Zusammen studieren, was zusammengehört
Der neue Bachelorstudiengang IMP an der Berliner Humboldt-Universität vereint drei naturwissenschaftliche Kernfächer: Informatik, Mathematik und Physik
Als sich Laura Michaelis 2016 an der Humboldt-Universität zu Berlin (HU) einschreiben wollte, war sie zunächst ratlos: Sie interessierte sich für Naturwissenschaften, wollte sich aber nicht für nur eine Disziplin entscheiden. Zu diesem Zeitpunkt gab es den neuen Bachelorstudiengang Informatik – Mathematik – Physik (IMP) noch nicht. Leider. Die Studentin bedauert das für sie ungünstige Timing. Schließlich wählte sie zwei Hauptfächer: Mathematik und Informatik. „Wenn ich die Wahl gehabt hätte, würde ich heute IMP studieren“, sagt Michaelis. „Bei meinem Doppelstudium habe ich immer wieder Probleme mit dem Studienplan, es gibt Überschneidungen bei den Lehrveranstaltungen, die das Studium beider Fächer erschweren.“ Heute berät sie als studentische Hilfskraft zukünftige Studierende, die sich für IMP interessieren.
Abgesehen von den logistischen Schwierigkeiten kann der Studiengang im Vergleich zu einem Monostudium auch inhaltlich punkten. „IMP gibt den Studierenden mehr Flexibilität, weil sie alle drei Fächer gleichberechtigt studieren“, erklärt Gaëtan Borot, Professor am Institut für Mathematik und am Institut für Physik sowie Vorsitzender des Prüfungsausschusses und der Kommission für Lehre und Studium für den IMP-Bachelor. Das Studium zielt auf ein breites, integriertes Wissen und Verstehen der wissenschaftlichen Grundlagen in allen drei Fächern. Und es stellt Bezüge zwischen den drei Disziplinen und ihren Methoden her. In den ersten vier Semestern werden Grundkenntnisse in Informatik, Mathematik und Physik synchron vermittelt. Die höheren Semester bieten dann umfangreiche Wahlmöglichkeiten für eine individuelle Schwerpunktsetzung in einem Fach, während die anderen beiden vertieft werden.
„Das fördert eine bestimmte Denkart, die den Naturwissenschaften eigen ist, eine bestimmte Form von Abstraktionsfähigkeit“, so Borot. Zudem gebe es viele Themen, die nicht klassisch in einem Fach angesiedelt sind, sondern an der Grenze der Disziplinen. „Bei IMP ist es beispielsweise für die Bachelorarbeit möglich, zwei Gutachter zu haben, die zwei Fächer abdecken.“ Bei einem Monostudium lässt das Regelwerk dies häufig gar nicht zu.
Und auch die Chancen auf dem Arbeitsmarkt stehen gut. Es gibt zwar noch keine statischen Daten über die Alumni, denn der Studiengang startete erstmals im Wintersemester 2019. Aber die umfassenden Kenntnisse, die IMP-Studierende mitbringen, sind in der Industrie, in der Informatik oder im Bereich der künstlichen Intelligenz gefragt: „In Bereichen, die mit Technologieproblemen zu tun haben, braucht es Leute, die ihre Abstraktionsfähigkeit trainiert haben“, sagt Borot. „In der Industrie etwa werden Ingenieurinnen und Ingenieure benötigt, die ein Verständnis für physikalische Probleme haben, aber zugleich auch Kenntnisse von Programmierung oder ein Verständnis für die Komplexität eines Algorithmus.“
Der Professor verweist auf die Wissenschaftsgeschichte: Seit Ende des 19. Jahrhunderts habe sich die Entwicklung von Mathematik und Physik größtenteils entkoppelt; das Fach Informatik sei ohnehin relativ neu. Ursprünglich gehörten Mathematik und Physik zusammen. „Viele Fragestellungen sind aus der mathematischen Physik entstanden“, erklärt Borot. „Dazu zählen Techniken von Newton, Leibniz und anderen, um etwa die Bewegung von Körpern zu berechnen oder Gesetze der Mechanik zu formulieren.“ Bis Mitte des 19. Jahrhunderts arbeiteten viele Mathematiker und Mathematikerinnen auch im Physikbereich.
„Unsere Studierenden können wieder alle drei Naturwissenschaften gemeinsam erlernen und nicht getrennt.“ Das ist sehr anspruchsvoll, aber die Studierenden, die sich für IMP entscheiden, seien neugierig und hochmotiviert. Das beobachtet auch Laura Michaelis bei den jungen Menschen, die zu ihr in die Studienberatung kommen: „Die Abbruchquote ist geringer als bei Monostudiengängen“, sagt sie. „Und die meisten können in den ersten vier Semestern herausbekommen, wo ihre Interessen liegen, ohne sich zu früh für ein Schwerpunktfach entscheiden zu müssen.“
Heike Gläser für Adlershof Journal
Informatik, Mathematik und Physik — Humboldt-Universität zu Berlin