Widerstand im Strom
Adlershofer Forscher beobachten Bewegung der Elektronen in Echtzeit
Forscher am Max-Born-Institut in Berlin beobachteten die extrem schnelle Entwicklung des elektrischen Widerstandes in einem Halbleiter, indem sie die Bewegung der Elektronen in Echtzeit verfolgten.
Als Sie das erste Mal von elektrischem Strom hörten, haben Sie sich vielleicht gefragt, wie sich die Elektronen in einem Festkörper vom negativen zum positiven Anschluss bewegen. Es ist im Prinzip möglich, dass die Elektronen durch den Festkörper "fliegen", ohne dass sie durch die Atome oder andere Ladungen im Material beeinflusst werden. Unter normalen Bedingungen geschieht dies nicht, da die Elektronen mit den schwingenden Atomkernen oder mit Störstellen zusammenstoßen. Typisch passieren solche Stöße nach einer extrem kurzen Zeit, ca. 100 Femtosekunden (10-13 Sekunden, ein Zehntel einer billionstel Sekunde). Damit ist die Elektronenbewegung im Material wie eine Bewegung durch eine dichte Menschenmenge, nicht wie ein Lauf eine leere Strasse entlang. Deshalb ist eine typische Elektronengeschwindigkeit nur 1 m/h (nicht km/h!), langsamer als eine Schnecke.
Obwohl die Elektronen im Material sehr häufig anstoßen, benötigen solche Stöße eine endliche Zeit. Wenn man sich durch eine Menschenmenge drängelt, gibt es dort manchmal kleine leere Bereiche, in denen man schneller gehen kann. Wenn man die Elektronen bei ihrer Bewegung auf einer sehr schnellen (Femtosekunden) Zeitskala beobachtet, würde man erwarten, dass die Elektronen nach dem Einschalten der Batterie für sehr kurze Zeit ungestört durch das Material fliegen, bevor sie an irgendwas anstoßen. Das ist genau, was Forscher am Max-Born-Institut in Berlin kürzlich getan haben und worüber sie in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Physical Review Letters [Band 107, 256602 (2011)] berichten. Extrem kurze Pulse von Terahertz Licht (1 Terahertz = 1012 Hz, 1 Billion Schwingungen pro Sekunde) wurden anstelle einer Batterie benutzt (Licht hat wie eine Batterie ein elektrisches Feld), um optisch erzeugte freie Elektronen in einem Stück Galliumarsenid zu beschleunigen. Die so beschleunigten Elektronen erzeugen ihrerseits ein weiteres elektrisches Feld. Wenn man dieses Feld mit Femtosekunden-Zeitauflösung misst, kann man daraus genau erkennen, was die Elektronen tun. Die Forscher sahen, dass die Elektronen direkt nach dem Einschalten des elektrischen Feldes ungestört beschleunigt wurden, wohingegen sich der Einfluss der Stöße erst nach etwa 300 Femtosekunden bemerkbar machte.
In einem Film wird gezeigt, was in dem Galliumarsenidkristall passiert. Elektronen (blaue Kugeln) und Löcher (rote Kugeln) zeigen zufällige Wärmebewegungen, bevor der Terahertz-Puls die Probe trifft. Das elektrische Feld (grüner Pfeil) beschleunigt Elektronen und Löcher in entgegengesetzte Richtungen. Im Entstehen des elektrischen Widerstands wird diese Bewegung abgebremst. Dies führt zu einem aufgeheizten Elektron-Loch-Gas, das heißt zu einer schnelleren Wärmebewegung.
Diese Experimente ermöglichten es den Forschern festzustellen, welche Art Stöße hauptsächlich für den elektrischen Widerstand verantwortlich ist. Interessanterweise fanden sie heraus, dass die wichtigsten Stoßpartner nicht atomare Schwingungen sind, sondern positiv geladene Teilchen, sogenannte Löcher. Ein Loch oder Defektelektron ist ein leerer Elektronenzustand im Valenzband des Halbleiters; es hat eine positive Ladung und eine etwa 6-mal so große Masse wie das Elektron. Die optische Anregung eines Halbleiters erzeugt gleichzeitig freie Elektronen und Löcher. Diese werden durch den Terahertz Puls, unsere Batterie, in entgegengesetzte Richtungen bewegt. Da die Löcher verglichen mit den Elektronen eine viel größere Masse haben, bewegen sie sich nur langsam, aber sie stehen den Elektronen im Weg, wodurch diese abgebremst werden.
Das so gewonnene Verständnis der Prozesse, die zu einer Abbremsung von Elektronen führen, kann zukünftig zu effizienterer und schnellerer Elektronik führen und vielleicht zu neuen Tricks, den elektrischen Widerstand zu verringern.
Kontakt:
Max-Born-Institut für Nichtlineare Optik und Kurzzeitspektroskopie im Forschungsverbund Berlin e.V. (MBI)
Dr. Michael Wörner, Tel.: 030 6392 1470
Prof. Dr. Klaus Reimann, Tel. 030 6392 1476
Prof. Dr. Thomas Elsässer, Tel. 030 6392 1400
Max-Born-Straße 2a
12489 Berlin