Weltweit größte Studie zu Behandlungskonzepten für Erwachsene im Autismus-Spektrum
Die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderte Studie „FASTER/SCOTT“ findet unter Leitung von Humboldt-Universität und Universitätsklinikum Freiburg statt
Für Patient:innen mit psychischen Erkrankungen gestaltet sich die Therapiesuche äußerst schwierig: Sie müssen in Deutschland in der Regel mit Wartezeiten von mehreren Monaten rechnen, bevor sie ein passendes Behandlungsangebot erhalten. Personen mit einer Autismus-Spektrum-Störung (ASS) wie dem Asperger-Syndrom sind von dieser Problematik noch stärker betroffen, da ihnen noch weniger Therapieplätze angeboten werden. Diese Lücke versucht die derzeit deutschlandweit laufende Studie „FASTER/SCOTT“ zu füllen, die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert wird und weltweit die größte und in ihrer Art einzigartige Studie in diesem Bereich ist. Ziel ist es, evidenzbasierte Behandlungsansätze für Erwachsene im Autismus-Spektrum zur Verfügung zu stellen, die nicht nur wirksam, sondern auch für Betroffene und psychotherapeutische Fachkräfte gut zugänglich sind.
Zwei neue Therapie-Konzepte: „FASTER“ und „SCOTT“
Mehrere renommierte Institutionen sind in das multizentrische Projekt involviert. Das Wissenschaftler:innen-Team, geleitet von Prof. Dr. Ludger Tebartz van Elst (Universitätsklinikum Freiburg) und Prof. Dr. Isabel Dziobek (Humboldt-Universität), untersucht die Wirksamkeit von zwei psychotherapeutischen Behandlungskonzepten, die sich spezifisch an Erwachsene aus dem Autismus-Spektrum richten. Das Gruppentherapie-Verfahren „FASTER“ aus Freiburg und das computerbasierte Training „SCOTT“ aus Berlin adressieren schwerpunktmäßig Autismus spezifische soziale Schwierigkeiten. Für die Studie werden zurzeit wieder interessierte Studienteilnehmer:innen mit einer ASS eingeschlossen.
Es wird essenziell sein, Wissen zu ASS aus der „FASTER/SCOTT“-Studie in der Aus- und Weiterbildung von Psycholog:innen und Psychotherapeut:innen zu vermitteln, um die Behandlungskompetenz im Bereich ASS zu stärken. Denn zwei neuere Studien der Autismus-Forschungs-Kooperation zeigen, dass Menschen mit ASS deutlich seltener einen Therapieplatz erhalten, da Kliniker:innen ihre Behandlungskompetenz für diese Patient:innen-Gruppe im Vergleich zu anderen psychischen Störungen am niedrigsten schätzten und deswegen Patient:innen mit ASS keine Behandlungsplätze anbieten.
Das Konzept der Gruppentherapie FASTER wurde in Zusammenarbeit mit Autist:innen entwickelt. Durch Elemente der Psychoedukation und gemeinsame Rollenspiele mit Gruppenteilnehmer:innen werden kommunikative und interaktionelle Fähigkeiten vermittelt. Stressbewältigung ist ein besonderer Baustein des FASTER-Programms, der den Umgang mit Stress und Alltagsbelastungen adressiert. Das Onlinetrainingsprogramm SCOTT bietet eine große Didaktik-Plattform zur Emotionserkennung an. Mithilfe vielfältigen Videomaterialien und benutzerfreundlicher Gestaltung können Teilnehmer:innen ihre sozio-emotionalen Kompetenzen spielerisch üben.
In Deutschland leben schätzungsweise circa 1.6 Millionen Menschen mit einer ASS. Es handelt sich um eine überwiegend genetisch bedingte Erkrankung, die charakterisiert ist durch Schwierigkeiten in sozialer Interaktion, Vorliebe für sich wiederholende Routinen und Interessen sowie sensorische Empfindlichkeiten. Diese Besonderheiten bestehen seit früher Kindheit und meist über die gesamte Lebensspanne hinweg, und führen häufig zu weiteren psychischen Belastungen wie Depressionen, Angst- oder Schlafstörungen. Die überwiegende Mehrzahl der Menschen aus dem Autismus-Spektrum entwickelt in ihrem Leben mindestens eine weitere psychische Begleitstörung. Der Bedarf nach Therapie ist folglich überdurchschnittlich hoch im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung und tatsächlich wünschen sich 75 Prozent aller Erwachsenen aus dem Autismus-Spektrum eine Behandlung.
An der „FASTER/SCOTT“-Studie sind neben der HU und dem Universitätsklinikum Freiburg folgende Institutionen beteiligt: Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden, Universitätsklinikum Tübingen, Zentrum für Seelische Gesundheit in Mannheim, Universität Duisburg-Essen.
Kontakt:
Dr. Kamila Borowiak
kamila.borowiak(at)hu-berlin.de
030-2093-98821
Pressemitteilung der Humboldt-Universität zu Berlin vom 3. November 2022