Wie innovativ ist Adlershof?
Student untersucht Netzwerke zwischen Unternehmern und Universität
Im internationalen Vergleich gehört der Wissenschafts- und Technologiepark Berlin-Adlershof gemessen an der Zahl der Unternehmen und deren Mitarbeitern zu den größeren seiner Art. Wird jedoch der Erfolg dieses Förderinstruments darin gemessen, wie innovativ die ansässigen Unternehmen und Forschungseinrichtungen sind, so vermitteln diese Indikatoren ein nur unzureichendes Bild.
In einer Magisterarbeit am Institut für Wirtschaftsgeographie wurde die Frage aufgeworfen, ob der Technologiepark Adlershof, auch als ein „innovatives Milieu“ mit intensiven Netzwerken im Forschungsbereich beschrieben werden kann. Zu diesem Zweck wurden Adlershofer Unternehmen sowie Unternehmen im „Research Park at the University of Illinois at Urbana-Champaign“ über ihre Beziehungen zu den am Standort befindlichen Universitäten befragt und die Ergebnisse miteinander verglichen.
Klassische Standortfaktoren wie z.B. die Verkehrsanbindung sind für Unternehmen immer noch von Bedeutung. Doch die derzeitige Entwicklung der Wirtschaft, und insbesondere die in den hoch entwickelten Ländern, gründet sich zunehmend auf der Fähigkeit der Unternehmen, in den Besitz neuen Wissens über Produkte und Produktionsprozesse zu gelangen. Ziel eines Technologieparks ist es deshalb, technologieintensiven Unternehmen und sonstigen Forschungseinrichtungen ein förderliches Umfeld für Innovationen zu schaffen.
Ein wirtschaftsgeographisches Konzept zur Beschreibung hoch innovativer Unternehmenscluster ist das „innovative Milieu“. Ein zentraler Bestandteil des Ansatzes ist die Existenz von Netzwerken zwischen den Unternehmen und den universitären Forschungseinrichtungen, durch die es zum Transfer von Wissen und Technologien kommt, woraus Innovationen erwachsen können. Die Netzwerke zeichnen sich durch verschiedene Formen der Interaktion aus: den formellen Verflechtungen, z.B. in Form eines Forschungsvertrags, sowie den informellen, unter denen beispielsweise einfache persönliche Kontakte zu verstehen sind. Insbesondere letzteren wird im „innovativen Milieu“ eine überragende Bedeutung beigemessen, da sie die Übertragung des so genannten impliziten Wissens ermöglichen.
Die Befragung von 14 amerikanischen und 76 deutschen Unternehmen ergab, dass alle amerikanischen Unternehmen sehr intensive Kooperationsverflechtungen mit der University of Illinois, der einzigen öffentlichen Forschungseinrichtung an diesem Ort, unterhalten. In Adlershof hingegen haben nur etwa 45 Prozent der Unternehmen formelle und informelle Beziehungen mit den mathematisch-naturwissenschaftlichen Instituten der Humboldt-Universität, die vor wenigen Jahren an den Standort umgezogen sind. Die Bedeutung dieser Verflechtungen für die Geschäftstätigkeit wurde dabei von den amerikanischen Unternehmen viel höher eingeschätzt als von den deutschen. Eine zweite Gruppe (47%) von Unternehmen in Adlershof fiel dadurch auf, dass sie zwar keine Kontakte mit der HU, dafür jedoch zu anderen Berliner Universitäten, insbesondere zur Technischen Universität, aufwies. Eine Minderheit von Unternehmen verfügte über keinerlei Kontakte.
Besondere „Kontaktfreudigkeit“ wurde bei den Unternehmen aus den Bereichen Photonik und Optische Technologien beobachtet, 85 Prozent der aus diesem Bereich Befragten arbeiten mit Universitätsmitgliedern zusammen.
Die intensiven Verflechtungen der amerikanischen Unternehmen mit der Universität korrespondieren mit der Herkunft der Unternehmensangestellten: 56 Prozent der amerikanischen Beschäftigten stammen direkt von der Hochschule. Unter den Beschäftigten der deutschen Unternehmen machten HU-Abgänger dagegen nur einen Anteil von 3,4 Prozent aus.
Neben der personellen Verflechtung erklärt sich das unterschiedliche Ausmaß an Zusammenarbeit auch aus der Art der Unternehmenstätigkeit, die in Illinois fast ausschließlich aus angewandter Forschung und der Entwicklung von Produkten und Prototypen besteht. Da keine eigene Grundlagenforschung betrieben wird, ist die Chance hoch, dass sich die Forschung der Unternehmen und die der Universität auf sinnvolle Weise ergänzen. Ebenso spielen Produktion und der Verkauf von Produkten noch keine Rolle.
Bei den Adlershofer Unternehmen nehmen die angewandte Forschung sowie die Entwicklung von Produkten ebenfalls eine wichtige Stellung ein. Gleichzeitig befinden sich einige Unternehmen schon im Stadium der Serienproduktion und des Verkaufs von Produkten und Dienstleistungen. Damit sind auch solche Tätigkeiten vertreten, die eine Anbindung an die Ideenschmieden der Universität nicht mehr erfordern.
Wie hoch die Bedeutung der Kooperations-Netzwerke für die Unternehmen ist, zeigt sich bei einem Vergleich mit den sonstigen Vorteilen eines Technologieparks – z.B. dem Betreuungs- und Beratungsservice oder der Existenz eines Gründerzentrums. Fast alle amerikanischen Unternehmen würden nach eigener Einschätzung auch ohne den Technologiepark existieren, so dass ihre Standortwahl als Mitnahmeeffekt eingestuft werden muss.
Im Technologiepark Adlershof ergibt sich in dieser Frage ein gemischtes, uneindeutiges Bild. Hier konnte außerdem gezeigt werden, dass die Unternehmen mit Verflechtungen gemessen an der Entwicklung der Beschäftigtenzahlen erfolgreicher waren als die, die über keinerlei Netzwerke verfügten.
Das amerikanische Beispiel zeigt, wie intensiv die Netzwerke zwischen Unternehmen und Universitäten sein können. Die Bewährungsprobe wird allerdings dann zu bestehen sein, wenn die Unternehmen aus dem frühen Innovationsstadium in die Produktions- und Verkaufsphase heraustreten und die Kontakte zur Universität an Bedeutung verlieren. Dann muss sich zeigen, ob den neuen Bedürfnissen entsprechend genügend andere Unternehmen und unternehmensorientierte Dienstleistungen am Standort verfügbar sind.
In Adlershof spielen die Verflechtungen mit der HU zwar eine weitaus geringere Rolle, doch mit den anderen Berliner Universitäten sowie den außeruniversitären Forschungsinstituten erhöht sich die Zahl der Akteure im Netzwerk und damit die „Konkurrenz“, was für die Innovationstätigkeit nur von Vorteil sein kann. Da Adlershof auch mehr unternehmensorientierte Dienstleistungen bietet, sind die Voraussetzungen für die Entwicklung eines innovativen Milieus besser als in der amerikanischen Vergleichsregion. Was die weitere Entwicklung speziell der Netzwerke zwischen der HU und den Unternehmen betrifft, so ergab die Befragung, dass nur die Unternehmen, die bereits Kontakte haben, sich zukünftig eine weitergehende Zusammenarbeit vorstellen können. Dies muss jedoch nicht bedeuten, dass damit die Entwicklungsmöglichkeiten in diesem Bereich ausgeschöpft wären. Vielmehr kann durch weitere aktive gegenseitige Information über die Forschungsfelder versucht werden, bisher nicht genutzte Potenziale in das Blickfeld von Unternehmern und Forschern zu bringen.
Moritz Weber-Bleyle
Titel der Arbeit:
„Netzwerke und Wissenstransfer in Technologieparks: Eine Bewertung der Beziehungen zwischen universitären Forschungseinrichtungen und Unternehmen aus Unternehmersicht an den Beispielen Berlin-Adlershof und Urbana-Champaign“
Quelle:
HUMBOLDT Ausgabe 7 2004/2005, 13. Mai 2005
www.hu-berlin.de/presse/zeitung/archiv/04_05/num_7/seite4_5_8_9_10.pdf