Wie Manager "Verkaufen lernen": Zwei Chefs aus Adlershof blicken zurück
„Kurios“ nennt er die Anfangszeit im Rückblick. Nach dem Mauerfall im Herbst 1989 war dem gelernten Diplom-Ingenieur Fred Enz schnell klar: Sein Arbeitsplatz am Ostberliner Institut für Automatisierung in Adlershof wird bald abgewickelt. Heute hat sein Ingenieurbüro fünf Mitarbeiter und eine lange Liste erfolgreicher Projekte im Bereich Mess- und Steuerungstechnik. Ungefähr zur selben Zeit, und unter ähnlichen Umständen, begann auch die Erfolgsgeschichte von Matthias Scholz und der LTB Lasertechnik Berlin, spezialisiert auf die Entwicklung und Herstellung von Lasern, Spektrometern und lasergestützter Messtechnik.
Enz war gut ausgebildet, Mitte Dreißig und hatte eine Ehefrau mit sicherem Einkommen: Im April 1990 machte er sich selbständig. Sein Startkapital war die eigene Qualifikation und Arbeitserfahrung. Geld hatte er nicht: „Keine Eigentumswohnung und nur ein altes Auto“. Zu einer Bank ging er erst gar nicht. Auch um Fördermittel bewarb er sich zunächst nicht, als Ein-Mann-Unternehmen fühlte er sich zu klein dafür. Stattdessen nahm er die „harte Tour“: Akquisition als Dienstleister. „Man muss Ideen haben. Und man darf keine Angst haben, muss aber wissen, wo seine eigenen Grenzen sind“, sagt er.
Fred Enz ist ein Macher-Typ, einer, der von selbst aktiv wird und sich umtut: Neben dem eigenen Büro, mit dem er eine süddeutsche Firma in Ostberlin vertrat, wurde mit zwei ehemaligen Kollegen ein Geldgeber gesucht und gemeinsam eine GmbH gegründet. Bei Kunden und Geschäftspartnern in Westdeutschland fragte er nach: „Wie haben Sie angefangen?“ „Da hat keiner geblockt. Die meisten fanden es interessant, dass jemand aus dem Osten das so macht.“
Doch mit Ingenieurwissen allein lässt sich kein Ingenieurbüro aufrecht erhalten: Nebenbei vertiefte sich Enz in Themen wie Marketing, Buchhaltung und Steuern. In einer globalen Welt musste auch ein kleines Unternehmen wie das ENZ Ingenieurbüro lernen, international seine Dienstleistungen umzusetzen. Wenn Aufträge drängten, war es Arbeit rund um die Uhr, Wochenenden inklusive. Bisweilen musste in der Anfangszeit seine Frau mit anpacken, Kabel abisolieren, Geräte zusammenschrauben, Rundbriefe versenden. Heute sind eher seine Töchter gefragt: Beide haben Maschinenbau studiert, und manchmal sucht der Vater ihren ingenieurtechnischen Rat.
Kurz nach der Wende wagte auch Matthias Scholz den Schritt in die Selbständigkeit – nach 20 Jahren am Institut für wissenschaftlichen Gerätebau in Adlershof: Gemeinsam mit zwei ehemaligen Kollegen und seiner Ehefrau, einer Betriebswirtin, gründete er die LTB Lasertechnik Berlin GmbH. Nun mussten sie produzieren und verkaufen, was sie vorher entwickelt hatten. „Das war schon eine Umstellung, aber mit gesundem Menschenverstand zu schaffen“, erinnert sich Matthias Scholz. Auch sie trieben das Geld für die Firmengründung privat auf. „Die Situation war 1990 relativ unklar. Da musste man das schon selbst in die Hand nehmen“, sagt Scholz. Allerdings hatten sie ausgesprochenes Pech dabei: Da sie ihre Firma noch zu DDR-Zeiten gründeten, wurden ihre Einlagen im Zuge der Währungsunion über Nacht halbiert. Und wieder steuerten sie die fehlende Summe privat bei.
von Tina Heidborn