„Wir nehmen nicht jeden“
Mit Businessplänen hat Gerhard Raetz in seinem Berufsleben seit langem zu tun. Vor fast zwanzig Jahren schrieb er seinen ersten. Der wurde ihm von der Bank „gnadenlos zerfetzt“. Trotzdem ist aus der Idee etwas geworden. Ein Gründerzentrum, das in diesem Jahr seine „Volljährigkeit“ feiert und das inzwischen mehr als 350 Unternehmensgründungen begleitet hat.
Der Flachbau, eine Steinbaracke mit Anbau und nach Weststandard modernisiert, erweckt am Tage seiner Eröffnung am 11. September 1991 gemischte Gefühle bei der versammelten Presse. In einer Zeit, in der Institute und Einrichtungen der ehemaligen Akademie der Wissenschaften in Adlershof abgewickelt werden, kommentieren die Medien das Spektakel zur Eröffnung des neuen Gründerzentrums einerseits als Feier für ein Potemkinsches Dorf, andererseits als „erstes Signal des Aufbruchs“. Fünf Firmen mit insgesamt 14 Mitarbeitern ziehen ein. Eine der ersten ist die Firma Jünger Audio, die demnächst – immer noch in Adlershof – ihren 20. Geburtstag feiert.
„Die Idee der Gründerzentren war damals nicht neu“, sagt Florian Seiff, Geschäftsführer der Innovations-Zentrum Berlin Management GmbH (IZBM), die das Gründerzentrum betreibt. Schon zu Beginn der 1980er Jahre wurde in ganz Deutschland über schnellen Technologietransfer aus der Universität in die Praxis nachgedacht. Berlin dachte am schnellsten. „Da, wo man studierte, sollte man die Möglichkeit haben, aus dem Gelernten eine Firma zu machen.“ Ganz ernst genommen wurden diese Überlegungen nicht, die entstehenden Gründerzentren als Modeerscheinung betrachtet.
Die Erfahrungen der ersten Jahre speziell an der Technischen Universität Berlin führten 1986 zur Gründung der IZBM. Vermietung und Betreuung in einem Gründerzentrum können nicht Kernaufgabe einer Universität sein, erklärt Seiff. Die IZBM betreibt seitdem das Gründerzentrum BIG im Wedding.
Raetz und Seiff sind ein erfolgreiches Ost-West-Duo. Raetz, heute Prokurist der IZBM, ist ein Adlershofer Urgestein, absolvierte seine Ausbildung zum Feinmechaniker in der Akademie und arbeitete nach dem Studium in deren Generalplanung für Wissenschaftsbauten. Seiff, damals Wissenschaftler am Weltrauminstitut der Freien Universität, suchte und fand seine neue Herausforderung auf einem Adlershofer Kantinenschild: „Gesucht für Gründerzentrum...“
Mit dem „Kochrezept“ aus dem Wedding, den frei werdenden Gebäuden des Wachregiments in Adlershof und Geldern des Forschungsministeriums der DDR entstand das Planungskonzept für ein Innovations- und Gründerzentrum Adlershof (IGZ).
Auf tragfähige Unternehmenskonzepte legen Raetz und Seiff immer noch größten Wert. Längst nicht mehr in der Steinbaracke. Im September 1994 öffnet das neue IGZ an der Rudower Chaussee, wenig später der Erweiterungsbau in der Kekuléstraße. 1997 folgt das Internationale Gründerzentrum OWZ, das anfangs den Wirtschaftsaustausch mit Osteuropa fördern will, später Gründern aus dem Ausland ermöglicht, den deutschen und europäischen Markt kennenzulernen und Firmen aufzubauen. Eine Möglichkeit, die auch der Elektronikhersteller Hitachi oder das britische Unternehmen Andor genutzt haben.
„Wir nehmen nicht jeden“, betont Seiff die Bedeutung eines Erfolg versprechenden, tragfähigen Geschäftskonzeptes für die „Aufnahme“ ins IGZ. „Wir verstehen uns als Sparringspartner für Gründer, und wenn die Idee stimmt, dann setzen wir alle Hebel in Bewegung. Wir haben Drähte überall hin, unser gesamtes Netzwerk und die Erfahrung aus 350 Gründungen stehen den Jungunternehmern zur Verfügung.“
„In 20 Jahren entwickelt man ein Gespür für das, was funktioniert und was nicht“, ergänzt Raetz, und fügt mit einem Lächeln hinzu: „Auch wenn der erste eigene Businessplan durchgefallen ist.“
Der Erfolg gibt beiden Recht: Die Unternehmen Lasertechnik Berlin, Auconet oder Jerini sind nur einige Beispiele dafür. Nur 17 von 350 Firmen haben es in 18 Jahren nicht geschafft.
Derzeit entwickeln beide Ideen für den Campus Charlottenburg. Dass Adlershof ein Modell dafür sein kann, halten Raetz und Seiff für unwahrscheinlich. „Unsere Erfahrungen werden uns helfen“, sagt Raetz, „aber dort gibt es vollkommen andere Voraussetzungen.“ Anders als damals in Adlershof gibt es in Charlottenburg wenig Handlungsdruck, kaum Grundstücke und eine feste Stadtstruktur. „Da müssen wir neu überlegen.“