Wer kann auf dem Mars überleben?
Experimente mit ausgeklügelter Simulationstechnik
In einer Simulationskammer nehmen Adlershofer Forscher Flechten und Bakterien unter die Lupe. So sieht Marsgestein aus, gelb wie Vulkangestein aus Hawaii, rot-braun wie Hämatit oder perlmuttfarben wie Siderit. Die Mineralien finden sich auf dem Roten Planeten, das haben die Marsrover „Opportunity“ und „Spirit“ entdeckt. Mit dem irdischen Gestein lässt sich Marsboden simulieren. Proben davon liegen in runden Plastikschalen, etwas größer als eine Zwei-Euro-Münze. Acht nebeneinander befinden sich auf einer Drehscheibe, die derzeit aber stillsteht, denn die Marssimulationskammer im Adlershofer Institut für Planetenforschung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) wird neu eingerichtet.
Leben auf dem Mars möglich
In monatelangen Versuchen wird hier untersucht, ob Lebewesen wie Flechten oder Bakterien die starke kosmische Strahlung und die extreme Kälte auf dem Wüstenplaneten aushalten können. Dazu werden die organischen Präparate auf die Mineralien gelegt und in der Simulationskammer Bedingungen wie auf dem Mars ausgesetzt. Flechten sind geeignete Kandidaten, weil sie als Mischwesen aus Alge und Pilz auch die unwirtlichsten irdischen Lebensräume besiedeln. Die Alge nutzt die Energie des Sonnenlichts, um Photosynthese zu betreiben. Diesen Sauerstoff erzeugenden Vorgang beherrschen auch Cyanobakterien, die ebenfalls an extremen Standorten wie arktischem Eis, heißen Quellen oder Wüsten zu finden sind.
Neueste Ergebnisse eines 34-Tage-Experiments sind gerade publiziert worden. „Wir haben nachgewiesen, dass polare Flechten wie Pleopsidium chlorophanum auf dem Mars existieren könnten“, sagt der Astrobiologe Jean-Pierre de Vera. Auf der ungeschützten Marsoberfläche könnten die Flechten demnach wie in Schockstarre überleben, zu Aktivitäten wie Photosynthese wären sie jedoch nicht in der Lage. Sind die Organismen jedoch in Felsnischen vor dem Strahlenbombardement sowie extremer Kälte etwas geschützt, funktioniert das. „Es war überraschend, dass die Flechten selbst bei zweistelligen Minusgraden aktiv sind“, sagt de Vera. Das zeige, dass Leben auf dem Mars existieren kann, in welcher Form auch immer.
Flechten und Cyanobakterien im Mars-Test
Die polare Flechte hat der aus Düsseldorf stammende Forscher selbst in der Antarktis eingesammelt. Der nächste Kandidat, die Flechte Circinaria gyrosa wird aus der spanischen Wüste geliefert. Danach sollen Cyanobakterien dem Mars-Test unterzogen werden, die Simulationskammer wird deshalb umgebaut.
„Es kommen immer wieder neue Ideen von den Experimentatoren“, sagt Andreas Lorek. Der Physiker setzt die kreativen Einfälle technisch um. Mit von der Partie ist der Physiker David Wolter, der sensible Elektronik einbaut. Jene sieht aus wie ein überdimensioniertes Mikrowellengerät. Durch die Glastüre kann man den Drehteller erkennen, stählerne Deckel und Anschlüsse, nach außen führende Messkabel und Schläuche, die Gase zuleiten können. Die ganze Apparatur steht in einem Kühlschrank, der Temperaturen von bis zu minus 50 Grad herstellen kann. „Wir haben jetzt noch eine Kamera installiert, die das Geschehen überträgt“, sagt der Physiker. Er hat auch das LED-System ausgetüftelt, das auf- und abdimmend den Verlauf eines Marstages simuliert. Die Gasmischanlage kann die Marsluft korrekt nachbilden, die fast 96 Prozent Kohlendioxid enthält. Auch Feuchte wird zugeführt, wie sie sich am Morgen und Abend eines Marstages niederschlägt. Vakuumpumpen sorgen dafür, dass ein Luftdruck von nur sechs Millibar herrscht. Ein Kühlschrank stellt Temperaturen von bis zu minus 50 Grad her.
Mit so ausgeklügelter Simulationstechnik sind die DLR-Forscher weltweit an der Spitze. Entsprechend viel Resonanz bekommen sie, etwa Anfragen von der NASA, mit der die Adlershofer kooperieren. Aber auch von Initiativen, die den Mars kolonisieren wollen. Davon hält de Vera wenig, denn die Verhältnisse auf dem Roten Planeten seien zu lebensfeindlich. Viel interessanter findet der Biologe das Thema „Leben im Weltall“, etwa im Rahmen des Projekts BIOMEX (Biology and Mars-Experiment). So werden von de Vera gesammelte Proben von Organismen aus dem Permafrost auf der ISS darauf untersucht, wie gut sie es im All aushalten. „Ich hoffe, dass Alexander Gerst die Proben untersucht“, sagt de Vera. Und eine bisschen Neid auf den deutschen Astronauten, der im Mai ins All starten soll, ist nicht zu überhören.
Von Paul Janositz für Adlershof Journal