Das Ende einer Ära
DLR-Chef Prof. Johann-Dietrich Wörner im Gespräch über die Einstellung des Space Shuttle Betriebs
Die Atlantis, war das letzte Space Shuttle im All und ist nun zur Erde zurückgekehrt: Die Raumfähre dockte am Dienstag, 19. Juli 2011, um 8.28 Uhr Mitteleuropäischer Sommerzeit (MESZ) von der Internationalen Raumstation ISS ab und ist am Donnerstag, 21. Juli 2011 auf dem Weltraumbahnhof der NASA in Cape Canaveral in Florida problemlos gelandet. Dies ist das Ende der 13-tägigen Mission STS-135 und zugleich auch das Ende der 30 Jahre dauernden Ära der US-amerikanischen Space Shuttle. Im Interview erläutert der DLR-Vorstandsvorsitzende Prof. Johann-Dietrich Wörner, wie es nach dieser Zäsur in der bemannten Raumfahrt weitergehen kann.
Mit der Landung des Space Shuttle Atlantis am 21. Juli 2011 in Cape Canaveral endet nach 30 Jahren eine Ära. Wie sieht nach dieser Zäsur die nähere Zukunft der deutschen und internationalen bemannten Raumfahrt aus?
Die Raumfahrt ist mittlerweile aus der Situation des "Machtbeweises" des Kalten Krieges herausgewachsen und zur alltäglichen Infrastruktur geworden, und somit für jeden bei Themen wie Wetter- und Klimabeobachtung, Navigation und Kommunikation unmittelbar sichtbar. Auch in der bemannten Raumfahrt haben wir diese Situation, in der unter den Bedingungen der Schwerelosigkeit und ohne die schützende Hülle der Atmosphäre Experimente, zum Beispiel zur biologischen Wirkung, durchgeführt werden können. Astronautische wie robotische Raumfahrt sind aber auch Teil des Strebens der Menschheit nach Erkenntnisgewinn und Erforschung unbekannter Welten.
Können die russischen Sojus-Raketen, die ja jetzt zunächst als einziges Transportmittel die Astronauten zur Internationalen Raumstation befördern, die Shuttle ersetzen? Welche besonderen Herausforderungen ergeben sich daraus für die nächsten bemannten Missionen?
Sojus und Shuttle haben sich als zuverlässige Transportmittel für Kosmonauten und Astronauten in den letzten Jahrzehnten bewährt. Das Shuttle war darüber hinaus in der Lage, auch größere Lasten in die Umlaufbahn und zurück zu bringen; eine Eigenschaft, die uns in den nächsten Jahren fehlen wird. Die vor einiger Zeit deshalb formulierte Idee, das ATV entsprechend weiterzuentwickeln, ist leider infolge der finanziellen Vorgaben der Mitgliedsstaaten der Europäischen Weltraumorganisation ESA nicht kurzfristig umsetzbar. Wir werden nun gespannt abwarten, was die amerikanische Initiative zum kommerziellen Raumtransport, das "Commercial Crew Development"-Programm (CCDev2), erreichen kann. Ziel dieses Programms ist es, nach dem letzten Shuttle-Flug so schnell wie möglich wieder eigene Transportkapazitäten für bemannte Weltraumflüge zur Verfügung zu stellen.
Die Raumfahrtstrategie der Bundesregierung stellt vor allem den Nutzen der Raumfahrt für die Menschen auf der Erde in den Vordergrund. Doch wie können bemannte Missionen diese Forderung trotz eingeschränkterer Transportkapazitäten erfüllen? Welche Rolle spielen dann z. B. Experimente in Schwerelosigkeit mit Beteiligung von Astronauten?
Die Experimente in der Schwerelosigkeit mit Beteiligung von Astronauten gehen mit Sicherheit weiter. Die Randbedingungen dafür fallen nicht auf die "Vor-Shuttle-Zeit" zurück. Es stehen neben der ISS die Transportmittel ATV und HTV zur Verfügung und die globale Vernetzung der Raumfahrt bietet zusätzliche Möglichkeiten. Aber das Problem der Rückführung von Geräten, Experimenten und Proben muss zeitnah gelöst werden.
Stichwort Internationale Kooperation: Gibt es beispielsweise ernsthafte Pläne, das europäische Automated Transfer Vehicle (ATV), an dem Deutschland einen großen Anteil hat, für den Transport der Astronauten einzusetzen?
Das ATV wird für die bemannte Raumfahrt eingesetzt: Es transportiert Lebensmittel und andere Güter für die Astronauten und dockt automatisch an die Internationale Raumstation an. Damit erfüllt es wesentliche Aufgaben für die bemannte Raumfahrt und berücksichtigt die besonderen Sicherheitsanforderungen. Allerdings ist es kein Transportmittel für Menschen. Hier wird sich zeigen, ob die Kooperation, insbesondere zwischen den USA und Europa, zu neuen Konfigurationen in der Verbindung von europäischen und amerikanischen Technologien und Erfahrungen unter Berücksichtigung der finanziellen Möglichkeiten realisiert werden können. Genug Ideen gibt es.
Wie sehen Sie die Privatisierung und Kommerzialisierung der Raumfahrt? Welches Engagement der privaten Industrie halten Sie für sinnvoll?
Privatisierung und Kommerzialisierung sind zwei unterschiedliche Aspekte. Im Bereich der Kommunikation sind bereits private Unternehmen erfolgreich unterwegs und investieren im All nach ähnlichen Mustern wie auf der Erde. Bei der bemannten Raumfahrt gibt es Firmen, die den Weltraumtourismus als Geschäftsmodell gewählt haben und entsprechende Vehikel für Flüge bis über 100 Kilometer Höhe entwickeln. Bei der Kommerzialisierung des Raumtransports hat Europa mit dem Unternehmenskonstrukt Arianespace einen "Prototypen" etabliert, der durchaus als Vorbild auch von anderen Nationen genutzt wird: Mit institutioneller Unterstützung, aber selbst verantworteter Geschäfte. Im Bereich der Wissenschaft und der Exploration wird der Staat auch in Zukunft in der Raumfahrt eine zentrale Aufgabe bei der Finanzierung spielen.
Quelle: http://www.dlr.de/dlr/presse/desktopdefault.aspx/tabid-10308/471_read-1006/
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