BESSY-Entdeckung könnte Computer 1000-mal schneller machen
Niederländische Forscher beobachten in Adlershof ein überraschendes Phänomen
Die stetig wachsende Informationsflut produziert immer größere Datenmengen, die immer schneller verarbeitet werden sollen. Bislang ist die physikalische Grenze der Aufnahmegeschwindigkeit von magnetischen Speichermedien aber noch weitgehend unerforscht. In Experimenten am Teilchenbeschleuniger BESSY II des Helmholtz-Zentrum Berlin konnten niederländische Forscher nun eine ultraschnelle Ummagnetisierung realisieren und entdeckten dabei ein überraschendes Phänomen.
In magnetischen Speichern werden Daten kodiert, indem man punktuell die Magnetisierung umkehrt. Äquivalent zu „0“ und „1“ arbeiten diese Speicher auf Basis des sogenannten magnetischen Moments der Atome, das im Speichermaterial „parallel“ und „antiparallel“ ausgerichtet sein kann.
Die Ausrichtung bestimmt ein quantenmechanischer Effekt, den die Forscher „Austauschwechselwirkung“ nennen. Im Magnetismus ist das die stärkste und deshalb schnellste „Kraft“. Weniger als 100 Femtosekunden benötigt sie, um die magnetische Ordnung wiederherzustellen, wenn sie gestört wurde. Eine Femtosekunde entspricht einem Millionstel einer Milliardstel Sekunde. Ilie Radu und seine Kollegen untersuchten nun erstmals das bisher unbekannte Verhalten der magnetischen Ausrichtung, bevor die Austauschwechselwirkung einsetzt. Gemeinsam mit Forschern aus Berlin und York publizieren sie die Ergebnisse in der Zeitschrift Nature (10.1038/nature09901, 2011).
Für das Experiment benötigten die Forscher einerseits einen ultrakurzen Laserpuls, der das Material erhitzt und somit die Ummagnetisierung anregt. Zum anderen mussten sie mit einem ebenso kurzen Röntgenpuls gleichzeitig beobachten, wie sich die Magnetisierung ändert. Diese weltweit einzigartige Kombination aus Femtosekunden-Laser und zirkular polarisiertem Femtosekunden-Röntgenlicht steht Wissenschaftlern nur an der Synchrotronstrahlungsquelle BESSY II zur Verfügung.
In ihrem Experiment erforschten die Wissenschaftler eine Legierung aus Gadolinium, Eisen und Kobalt (GdFeCo), in der die magnetischen Momente natürlicherweise antiparallel ausgerichtet sind. Sie beschossen das GdFeCo für 60 Femtosekunden mit einem Laserpuls und verfolgten die Umkehrung mit dem zirkular polarisierten Röntgenlicht, das es zudem ermöglicht, zwischen einzelnen Elementen zu unterscheiden. Dabei erlebten sie eine Überraschung: Die Magnetisierung der Fe-Atome kehrte sich bereits nach 300 Femtosekunden um, die der Gd-Atome benötigte fünfmal so lang. Dadurch waren alle Atome kurzzeitig parallel ausgerichtet und das Material stark magnetisiert. „Das ist genauso merkwürdig, als würde sich der Nordpol eines Magneten langsamer umdrehen, als dessen Südpol“, sagt Ilie Radu.
Mit ihrer Beobachtung konnten die Forscher nicht nur beweisen, dass eine Ummagnetisierung im Femtosekunden-Bereich möglich ist. Auch eine konkrete technische Anwendung lässt sich daraus ableiten: „Auf die magnetische Datenspeicherung übertragen, würde das eine Schreib- und Lesegeschwindigkeit im Terahertz-Bereich bedeuten. Das wäre rund 1000 Mal schneller als ein heute handelsüblicher Computer“, so Radu.
Weitere Informationen:
Dr. Ilie Radu
Methoden und Instrumentierung der Synchrotronstrahlung
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