Es gibt ein Leben nach der Arbeit
Was machen die Adlershofer eigentlich nach Feierabend? Weiterarbeiten oder relaxen? Wir haben uns umgehört.
„Feierabend ist für mich den ganzen Tag!“, lacht Stephan Leuendorff, Entwickler bei der Software- und Beratungsfirma Pokeshot///SMZ. Ein Scherz. Sicher. Doch so spontan sich Leuendorff zu dem Thema äußert, wird klar, dass die Arbeit für ihn keine Bürde ist, er nicht dem Dienstschluss entgegenfiebert. Vielleicht liegt das ein wenig auch daran, mit wie viel Schwung er nach Adlershof zur Arbeit kommt: per Fahrrad. Und zwar von Karow. Eine Strecke, die er in einer flotten Stunde zurücklegt. Das kurbelt die Glückshormone an, gibt Schwung für den Tag. Mit dem Rad geht es wieder in den Feierabend, heim zur Familie. Leuendorff tritt dann kräftig in die Pedalen, um seinen dreijährigen Sohn Luis aus der Kita abzuholen und gemeinsam mit Ehefrau Anja, ebenfalls eine begeisterte Sportlerin, Abendbrot zu essen. Dazwischen liegen rund acht Stunden Arbeit, diese etwas andere Form von Feierabend. Arbeiten kann der Softwareentwickler auch von zu Hause aus. „Bei uns gilt Vertrauensarbeitszeit. Wann und wo wir entwickeln, ist letztlich egal – Hauptsache das Ergebnis stimmt und die Termine werden eingehalten“, sagt Leuendorff.
Er ist mit seiner Leidenschaft nicht allein: Fast die gesamte Belegschaft von Pokeshot///SMZ radelt in die Firma, die die Bikes für die Mitarbeiter geleast hat. Wenn Zeit ist, pflegt das Team noch ein kleines Ritual zum Dienstschluss: ein paar Runden Tischfußball. „Es gibt sogar eine interne Kickerliga“, berichtet Leuendorff. Nach Feierabend und am Wochenende bestreiten er, seine Frau und einige seiner Kollegen Wettkämpfe wie den Velothon oder Duathlon. Abschalten heißt für Leuendorff hochschalten. „Die Zeit auf dem Rad ist Entspannung, hier bekomme ich den Kopf frei“, sagt er. Wobei: Nicht immer. Manchmal kommen ihm beim Strampeln auch Lösungen für Probleme, die es im Job zu knacken gilt. „Das passiert nebenbei.“
„Nebenbei“ am Ball bleibt Olga Yurlova, im Customer Service der WISTA-MANAGEMENT GMBH tätig. Zwar verlässt sie, wie in Adlershof die meisten, das Büro zwischen 17 und 18 Uhr, doch dann ist sie regelmäßig auf Veranstaltungen für Gründer unterwegs. Und davon gibt es in Berlin viele: „Fast jeden Abend gibt es ein Event“, berichtet Yurlova. „Das sind viele interessante Veranstaltungen, die ideal sind, um zu sehen, was in der Szene passiert – und neue Kontakte schaden ja auch nicht“, lacht sie. Insofern ist die Betreuerin für Gründerprojekte auch noch aktiv, wenn andere längst den neuesten „Tatort“ anschauen. Doch als Arbeit will sie das nicht verstanden wissen. Wenn sie dann heimkommt, ist vielleicht noch Zeit für ein Buch oder etwas Yoga. So geht ein guter Tag zu Ende.
Für Prof. Emil J. W. List-Kratochvil, Brückenprofessor am Integrative Research Institute for the Sciences (IRIS), geht ein guter Tag gegen Mitternacht zu Ende: Dann ist seine Arbeit in der Regel beendet. „Mein Feierabend ist eher arbeitsfokussiert“, sagt der Naturwissenschaftler. „Ich pendle an den Wochenenden nach Graz zu meiner Familie und nutze die gesamte Woche möglichst effektiv zum Arbeiten“, erzählt er. Wenn er gegen 18 Uhr das Büro verlässt, geht er meist mit Kollegen zwei Stunden am Campus etwas essen, um sich dann zu Hause nochmal für drei Stunden ans Werk zu machen. Zeit, die er schätzt: „Abends und nachts kann ich hochkonzentriert und intensiv arbeiten“, sagt List-Kratochvil. Manchmal geht er vorher noch laufen oder er ist mit Besuchern des Instituts in Berlin unterwegs. Richtig abschalten kann er am Wochenende bei seiner Frau und den beiden Kindern. Perfekt wird es, wie kürzlich bei einem Sightseeing-Trip mit der Familie durchs sommerliche Wien.
Das perfekte Wochenende verbringt Olga Yurlova mit Ausflügen, einem Spaziergang durch Potsdam oder einer Kajaktour durch die Gewässer Brandenburgs. „Ich bin erst seit vier Jahren in Deutschland. In Berlin und Brandenburg gibt es für mich noch viel zu entdecken.“ Und dafür ist das Wochenende da. Was nicht vielen vergönnt ist: „Dann oder im Urlaub kann ich komplett abschalten.“ Das versucht auch Sportler und Familienvater Leuendorff: „Zu Hause sein, mal gar nichts tun, ist für mich auch sehr entspannend.“ Die Sache ist nur: „Das kommt selten vor.“ Denn entweder locken die Laufschuhe oder das Rad …
Von Chris Löwer für Adlershof Journal