HU), steht er zu den Weihnachtskonzerten wieder im Rampenlicht.
Ulrich Scheidereiters berufliche Familie sind die Psychologen an der HU. Unmittelbar nach dem Mathematikstudium wechselte er dorthin, lehrt psychologische Diagnostik und leitet die Testbibliothek des Instituts in Adlershof. Unter anderem hat er an einem Sprachfähigkeitstest für Kindergartenkinder mitgearbeitet, der seit einigen Jahren in Brandenburg flächendeckend eingesetzt wird.
Nach Dienstschluss gilt seine Leidenschaft der Klangwelt. Als Kontrabassist und Vorstandsvorsitzender der cappella academica. Schon als Kind habe ihn Orchestermusik fasziniert. Groß geworden ist er allerdings mit dem Klavierspiel. Doch das wird im Orchester eher selten gebraucht. So entschied er sich 1966 als junger HU-Student nach einem kurzen Intermezzo als Kesselpauker für den Kontrabass. Wohl auch, weil an Kontrabassisten immer ein gewisser Mangel herrsche, wie er verschmitzt erklärt.
Die cappella academica sei eine große Familie: Generationenübergreifend mit 70 Mitgliedern zwischen 18 und 80 Jahren, darunter Studenten und Professoren, Ärzte, Naturwissenschaftler, Lehrer, Rechtsanwälte, Philologen und Betriebswirte. Auch Scheidereiters Frau war mit im Team, als Violinistin Ende der 1960er- und Anfang der 1970er-Jahre. Zu den Proben fährt Scheidereiter dienstags ins Audimax der HU nach Mitte. Vom Adlershofer Unicampus ist auch Konzertmeister Sebastian Wuttke dabei, der sich nicht zwischen Mathematik- und Physikstudium entscheiden kann und momentan beide Fächer in seiner Diplomarbeit kombiniert. Dirigentin der cappella academica ist Kristiina Poska. Sie kommt, wie ihre Vorgängerin, die inzwischen international mehrfach preisgekrönte Koreanerin Shi-Yeon Sung, von der Musikhochschule Hanns Eisler. Und dank eines Patenschaftsvertrags mit dem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin mangelt es auch nicht an professioneller Unterstützung bei Probenarbeit und Konzerten.
Mehr als drei Konzertprogramme jährlich seien für das Laienorchester nicht schaffbar. Dazu gehört die beliebte Wintermatinee Mitte Januar im Berliner Konzerthaus. Lampenfieber und Gänsehaut hat Scheidereiter vor jedem Konzert. Aber dieses Gefühl „auf der Bühne zu stehen“ entschädige für die Disziplin und den Fleiß, den man als Musiker aufbringen muss. Zum Stichwort Konzerthöhepunkte fallen ihm spontan der Auftritt beim Choriner Musiksommer 2008 oder die „Technik in der Musik“-Aufführung zur „Langen Nacht der Wissenschaften“ 2005 ein. Auch im Sommer 2010 zum 200. Geburtstag der Humboldt-Universität widmet die cappella der HU ein thematisches Konzert. Das Programm stehe noch nicht fest. Scheidereiter verrät aber schon mal, dass es von der Wissenschaft angeregte Kompositionen geben wird. Vielleicht sei ein Stück von Friedrich Wilhelm Herschel, der nicht nur Komponist, sondern auch Astronom war, dabei. Gegenwärtig wird aber erst mal für die Weihnachtskonzerte in Berlin am 5. Dezember in der Kirche zum Heiligen Kreuz und am 6. Dezember in der Kirche St. Ludwig geprobt.