Aufwind für Adlershofer Azubis
Wie gewinnen Unternehmen der Wissenschaftsstadt ihren Nachwuchs
Bald startet das neue Ausbildungsjahr. Zeit, bei Adlershofer Unternehmen nachzufragen, wie sie ihren Nachwuchs gewinnen, welche Qualifikationen gefragt sind und ob es genügend qualifizierte Azubis gibt?
Es hat sich etwas gedreht, doch eine Wende ist nicht in Sicht. Vor Jahren rumpelte es für viele Schulabgänger beim Start ins Berufsleben, weil es schlicht an Ausbildungsplätzen mangelte. Mittlerweile sucht manches Unternehmen fast schon verzweifelt nach motiviertem Nachwuchs. Auch Adlershofer Unternehmen haben einschlägige Erfahrungen gemacht.
Mario Ahlberg, geschäftsführender Inhaber der Ahlberg Metalltechnik, konnte im vergangenen Jahr immerhin fünf Azubis für die Ausbildung zum Werkzeugmechaniker, Zerspanungsmechaniker und Mechatroniker gewinnen. Doch die Aufgabe wird schwieriger: „Die Jahrgänge, die die Schulen verlassen, werden kleiner, gleichzeitig streben immer mehr junge Menschen eine universitäre Ausbildung an“, sagt Ahlberg. „Doch gerade für mittelständische Unternehmen sind Auszubildende die Fachkräfte von morgen.“
Thomas Kunze, Ausbilder und Teamleiter bei der AEMtec GmbH, führt auch den demografischen Wandel, der zu massenweisen Verrentungen in den nächsten Jahren führt, sowie die soziale Verantwortung seiner Firma ins Feld. AEMtec bildet natürlich auch aus, um sich „Facharbeiter mit sehr speziellen Kenntnissen zu sichern“, sagt Kunze. Er schätzt die nach ihrer Ausbildung übernommenen Azubis sehr: „Das sind bei uns die flexibelsten Mitarbeiter, sie kennen alle Prozesse.“
AEMtec stellt pro Jahr mindestens drei Ausbildungsplätze für Mikrotechnologen bereit sowie alle drei Jahre jeweils einen zur Fachkraft für Lagerlogistik und zum Industriekaufmann sowie einen dualen Studenten für industrielle Elektrotechnik. Gesucht sind Männer und Frauen, betont Kunze.
Ist es schwer, geeigneten Nachwuchs zu finden? „Ja. Das gilt besonders für weiblichen Nachwuchs: Trotz Girls‘Day, Mädchen-Technik-Kongress, Girls‘Day-Akademie und weiteren außerbetrieblichen Aktivitäten sowie Messeständen ist es nicht leicht, geeignete Bewerber zu finden“, berichtet Kunze. Zumal das Berufsbild des Mikrotechnologen kaum bekannt sei. „Hinzu kommen vermehrt schlechte schulische Noten und mangelndes Vorwissen in den MINT-Fächern“, bedauert er.
„Nachwuchs zu finden ist nicht ganz einfach, aber möglich“, sagt Ahlberg. Er bestärkt zweifelnde junge Leute, sich zu bewerben: „Gerade jenen, die vielleicht keinen ganz klassischen Lebenslauf vorweisen können, bietet der Mittelstand gute Möglichkeiten, weil Individualität anerkannt und geschätzt wird.“
Auch bei weniger spezialisierten Tätigkeitsfeldern kann es knifflig werden, gute Aspiranten zu finden. Benjamin Preikscheit von der Mediatec GmbH, einer Firma für Licht-, Bühnen- und Showservice, sagt: „Interessierte Menschen zu finden sehe ich als Kernproblem.“ Ausbilder Preikscheit stimmt keinesfalls die Klage Älterer an, die davon künden, dass früher alles besser war. Er selber ist 26 Jahre alt und sagt: „Ich finde, dass ein Großteil der 17- bis 21-Jährigen schwerer zu motivieren ist.“ Preikscheit begründet das mit Versäumnissen in der Schule: „Die Schüler werden eher mangelhaft auf das Berufsleben vorbereitet. Hinzu kommt, dass sehr viele nichts mit sich anfangen können, überfordert sind mit dem Angebot auf dem Markt und den Pflichten, die auf sie zukommen.“ Die Erfahrungen, die Mediatec derzeit sammelt, sind wenig berauschend: „Wir empfinden 90 Prozent der Praktikanten und Interessierten auf einen Ausbildungsplatz als sehr desinteressiert und desorientiert.“ Ein Umstand, den auch befreundete Firmen beklagen, berichtet Preikscheit. Was er von Azubis erwartet sind vor allem Zuverlässigkeit, Interesse und Lernbereitschaft.
Auch Thomas Kunze von AEMtec hat konkrete Vorstellungen: „Mindestens ein mittlerer Schulabschluss mit guten Noten in Mathe, Physik, Chemie und Englisch. Interesse an Technik und Feinmotorik sind ebenfalls wünschenswert.“ Über mangelnde Nachfrage kann Kunze jedenfalls nicht klagen: Für den Ausbildungsstart im September lagen im Frühjahr bereits 30 Bewerbungen für die Ausbildung zum Mikrotechnologen vor. Die Anwärter sind junge Menschen mit mittlerer Reife, Fachabitur, Abitur, abgebrochenem Studium und abgeschlossenem Studium. Wobei Letzteres nicht immer von Vorteil sein muss. Kunze: „In der Berufsschule kann es vorkommen, dass die studierten Azubis einen Wissensvorteil haben, sich daher langweilen oder mit den Lehrern Diskussionen führen, denen die anderen Schüler nicht folgen können.“ Dennoch ist diese Gruppe bei AEMtec wie auch den anderen Firmen auf dem Campus gern gesehen. Preikscheit: „Wir sind offen für alles. Der Bildungsgrad spielt nur zweitrangig eine Rolle. Die Person an sich ist das Relevante: Der Mensch muss zum Team passen.“ Bei Mediatec trudeln auf eine Stelle zwischen fünf und zehn Bewerbungen ein, meist von jungen Männern zwischen 16 und 23 Jahren.
Von Chris Löwer für Adlershof Journal