Zwischen Beatles und Bach
Der Studentische Mathematikerchor der Humboldt-Universität
Mathematik als Berufsziel, Musik als Leidenschaft: Seit knapp anderthalb Jahren gibt es in Adlershof den Studentischen Mathematikerchor. Den ersten großen Auftritt hatte er beim Campus-Konzert im Dezember.
Ein gutes Dutzend junger Leute, im Halbkreis aufgestellt, die Augen geschlossen. „Wir fangen an mit ein bisschen Summen“, sagt Vera Röhr, und sanft vibriert es durch den Raum. Sechs Töne in auf- und absteigender Folge, stets aufs Neue. Dann Augen wieder auf, jetzt zischt es stoßweise und rhythmisch „fff, sss, sch“ wie aus einem Dampfkessel unter Überdruck: „Eine Hand auf den Bauch, schön darauf achten, dass ihr im Bauch atmet“, mahnt die Dirigentin.
Willkommen beim Studentischen Mathematikerchor, Donnerstagnachmittag, Raum 007 im Johann-von-Neumann-Haus, zwei Stunden Üben. „Die Proben beginnen mit dem Einsingen, damit die Stimme warm wird“, erklärt die 21-jährige Jungmathematikerin, die dieses Mal den Takt vorgibt. Sie hat, gemeinsam mit ihrer Kommilitonin Magdalena Messerschmid, den Chor auch gegründet. Im Januar vorigen Jahres war das. Beide waren neu in Adlershof, für beide war das erste Semester gerade mal ein paar Wochen alt: „Wir saßen immer mit den gleichen Gestalten im Fachschaftsraum herum und überlegten, dass es nett wäre, miteinander zu singen.“
Musik soll etwas Schönes bleiben
Nett – und nicht zuletzt naheliegend. Schon seit ihrem 13. Lebensjahr hat Magdalena Messerschmid zu Hause in Paderborn im Domchor gesungen, sie spielt Klarinette und Klavier, beide Eltern sind Musiklehrer. Die Berlinerin Röhr hat das Händel-Gymnasium in Friedrichshain besucht, eine Schule mit musikalischem Schwerpunkt. Ihr Instrument ist die Geige, auch ihre Mutter ist Klavierlehrerin. Mit dem Mathematikerchor fühlen sie sich nicht einmal ausgelastet. Beide singen obendrein im Chor der Humboldt-Universität. Warum also Mathematik? Warum nicht gleich die Musik zum Beruf machen? „Damit Musik was Schönes bleibt“, ist die Antwort.
Mittlerweile zählt der Chor 15 „hochmotivierte“ Mitglieder, unter ihnen auch zwei Psychologen, die ein Aushang am Schwarzen Brett neugierig gemacht hatte. Neun Männer, sechs Frauen, fünf Tenöre, vier Bässe, drei Altstimmen, drei Soprane. Wer neu hinzukommt, muss sich einem Aufnahmetest stellen, um die eigene Tonlage zu finden: Einmal so hoch und so tief wie nur irgend möglich singen.
Mix aus zeitgenössischer und alter Musik
Das Repertoire reicht von den Beatles bis zu John Dowland, einem englischen Barden aus der Zeit um 1600. Für den ersten öffentlichen Auftritt beim Adlershofer Campus-Konzert im vorigen Dezember haben sie der Jahreszeit entsprechend den Choral „Ich steh an deiner Krippen hier“ von Johann Sebastian Bach einstudiert. Ein Drittel zu zwei Drittel, so schätzen die Chorleiterinnen das Verhältnis von zeitgenössischer zu alter Musik in ihrem Programm. Wobei die alte Musik von der Renaissance bis zu Felix Mendelssohn Bartholdy reicht.
Bislang zweimal bei den Campus-Konzerten war der Chor zu hören. „Es wäre schön, mal ein eigenes Konzert zu haben“, wünscht sich Messerschmid.
HU-Campus-Konzerte
Die Campus-Konzerte finden seit Ende 2003 einmal in jedem Semester statt. Schauplatz ist der Konferenzraum 0.119 des Erwin Schrödinger-Zentrums. Teilnehmen können alle Studenten und Beschäftigten der HU, deren Hobby die Musik ist. Die Idee stammte von einem damaligen Mitarbeiter des Instituts für Informatik, Jochen Koubek, mittlerweile Professor in Bayreuth. Seit 2009 organisiert Gero Wiechmann, ehemals Student der Geographie an der HU, die Konzerte. Das nächste Konzert ist im Dezember 2013 geplant.
www2.hu-berlin.de/campuskonzert/
Von Winfried Dolderer für Adlershof Journal