Das Netz als Spielwiese: Strategien für effizientere Computer
Spätestens seit dem Film „A Beautiful Mind“ ist der Mathematiker John Forbes Nash auch einem breiten Publikum bekannt. Die von ihm maßgeblich geprägte Spieltheorie wird mittlerweile nicht mehr nur genutzt, um das Handeln von Marktakteuren zu untersuchen. Sie hilft auch beim Verstehen des unübersichtlichen Geschehens in dezentralen Netzen wie dem Internet.
Susanne Albers ist keine Spielerin, doch die Spieltheorie hat es ihr angetan. Seit ihrer Promotion interessiert sich die Informatikerin dafür, wie Computer effizienter werden können. Sie hat Rechenanweisungen – sogenannte Algorithmen – entwickelt, die Aufgaben mit geringerem Energieverbrauch lösen. Mobiltelefone und Laptops verbrauchen so weniger Strom. Mit ihrer sechsköpfigen Arbeitsgruppe an der Berliner Humboldt-Universität erschließt sich die 44-jährige Professorin nun das noch junge Forschungsgebiet der algorithmischen Spieltheorie: Sie untersucht damit Probleme in großen, dezentralen Netzwerken.
Stau auf der Datenautobahn
Das Internet und drahtlose Netze haben eines gemein: Sie sind nicht zentral geplant und gelenkt, sondern oft ungeordnet gewachsen. An das Internet sind Milliarden von Einzelrechnern angeschlossen, die über Leitungen Anfragen an zentrale Rechner senden, die wiederum mit anderen sogenannten Routern kommunizieren. „Das ist ein Verbund vieler Teilsysteme und Parteien, die zum Teil egoistische Interessen verfolgen“, erläutert Albers, die seit dem vergangenen Juni in Adlershof forscht. Um zu verstehen, warum und wie dieses im Grunde anarchische Gebilde funktioniert, betrachtet Albers das Internet als Spiel: Die Akteure – Computer, die über das Netz kommunizieren – werden als Spieler modelliert, die durch strategische Entscheidungen für sich eine möglichst schnelle und kostensparende Kommunikation herausholen wollen. Ob die Strategie funktioniert, hängt auch immer wieder von den anderen Spielern ab: Wenn zum Beispiel alle Rechner zur gleichen Zeit Anfragen über dieselbe Leitung schicken, gibt es Stau auf der Datenautobahn.
„Nash-Gleichgewicht“
Die Forscher um Albers wollen zeigen, unter welchen Bedingungen so ein dezentrales Netz möglichst reibungslos und kostensparend funktioniert. Erste Erkenntnisse gibt es bereits: Wenn die Spieler versuchen, in ihrer direkten Umgebung für sich das Beste rauszuholen, bewegt sich das gesamte System auf einen Zustand zu, den die Forscher nach dem berühmten US-Mathematiker mit „Nash-Gleichgewicht“ umschreiben. „In einer solchen Situation kann sich kein Spieler durch eine Strategie-Änderung in eine bessere Position bringen, wenn alle anderen auch im Status quo verweilen“, erklärt Albers. Zu noch besseren Lösungen kommt man, wenn Spieler zusammenarbeiten dürfen. „Die Verbesserung bei den Kosten kann hier exponentiell sein.“
Auch für soziale Netzwerke interessant
Die Grundlagenforschung der Professorin ist auch für die Praxis interessant: Neben Internet und Mobilfunk könnten auch soziale Netzwerke profitieren, wie Albers sagt. „Man könnte Modelle entwickeln, in welcher Reihenfolge wer wen informiert, um besonders kostengünstig zu arbeiten.“ Angesichts der enormen Zahl von Einflussfaktoren können die spieltheoretischen Modelle bislang jedoch nur einige Facetten der dezentralen Netze abbilden. Ein sich ständig veränderndes Gebilde wie das Internet eines Tages in ein schlüssiges mathematisches Modell zu fassen, betrachtet Albers als große Herausforderung ihrer Zunft. „Aber das ist vielleicht zu ambitioniert.“
Claudia Wessling