Arbeit der Zukunft. Immer im Dienst?
Wie die Adlershofer sich ihren künftigen Arbeitsplatz vorstellen
Adlershofer Psychologen gehen den künftigen Herausforderungen der Arbeit auf den Grund. Allzeit mobil? Wie organisieren wir das, wie bleiben wir gesund und leistungsfähig?
Wir arbeiten zu Hause, im Flugzeug oder sogar am Strand – Arbeit und Freizeit vermischen sich. Für Annekatrin Hoppe, Professorin am Institut für Psychologie der Humboldt-Universität zu Berlin (HU) ist dieser Konflikt aktuell und in Zukunft die größte Herausforderung für arbeitende Menschen. Die Möglichkeit, via Laptop, Tablet oder Smartphone überall und jederzeit erreichbar zu sein, wirft Fragen auf: Wie wird die Arbeit organisiert, wenn ich meinen Chef und meine Kollegen nicht sehe?
Wie setze ich Prioritäten? Wann arbeite ich und wie kann ich die Erholungsphasen sinnvoll einteilen? Und nicht zuletzt ergonomische Fragen. Große deutsche Arbeitgeber experimentieren mit verschiedenen Modellen, in denen zum Beispiel Server um eine bestimmte Uhrzeit abgeschaltet werden und in denen Lösungen gesucht werden, die privat geleistete Arbeitszeit zu erfassen.
Ob die allgegenwärtige und vermeintlich überall erwartete Verfügbarkeit Stress erzeugt oder gar krank macht, können die Psychologen noch nicht genau sagen. Nachgewiesen ist, dass Phasen der Rufbereitschaft mit erhöhtem Stresserleben einhergehen. Wahrscheinlich gehen manche Menschen aufgrund ihrer persönlichen Eigenschaften besser damit um, permanent erreichbar zu sein oder sich die Arbeit selbst zu organisieren. Welche Persönlichkeiten das sein könnten, das versuchen Adlershofer Psychologen gerade in einer aktuellen Studie herauszufinden. In den ersten Wochen der Onlineumfrage ACTIVE@work haben die sechs Mitarbeiter am Institut für Psychologie bereits 600 Menschen befragt. Die Umfrage zum Stressmanagement ist Teil des größeren Projekts EngAGE.
Annekatrin Hoppe und Wissenschaftler aus Berlin, Hamburg und Lübeck befassen sich damit, wie Beschäftigte ihre Arbeit selbst gestalten können. Die Psychologen und Informatiker entwickeln in den kommenden Jahren einen Onlinecoach. Anhand kurzer Videos und Module sollen Strategien zur Arbeits- und Freizeitgestaltung erarbeitet und umgesetzt werden. Natürlich von überall und jederzeit abrufbar.
www.engage-projekt.de und www.pesa.psychologie.hu-berlin.de/activeatwork
Büro oder Mobil?
Wie stellen sich die Adlershofer ihren Arbeitsplatz der Zukunft vor? Unsere Mitarbeiterin Jördis Götz hat bei ihnen nachgefragt. Die Studentinnen Cara, Nele und Gozun können es kaum erwarten, ins Arbeitsleben einzusteigen. Sekretärin Marita Richter nimmt knapp vier Stunden Fahrtzeit täglich in Kauf, um ins Büro zu kommen. Teamleiter Ralph Günther und der Physiker Thomas Schurig schätzen feste und geregelte Arbeitszeiten. Für alle gilt die gleiche Herausforderung: Ihre Arbeit wird mobiler, flexibler, anspruchsvoller.
Gozun Edris, 22, Studentin am Institut für Chemie, HU Berlin
Ich lerne eigentlich nur in der Uni-Bibliothek, hier finde ich es am effektivsten. Es herrscht Lernatmosphäre und ich kann mich mit den Kommilitonen austauschen. Zu Hause lasse ich mich eher ablenken. Später möchte ich gern in die Forschung oder in die Industrie gehen. Ich kann es kaum erwarten, endlich arbeiten zu können. Für mich wären flexible Arbeitszeiten kein Problem. Es kommt auch ganz auf den Menschen an, wer sich schneller gestresst fühlt und wer nicht.
Ralph Günther, 48, Teamleiter Service bei der KONE GmbH
Arbeit ist Arbeit, privat ist privat! Natürlich nehme ich geistig viel mit nach Hause und beantworte auch E-Mails in meiner Freizeit, aber trotzdem finde ich es wichtig, beides zu trennen. In 20 Jahren ist die Software wahrscheinlich so weit entwickelt, dass wir alle von zu Hause arbeiten könnten. Das ist zwar bequem, aber es belastet. Und ich glaube auch nicht, dass es dazu kommen wird. Wir haben schließlich einen Betriebsrat.
Marita Richter, 52, Sekretärin, lesswire GmbH
Ich vermute, dass wir heute mehr in unsere Arbeit investieren als noch vor 20 oder 30 Jahren. Die Arbeit ist aufwendiger, kompakter, intensiver. Wer eine Arbeit hat, richtet Freizeit, Familie und Wohnort auch nach der Arbeit aus. Ich komme jeden Tag aus Frankfurt/Oder hierher nach Adlershof, habe damit knapp zwei Stunden Fahrzeit pro Richtung. Umziehen möchte ich nicht, mein Lebensmittelpunkt ist in Frankfurt. Im Zug kann ich gut abschalten, lese ein Buch. Ich nehme keine Arbeit mit nach Hause. Nur im Kopf.
Thomas Schurig, 61, Physiker an der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt
Ich glaube, dass es auch in 30 Jahren noch feste Arbeitsplätze und feste Arbeitszeiten geben wird. Junge Leute entdecken spätestens dann, wenn sie eine Familie gründen, die Vorzüge von festen Bezugspunkten wie eben dem Arbeitsplatz. Das Arbeiten von zu Hause ist verlockend, aber man muss es mit Augenmaß tun. Sinnvoll wäre es zum Beispiel für unsere Arbeit im Labor. Wir können dann die Arbeit der Geräte von außen beobachten. Am Wochenende und auch nachts.
Annette Schurig, 55, Fachgruppenleiterin, Joseph-Schmidt-Musikschule
Mein Mann arbeitet an verschiedenen Standorten und ich auch, in Adlershof und in Köpenick. Dass wir uns heute in der Mittagspause treffen können, genießen wir sehr. Ich bin an drei Tagen vor Ort, unterrichte Violine und betreue meine Kollegen am neuen Musikschulstandort in Köpenick und hier in Adlershof. Deshalb muss ich auch zu Hause erreichbar sein. Die Arbeit ist immer präsent.
Clara Lahrius, 20, Studentin am Institut für Informatik, HU Berlin
Ich will später an einer Schule arbeiten. Ich denke, dass jeder Schüler mit dem PC umgehen können sollte. Nur an die Arbeit zu denken, halte ich für falsch. Wichtig finde ich, sich in seiner Freizeit am PC und mit der Technik zu beschäftigen, um auf dem neuesten Stand zu bleiben. Entscheidend im heutigen Arbeitsleben ist es, per E-Mail erreichbar zu sein. Das ist schade, denn am Telefon ist es viel persönlicher. Meine Freizeit? Hab ich kaum. Ich lerne und jobbe nebenbei bei Kaufland, um Geld zu verdienen.
Nele Harder, 18, Studentin am Institut für Informatik, HU Berlin
Von überall arbeiten zu können, von Berlin, von New York oder von den Kanarischen Inseln aus – das ist doch eine tolle Perspektive! Ich kann mir gut vorstellen, dass ich später nach der Arbeit meinen Laptop mit nach Hause nehme. Dann kann ich frei entscheiden, wann ich arbeiten möchte. Klar, muss der Arbeitgeber auch darauf achten, die Mitarbeiter nicht zu überfordern, aber letztlich ist jeder für sich selbst verantwortlich. So einen Laptop kann man doch ausschalten.