Waldläufer und Polterscanner: Von der smarten Forstwirtschaft
Adlershofer Start-up VINS 3D entwickelt digitale Scanner für Vermessung und Bestandsaufnahme
„Es lässt sich keine dauerhafte Forstwirtschaft denken, wenn die Holzabgabe aus den Wäldern nicht auf Nachhaltigkeit berechnet ist.“ In seiner „Anweisung zur Taxation der Forste oder zur Bestimmung des Holzertrags der Wälder“ hat der Forstwissenschaftler Georg Ludwig Hartig bereits im späten 18. Jahrhundert den heute so inflationär genutzten Begriff „Nachhaltigkeit“ geprägt. Was im Wald steht und wie viel davon forstwirtschaftlich nutzbar ist, ermitteln Forstwirte heute noch häufig wie zu Hartigs Zeiten: zu Fuß und handschriftlich. Das Adlershofer Start-up VINS will das ändern – mit Sensoren, Algorithmen und künstlicher Intelligenz.
Von der Waldinventur über die Logistik- und Rettungskette, Holzvermessung bis hin zur Navigation und Wildbeobachtung – was in der Industrie schon lange Thema ist, gewinnt auch in der Forstwirtschaft an Relevanz: digitale Lösungen. Denn Wald ist nicht nur Lebensraum, sondern auch Wirtschaftsfaktor. Korrekte, aussagekräftige Daten über Waldzustand und Holzvorrat sind Grundlage einer modernen, nachhaltigen Forstbewirtschaftung.
Das Scannerbild sieht aus wie eine Wolke und so heißt es auch: Punktwolke. Schemenhaft lassen sich mit viel Fantasie Bäume erkennen. Das Bild stellt gesammelte Rohdaten dar, die in diesem Zustand wenig Informationswert haben. Was anfangen damit, fragten sich Tom Thiele und sein Co-Gründer Till Westberg. Thiele hat Forest Information Technology studiert und gemeinsam mit Westberg das Unternehmen VINS 3D gegründet. Das Unternehmen entwickelt Produkte und Technologien, um die Datenflut in Messwerte und sinnvolle Informationen zu verwandeln.
„Sensoren erfassen heute jede Menge Daten, auch in der Forstwirtschaft. Diese am Computer per Hand so zu bearbeiten, dass sie sich in nützliche Informationen verwandeln, ist aufgrund der schieren Menge fast unmöglich“, erklärt Thiele.
Für die Forstwirtschaft ist das erste VINS-Produkt, ein Scanner mit einem selbst entwickelten Sensorsystem und Datenverarbeitungsalgorithmus, nun bei einem großen forstwirtschaftlichen Betrieb im Test. Wurden früher Bestände von sogenannten Forsteinrichtern stichprobenartig gezählt, bestimmt, vermessen, verortet und die Aufzeichnungen anschließend digitalisiert, erledigen sie das heute mit dem VINS-Scanner. Der Kunde erhält Waldkarten mit allen Informationen, unter anderem zur Baumart, zu Baummaßen, -mengen und deren Positionen.
Besonders die Verortung, erzählt Thiele, sei dabei eine Herausforderung gewesen. Denn je dichter das Waldstück bewachsen ist, desto mehr erschweren die Kronen der Bäume die satellitengestützte Positionsbestimmung (GPS). Der VINS-Scanner greift daher auf Technologien für die Indoor-Navigation zurück, um auch satellitenunabhängig zu funktionieren. Dabei kooperiert VINS – das Start-up sitzt im Gründerhaus Adlershof der Humboldt-Universität zu Berlin – in der Entwicklung eng mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR).
Auch bei Holzpoltern kommt der VINS-Scanner zum Einsatz. Holzpolter – das gesammelte und sortierte Lang- oder Kurzholz auf einem Sammelplatz – wurden bislang auf althergebrachte Art vermessen: Mit einer Sprühdose wurden erst die Messstellen und bei Bedarf jeder einzelne Stamm markiert. Dann hantierten Förster und Holzhändler mit zwei bis drei Meter langen Messstäben, kletterten über die Stapel, um mit einem Kluppe genannten Messschieber die Durchmesser ausgewählter Stämme zu ermitteln. Mithilfe optischer Messverfahren misst der VINS-Scanner nun die Stirnfläche der Stämme und deren Länge, um daraus eine Aussage über die Holzmenge zu generieren.
„Intelligente, präzise und aktuelle Daten“, sagt Thiele, „und der Clou: Wald- und Polterscanner sind in einem Gerät vereint.“ Auf die Forstwirtschaft begrenzen will sich das Unternehmen nicht. „Überall da, wo Messungen eine räumliche Verortung erfordern, kann unser Scanner zum Einsatz kommen. Bei Logistikprozessen in Werksgeländen oder bei der Objekterfassung im Straßenraum zum Beispiel.“
Von Rico Bigelmann für Adlershof Journal