Von Magentropfen bis Kochspray
Hofmann & Sommer forscht in Adlershof an Arznei-, Nahrungs- und Kosmetikwirkstoffen
Obwohl die Firmengeschichte im thüringischen Königsee-Rottenbach bis ins Jahr 1906 zurückreicht, ist die Forschungsabteilung von Hofmann & Sommer ein Youngster in Adlershof. Seit zwei Jahren wird nun auch hier mit Desinfektionsmitteln, Homöopathika, Arznei- und anderen Wirkstoffen experimentiert.
„Virchow war der Meinung, der Körper sei kein Zoo. Aber er ist es eben doch“, sagt Prof. Hans-Peter Welzel, Chemiker und Leiter der Wissenschaftsabteilung mit fünf Mitarbeitern und einigen Doktoranden am Standort. „Denn: Die Bakterien haften an den kleinsten Härchen, auch außen auf der Haut.“ Deshalb ist ein wichtiges Projekt die Entwicklung von Nanojod – in Zusammenarbeit mit der Beuth-Hochschule. Vorher gab es Jod entweder als Tinktur oder an ein Polymer gebunden, als Salbe. Eine Tinktur ist immer mit Alkohol, das heißt, sie brennt auf der Wunde. Festes Jod wiederum ist nicht so wirksam. „Wir haben eine stabile Nano-Emulsion entwickelt. Durch ihre kleinsten Teilchen hat sie eine sehr gute Wirksamkeit, aber sie brennt nicht“, so der Professor.
Hofmann & Sommer leistet in Adlershof Grundlagenforschung. Dies bedeutet oft fünf bis zehn Jahre Arbeit und Millionenausgaben, ehe ein neues Erzeugnis auf den Markt kommt. Die Zulassungsverfahren sind schwierig und für ein mittelständisches Unternehmen kaum zu stemmen. Welzel: „Manchmal führt das auch zu gar keinem neuen Produkt, aber zu neuen Erkenntnissen. Wenn man Erfahrungen hat, hat man was in der Schublade, um dann zum passenden Zeitpunkt Produkt oder Weiterentwicklung auf den Markt zu bringen.“
Eine dieser Weiterentwicklungen ist zum Beispiel „Cidegol“, ein Medikament auf Chlorhexidin-Basis zum Spülen der Mundhöhle und des Rachens. Es wirkt gegen Bakterien, ist aber kein Antibiotikum. Dieses Mittel greift die Proteinhülle der Bakterien an und schädigt sie komplett. Die Bakterien können dagegen keinerlei Resistenzen entwickeln. Deshalb wird es auch als Konservierungsmittel in Kosmetika eingesetzt.
„Unsere Konkurrenz ist groß und international – aber bei uns wird noch viel per Handarbeit in traditioneller Rezeptur hergestellt“, sagt Philipp Beyer, Marketingchef der Firma. So müssen dann bei Magenproblemen die Jahrzehnte bewährten pflanzlichen „Dreierlei-Tropfen“ gegen die Blockbuster der großen Industrie antreten oder „Cidegol“ gegen weitaus bekanntere Chlorhexidin-Präparate. Doch die immer wieder jung aufgestellte Firma ist findig, hat ihren eigenen Amazon-Shop eröffnet und sich auf die Kunden in Mitteldeutschland und Berlin spezialisiert.
Niemand ahnt, was in den Hightech-Räumen an der Johann-Hittorf-Straße 8 vor sich geht. Es knallt, pufft und stinkt nicht. Im Gegenteil: Alles ist clean und ruhig. Im physikalischen Labor läuft gerade ein Versuch am High Performance Liquid Chromatografen (HPLC). Unter Körpertemperatur wird hier die Konzentration von Wirkstoffen bei der Freisetzung in körpereigenen Zellen bestimmt. Das ist wichtig, denn ein Zuviel an Wirkstoffen kann Vergiftungen erzeugen, zu wenig bringt wiederum keine Wirkung.
Währenddessen wird im chemischen Labor unter anderem ein neuartiges Produkt entwickelt, das Zahnärzte ihren Patienten später gegen Entzündungen in die Zahntaschen verabreichen könnten. Blaue Plättchen mit einem filmartigen Überzug lagern in einem sogenannten Exsikkator. Hier drinnen wird ihnen langsam die Feuchtigkeit entzogen.
Mit genauen Erklärungen sind die Wissenschaftler vorsichtig. Denn das „Abkupfern“ ist in der biochemischen Branche sehr beliebt. Deshalb müssen auch alle neuen Produkte möglichst schnell patentiert werden.
Sprays und Tinkturen für Magen-, Augen-, Ohren- und Halserkrankungen, Desinfektionslösungen für innen und außen reichen den Forschern schon lange nicht mehr. Sie tüfteln nun auch an Nahrungsergänzungsmitteln, Kosmetika und– sogar an einem „Safran-Spray“ zum Kochen. Dazu arbeiten sie mit dem ersten Thüringer Safran-Bauern zusammen. Das Gewürz Safran ist in der Heilkunde bekannt. Es wirkt stimmungsaufhellend und libidosteigernd.
Welzel, der gern Neues ausprobiert, unterstützt die jüngeren Mitarbeiter in ihren Ideen: „Hier in Adlershof werden wir die Palette breit aufstellen, Qualitäten verbessern, aber auch ganz neue Produkte erschaffen.“
Von Kathrin Reisinger für Adlershof Journal