What a Feeling
Mit den Lernmaterialien des Start-ups „Little Feels“ werden Emotionen tierisch gut trainiert
„Wir leben momentan in einer Art Mental-Health-Krise“, sagt Marietta Herzog. „Jedes vierte Kind in einer deutschen Kita zeigt Auffälligkeiten in der sozial-emotionalen Entwicklung. Zwanzig Prozent aller Schulkinder haben psychische Probleme. Fast die Hälfte aller späteren psychischen Störungen beginnen, bevor wir 14 Jahre alt sind.“ Im Erwachsenenalter wird es nicht besser. Psychische Probleme rühren oft daher, dass Menschen schlecht mit ihren Gefühlen umzugehen wissen. Sich ihnen nicht stellen. Sich ablenken. Exzessiv Sport treiben. Zu Drogen greifen. Doch Vermeiden und Verdrängen führen in einen Teufelskreis.
„Der Ursprung des Problems liegt vor allem in der Kindheit“, sagt Herzog. „Lernen Kinder einen guten Umgang mit Gefühlen und Selbstreflexion, ist viel geholfen.“ Dafür hat sie „Little Feels“ kreiert. Sie will Eltern Werkzeuge an die Hand geben, um ihre Kinder Schritt für Schritt an das Thema Gefühle heranzuführen. „Wir Erwachsenen vergessen oft, dass Kinder erst einmal lernen müssen, was Gefühle sind und wie sie damit umgehen sollen“, erzählt die Psychologin. „Das beginnt im Alter von ungefähr zwei Jahren und ist für Eltern eine ziemlich anstrengende Phase.“ Doch es ist auch eine äußerst wichtige Zeit. Ein guter Umgang mit den eigenen Gefühlen sei eine der wichtigsten Voraussetzungen für den Erfolg in späteren Lebensphasen wie Schule oder Beruf, aber auch für die Fähigkeit, glückliche Beziehungen aufzubauen.
„Mit Little Feels wollen wir Kindern ein selbstbewusstes, resilientes und glückliches Erwachsenwerden ermöglichen.“ Tierische Charaktere symbolisieren die verschiedenen emotionalen Herausforderungen und den Umgang damit. So steht zum Beispiel die Giraffe für die Selbstwahrnehmung und den Selbstwert. Mit ihrem langen Hals sticht sie heraus. Von ihr soll das Kind lernen, dass es gut ist, wie es ist. Von der Biene mit ihrer starken Gemeinschaft sollen die Kleinen lernen, um Hilfe zu bitten. Das fällt nicht immer leicht, ist vielleicht schambehaftet. Für die Entwicklung ist das wenig förderlich.
„Für die ganz Kleinen haben die Tiere ihren großen Auftritt in Büchern“, erklärt Herzog ihr Konzept. „Das Vorlesen schafft nicht nur wichtige Bindungsmomente, es baut auch ein gemeinsames Vokabular auf, um über Gefühle zu sprechen.“ Dazu gibt es das passende Kuscheltier. „Damit kann das Kind spielen und sich an das Gelernte aus den Geschichten erinnern.“ Für Kinder zwischen drei und sieben gibt es statt den Büchern digitale Medien wie Apps oder Spiele im Set mit dem Kuscheltier.
Mit einem gerade eingeworbenen Berliner Start-up-Stipendium setzt Herzog jetzt ihre Idee in der Gründungswerkstatt Adlershof in die Tat um. Die Prototypen für die Kuscheltiere hat sie selbst gestaltet. Auch die Bücher sind ihr Werk. „Meine große Leidenschaft gilt Kinderbüchern“, erzählt sie. „Ich habe schon einige Geschichten geschrieben und auch selbst illustriert.“ Nun sucht sie nach Gleichgesinnten, mit denen sie den Markt erobern kann. „Wir starten mit einem Onlineshop und wollen dann ins Sortiment von Buchhandlungen, Spielzeugläden und Drogeriemärkten“, sagt sie. Dann sollen Lernmaterialien für Kindergärten und Schulen folgen. „Wirklich zufrieden bin ich aber erst, wenn die Charaktere auch im Fernsehen einen festen Platz haben und möglichst viele Kinder bei ihrer emotionalen Entwicklung unterstützen.“
Kai Dürfeld für Adlershof Journal